Kapitel 30

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Leise schlich ich mich aus dem Haus und in die Nacht.

Auf den Straßen war zwar nicht los, dennoch wollte ich keine unnötigen Geräusche erzeugen, weshalb ich extra leise lief.

Deen hatte mir den Weg gezeigt und ich lief ihn genauso jetzt wieder. Wobei mich ein komisches Gefühl überkam. Immer wieder drehte ich mich deshalb um, um sicherzugehen, dass niemand hinter mir war oder mich sah.

Nach einer Zeit begann ich mich zu fragen, warum ich das hier überhaupt tat. Doch irgendwie wollte ich etwas beenden. Diese Jahre lange Fete mit mir selbst. Erneut von Entschlossenheit gepackt lief ich weiter, als ich auf das Feld heraustrat und die Kirche des Friedhofs schon von weitem erblickte.

Natürlich war niemand hier, was das Quietschen des Tors noch gruseliger machte als ich hindurchging. Zwar war ich nur einmal hier gewesen, dennoch fand ich den Weg erstaunlich schnell und stand schließlich vor ihrem Stein.

,,Mam?" Meine Stimme zitterte und ich stopfte meine Hände in die Taschen meiner grauen Jacke. ,,Es war nie meine Schuld." Flüsterte ich und zog leise meine Nase hoch, ,,die ganze Zeit über", mit dem Ärmel wischte ich mir den Rotz von der Nase, ,,die ganze Zeit über warst es du." Tränen flossen über meine Wangen, ,,aber", hing ich hinten dran und legte meinen Kopf schief, während ich ihren Stein betrachtete, ,,ich hasse dich nicht." Kopfschüttelnd biss ich auf meine Lippe, ,,niemals könnte ich dich dafür hassen."

Meine Stimme bebte mittlerweile und ich gab es auf, mir über mein Gesicht zu wischen, ,,ich werde die Leute finden, bevor sie mich gefunden haben und dann werde ich ihnen zeigen, was sie fürchten sollten." Murmelte ich leise und meine Fingernägel bohrten sich immer mehr in meine Handfläche. ,,ich werde nicht mehr wiederkommen", flüsterte ich. Es war keine Entscheidung, sondern ein Fakt, der tief in meinem innersten feststand. Ich werde gehen.

Zwar bekomme ich dann kein Blut mehr, doch ich finde meinen Weg. Die Nacht war auch schön. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben, während ich nickte, ,,ich wollte tschüss sagen, denn dazu bin ich nie gekommen." Gegen Ende wurde meine Stimme immer leiser. ,,Also dann", meine Hand strich noch einmal sachte über den Stein und ich legte sanft den Ring auf das Moos, welches sich dort gebildet hatte. Das Bild von ihrem Grab schloss ich tief in mich ein, als ich mich umdrehte und zu Annelises ging.

Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht, ,,Auch dir wollte ich tschüss sagen und danke, für alles." Es waren kleine und wenige Worte, doch ich wusste nichts anderes, was ich sagen sollte. Am Ende waren sie sowieso tot und das, was ich hier tat, war in gewisser Weise selbstsüchtig.

Kopfschüttelnd wandte ich mich ab, ,,Jetzt tut es eh nichts mehr zur Sache." Ohne einen Blick zurückzuwerfen, ging ich den Trampelpfad zwischen den Gräbern zurück zum Tor. Naiv legte ich meinen Kopf in den Nacken und betrachtete den Wolken verhangenen Himmel, als ich plötzlich ein merkwürdiges Gefühl im Bauch bekam.

Sofort ließ ich meinen Kopf sinken und sah mich um. Das Gefühl verstärkte sich nur weiter und ich verlangsamte meine Schritte, während ich mich nach allen Richtungen umsah. Waffen hatte ich keine mitgenommen, im Falle der Fälle mussten Ingrids Nahkampftechniken eben helfen, denn sie hatten mich deutlich vor dem Einsatz meiner Illusionen auf andere Menschen gewarnt.

Kopfschüttelnd versuchte ich das Gefühl loszuwerden. Hier war niemand. Warum sollte hier jemand um diese Uhrzeit sein. Es sei denn, sofort blieb ich stehen, hatten sie mich gefunden? Hart biss ich meine Zähne aufeinander und versuchte meinen Herzschlag zu regulieren. Dann musste ich sie wenigstens nicht suchen.

Ich versuchte mir Mut zu machen und ging weiter auf das Tor zu. Niemand war in Sicht oder kam aus dem Schatten gesprungen. Niemand griff mich an, oder tauchte plötzlich vor mir auf. Auch nicht als ich am Tor angekommen war und es öffnete. Das Geräusch hallte laut durch die Nacht und eine Krähe stob aus einem der Bäume.

After the NightfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt