Kapitel 16

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Es gab eine Möglichkeit. Doch sie war nicht die Beste. Und garantieren konnte ich auch nichts. Vielleicht war ich ja eine schlechte Tochter, doch ich zog es wirklich in Erwägung. Es war schon öfter so, dass wenn meine Mutter und ich stritten, wir Tage danach gar nicht oder nur das nötigste miteinander sprachen. Also musste der Streit nur so sehr eskalieren, dass sie nie mehr mit mir sprach und ich so, gehen und kommen konnte wann ich wollte. Doch so weit würde sie es erst nicht kommen lassen. Sie würde mir trotzdem verbieten zu gehen. Und ihr würde wahrscheinlich die Hand ausrutschen. Doch vielleicht war ich gerettet. Mein Onkel aus dem Norden hatte sich angekündigt und wollte für zwei Wochen bleiben. Er war damals mit seiner Frau in den Norden gezogen, in die Nähe Kölns, und hatte drei Söhne. Seine Eltern hatte er mit vier Geschwistern zurückgelassen, er war der Älteste. Doch seine Frau verließ ihn und seine Söhne auch. Er lernte eine neue Frau kennen. Sie war toll und er hatte sie nicht verdient. Wir fragten uns immer, wie er so eine wundervolle Frau abbekommen hatte - in dem Alter. Sie waren vor Jahren zu Besuch, doch sie erkrankte an Krebs und ist vor Monaten gestorben. Und er - der Arsch, welcher er auch war - suchte sofort online nach einer neuen Frau. Wenige Wochen nach denen sie verstorben war. Er überlegte auch, sich eine Frau aus Russland zu bestellen. Es war einfach nur unverschämt gegenüber seiner verstorbenen Lebensgefährtin. Er bekam ihre Wohnung, einfach alles. Er hatte nie etwas gemacht oder richtig gearbeitet. Sein Leben und sein Alkoholproblem bekam er auch nicht in den Griff und er kam nur zu Besuch, um sich bekochen zu lassen und sich betrinken zu können. Er brachte uns Nichten und Neffen ja nicht mal Geschenke mit. Von welchem Geld denn? Keiner seiner Geschwister wollte ihn bei sich übernachten lassen und auch die Eltern waren etwas dagegen. Mein Vater war sein kleiner Bruder und fühlte sich verpflichtet. Er hatte noch drei jüngere Schwestern. Eine große Familie. Meine Mutter war, genau wie ich, Einzelkind. Da meine Mutter wusste, dass ich keine Lust auf meinen Onkel hatte, konnte ich mich vielleicht zu "Lasse" retten. Sie wollte ja selbst nicht da bleiben. Mein Onkel kündigte sich für einen Tag vor Heiligabend an und wollte für zwei Wochen bleiben. Also bis Heilige Drei Könige, seinem Geburtstag. Er würde nicht die gesamte Zeit bei uns bleiben, weshalb ich für wenige Tage zu Marc konnte. Ja, das war eine Möglichkeit.

Sonntagabend. Meine Familie unterhielt sich über das bevorstehende Weihnachtsfest. Und über meinen Onkel.

"Zuerst jahrelang nicht melden und dann zu Besuch wollen.", beschwerte sich mein Vater.

"Du musst wenigstens nicht einkaufen und dann stundenlang in der Küche stehen und sobald er weg ist alles waschen.", meinte meine Mutter.

"Es sind Ferien und ich brauche ihn hier nicht. Ich habe meinen eigenen Rhythmus.", gab ich meinen Senf dazu.

"Vor allem müssen wir vielleicht doch arbeiten und ich werde dich ganz bestimmt nicht mit ihm alleine Zuhause lassen.", meinte meine Mutter.

"Am liebsten würde ich die Tage bei Lasse bleiben.", sagte ich ganz nebenbei. Meine Mutter sah mich nachdenklich an.

"Weiß tdu was? Ich glaube so machen wir's. Am ersten Weihnachtstag fahren wir zu Oma und Opa, am zweiten dann zu den Eltern von deinem Vater und am Abend will er sicher zu uns, dann fahren wir dich kurz zu Lasse. Und dort bleibst du dann. Wie lange willst du denn? Habt ihr schon was ausgemacht?"

"Ne, aber Lasse hat gesagt, dass ich immer bei ihm willkommen bin und immer so lange bleiben darf, wie ich will.", die Geheimnistuerei war stressig. Ein falsches Wort und es war vorbei. Alles musste perfekt durchgeplant werden.

"Dann bleibst du einfach bis Silvester - wenn du darfst - und am Morgen holt dich dann dein Vater ab und am Abend stoßen wir dann auf das neue Jahr an. Ich hoffe trotzdem, dass er nicht länger als zwei Nächte bleibt."

"Okay, ich gehe mal Lasse fragen."

Schnell lief ich die Treppe in meine Zimmer hoch. Schon hatte ich mein Samsung Galaxy S7 in der Hand und tippte eine WhatsApp an Lasse.

Verlangen nach ihmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt