Der Morgen ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Szene spielte sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Mein Herzschlag beruhigte sich auch nicht. Er wollte nicht mehr darüber reden. Das musste ich akzeptieren. Ich hatte meinen Kuss. Ohne großes Drama oderirgendwelche Verführ - oder Kidnapping Pläne.
Bevor ich schlafen ging, checkte ich online unseren Vertretungsplan. Mein Herzrutschte mir in die Hose. Englisch wurde von Mittwoch auf Dienstagnachmittag vorverlegt. Ich war ganz bestimmt nicht bereit, ihn schon am nächsten Tag zu sehen. Und dann noch als letzte Stunde. Dann konnte ich ihm wenigstens schon meine verbesserte Klassenarbeit abgeben, bevor ich sie vergas. Ich lag mit einemmulmigen Gefühl im Bett. Das Einschlafen fiel mir schwer. Ich malte mir tausend Szenarien und Gespräche aus. Doch wie immer würde das1001 statt finden. Genau das, auf welches man nicht vorbereitet war. Irgendwann sank ich in einen unruhigen Schlaf. In meinem Traum sah ich Herr Dumond. Er sagte etwas, doch ich konnte es nicht hören. Es war, als wäre er viel zu weit weg, obwohl er direkt vor mir stand. Ich spürte eine warme Hand an meiner Taille. Sie wanderte langsam hinab. Mein Wecker zerstörte meine Hirngespinste und ich stand auf. Die Option Herr Dumond aus meinem Kopf zu schlagen, existierte seitdem vorherigen Tag nicht mehr. Dafür war es nun endgültig zu spät.
In Gemeinschaftskunde hätte ich mir am liebsten eine Kugel durch den Kopf gejagt. Und dann war auch noch Lasse krank! Ich wünschte ich hätte genauso viel Lebenslust, Motivation und Begeisterung, wie die Frau, die da vorne mit den Armen fuchtelte. Ich starrte förmlich Löcher in die Uhr. Was auch Frederick bemerkte.
"Wenn du so weitermachst geht die Uhr noch kaputt.", meinte der rothaarige.
"Jaja.", sagte ich geistesabwesend.
"Hast du noch Pläne oder wieso wünscht du dir eine Zeitmaschine?"
"Duweißt ja, es gibt nichts schöneres als den Schulschluss." Und Herr Dumonds Lippen.
"Es ist die erste Stunde. Dauert also wohl noch 'ne Weile, schöne Frau." ,er grinste mich an.
Ich hasste es wenn er mich so nannte. Nach Naturwissenschaften und Physik stand die Mittagspause an. Mein Herzschlag beschleunigte sich mit jeder Minute.
Um 13:45 Uhrklingelte es. Um 13:55 Uhr kam Herr Dumond dann die Treppe runter. Wir warteten schon vor der Tür. Ich hielt die Luft an, als er an mir vorbei lief. Er hatte mich genau gesehen. Trotzdem würdigte er mich keines Blickes. Weder vor dem Zimmer, noch im Zimmer. Er nahm mich nicht einmal dran. Falls er dachte, das wäre der beste Weg, um mit der Situation umzugehen, lag er falsch. Mich wie Luft zu behandeln, um mir keine falschen Gefühle zu machen? Dafür war es schon zu spät. Denn die Gefühle waren seit der ersten Englischstunde diesen Jahres da. Oder besser gesagt, zurück. Und das so stark wie noch nie. Er war mein Lehrer in der fünften Klasse in Erdkunde gewesen. Damals schon hatte er mich fasziniert. Ich konnte mich nicht auf den Unterricht konzentrieren. Er war so nett gewesen, doch seine Hilfsbereitschaft störte mich. Jetzt, Jahre später, sah unser Verhältnis zu einander ganz anders aus. Zum ersten Mal hatte ich nicht nur das Gefühl, dass er mich sah, sondern auch wahrnahm.
Eines musste ich zugeben, er war genauso gut im ignorieren wie ich. Als die Stunde zu Ende war, rannten alle förmlich aus dem Klassenzimmer. Ich nahm meinen Schnellhefter und lief vor. Niki verließ als letzter das Zimmer, schrie "Bis morgen Everly!" und knallte die Türhinter sich zu. Herr Dumond und ich waren allein. Mal wieder. Als ich vor seinem Pult stand, sah er auf. Nun waren wir erneut einander gegenüber. Nur das Pult war zwischen uns.
"Ich wollte fragen, ob ich meine verbesserte Arbeit schon zurück geben kann?" Ich reichte sie ihm. Er schlug sie auf.
"Unterschrieben?"
"Ja.", antwortete ich.
Er flog kurzdrüber, lächelte leicht und sagte: "Musterschülerin." Ich lächelte leicht zurück. Er trat neben das Pult, ich wollte gerade zurück zu meinem Platz um meine Sachen zu holen, doch erhielt mich zurück.
"Everly."
"Ja?"
"Nochmal wegen gestern..."
"Ich dachte, Sie wollen nicht darüber sprechen." Die Kälte in meiner Stimme überraschte sogar mich selbst.
"Das gestern, geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Es war falsch und mehr als mich zu entschuldigen kann ich nicht..." "Du kannst mich küssen.", dachte ich.
"...also falls es etwas gibt, dass dich dazu bringt, es für dich zu behalten, dann sag es mir bitte.", fuhr er fort und sah mich flehend an.
"Na ja, meinen ersten Kuss hatte ich mir vielleicht etwas anders vorgestellt...", fing ich an.
"Dein erster Kuss?", Herr Dumond sah mich mit offenem Mund an. "Was muss ich tun, damit die Sache unter uns bleibt?"
Nichts. Dachte er wirklich, ich würde meine erfüllte Sehnsucht mit jemandem teilen?
"Siekönnten mir einen letzten Kuss schenken."
"Everly, wenn ich dich jetzt erneut küsse, sind wir genauso weit wie am Anfang. Es geht nicht."
Ich sah ihn nur an. Was sollte ich denn schon sagen? Er schaute zu Boden und biss sich auf die Lippe. Dann sah er mich an.
"Nur einen Kuss.", sagte er, als er einen Schritt auf mich zutrat.
Er legte seine Hand an meine Wange und drückte seine Lippen auf meine. Das Gefühl war zehntausend mal schöner, als in meiner Erinnerung. Der Kuss wurde fordernder. Ich legte eine Hand auf seine Brust. Sofortdurchflutete mich Wärme. Er schmeckte nach Kaffee. Mein ganzer Körper kribbelte. Doch dann löste er sich von mir. Stirn - an -Stirn standen wir da. Seine Augen funkelten, trotz des Schmerzes darin.
"Was machst du nur mit mir.", wisperte er. Einmal noch, strichen seine Lippen über meine, bevor er mich losließ.
...
"Okay, ähm, also, schöne Woche noch.", er drehte sich um und fing an seine Tasche zu packen. Ich nahm meine Tasche und ging wortlos. Ichdrehte mich an der Tür nochmal um und sah, wie er mir hinterherschaute. Die Sehnsucht in seinem Blick brach mir das Herz. Wir wollten beide mehr. Und konnten beide nicht das bekommen, was wir brauchten. Oh Gott, wie sehr ich diesen Mann liebte. Und wie gern ich ihn anfassen würde. Der Weg zu den Parkplätzen kam mir viel zu kurz vor. Und die sechs Tage, bis ich ihn wiedersah zu lang.
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Verlangen nach ihm
Romance[SchülerinXLehrer] Einst die beste Geschichte zu diesem Thema auf Wattpad, bevor sie gelöscht wurde... unter neuem Namen. Und überarbeitet. Denn sie wollte ihn spüren. Es geht um so viel mehr als nur bloße Berührungen. Ein verbotenes Verlangen nach...