15

20 3 0
                                    

Ardy

"Dieser verfickte Idiot.", fluchte ich und schmiss den Brief von der Polizei auf den Tisch.
Es war eine Geldstrafe in Höhe von 1.500€.
Gut, das Geld bekam ich irgendwie zusammen und ich hatte ja auch ein wenig Zeit dazu, trotzdem ärgerte es mich, dass Maddox jetzt als Opfer dargestellt wird und wahrscheinlich straffrei davon kam.
Da Erik nichts von der Anzeige weiß und das auch so bleiben sollte, nahm ich den Brief wieder in die Hand und versteckte ihn in einer meiner Schubladen. Dort geht Erik nicht ran. Dafür respektierte er meine Privatsphäre zu sehr.
Ich hörte wie mein Handy in der Küche klingelte.
Lille.
"Hallo, Kleine."
"Hör auf!"
"Nööö. Wie geht es dir?"
"Gut. Was machst du gerade?"
"Nichts. Und du so?"
"Mir ist langweilig."
"Merk ich, weil du mich anrufst. Freust du dich schon auf deine Einschulung?"
"Ja! Aber ich bin auch aufgeregt."
"Ach, das wird cool werden. Das ist dein großer Tag! Und du lernst viele neue Leute kennen."
"Aber Lian ist auch bei mir in der Klasse und das ist blöd."
"Ärgert er dich immer noch?"
"Nicht mehr so doll. Er hat gesagt, dass sein Bruder im Krankenhaus war."
"Echt? Warum das?"
Hoffentlich hat Maddox seinem kleinen Scheißerbruder nichts erzählt.
"Weiß ich nicht."
"Achso. Vielleicht war er ja krank."
"Warst du schonmal im Krankenhaus?"
"Ein paar Mal. Aber ich sag dir nicht warum."
"Wieso nicht?"
"Erzähle ich dir, wenn du älter bist, okay?"
"Versprochen?"
"Großes Ehrenwort."
"Du, Ardy? Kommt Taddl auch nochmal wieder mit zu uns?"
Scheiße, ich wusste, dass ich ihr das irgendwas erklären musste. 
"Nein, tut mir leid Lille."
"Wieso nicht?"
"Weil wir nicht mehr zusammen sind."
"Wieso?"
"Weil wir uns nicht mehr lieben."
"So wie Mama und Papa."
"Genau. So wie Mama und Papa."
Nur, dass ich in diesem Fall der Arsch war.
Genauso wie Robert... Muss wohl in der Familie liegen.
Die Tür ging auf und ich sah, dass Erik wieder reinkam.
"Lille, wir sehen uns in ein paar Tagen, ja? Ich muss auflegen."
"Okay! Hab dich liiiieeeb!"
"Ich dich auuuchh!"
Und dann legte sie auf.
"Wie geht's dir großer Bruder?", fragte Erik und nahm sich einen Kaffee.
"Gut, soweit."
"Ja?"
"Ja, wieso?"
"Ne, nur so. Ich weiß ja, dass die letzten Tage nicht einfach für dich waren."
"Alles gut."
"Kumpel, ich muss dir auch noch was sagen."
Erik setzte sich mir gegenüber und schaute mich ernst an. Ach du scheiße, was kam jetzt? Wusste er von der Anzeige? Wusste er von Maddox?
"Ich hab jemanden kennengelernt."
Innerlich fiel mir ein riesen Stein vom Herzen.
"Ach, was?", sagte ich grinsend. "Sie ist also blind."
"Danke, du Arschloch. Sie ist nicht blind. Das mit uns ist was ernstes und geht auch schon etwas länger. Ich wollte dir das eher erzählen, aber dann kam bei dir ja... etwas dazwischen. Auf jeden Fall, wollte ich sie dir jetzt vorstellen, wenn das für dich okay ist."
"Klar, ich will wissen wer es mit dir aushält."
Erik musste kurz lachen. "Du sollst nur wissen, dass ich dich liebe und sie jetzt auch keinen Ersatz für deine Mom oder sowas werden soll."
"Ich weiß Erik. Ich bin doch froh, dass du jemanden gefunden hast."
"Okay. Perfekt. Wir wollten uns morgen Abend im Diner treffen und es wäre echt schön, wenn du mitkommen könntest."
"Auf jeden Fall. Wie ist denn ihr Name und wohnt sie auch hier?"
"Sie heißt Sandra und arbeitet im Supermarkt. Erinnerst du dich? Blonde Haare, bis zur Schulter."
"Ja... ich glaube ich weiß, wen du meinst. Ich freue mich schon sie kennenzulernen."

(...)

"Es ist im Moment wirklich nicht einfach, Mom. Ich vermisse ihn jeden Tag und habe das Gefühl, dass ich ihn nie wieder vergessen kann."
Ich seufzte und blinzelte die Tränen weg, welche gekommen waren.
"Aber Erik hat jemanden kennengelernt. Kannst du dir das vorstellen? Es gibt tatsächlich jemanden der es mit ihm aushält. Er will sie mir morgen Abend vorstellen. Ich bin echt gespannt."
Ich legte ihr die Blume aufs Grab, welche ich mitgebracht hatte.
"Ich muss los. Hab dich lieb."
Viele Leute fanden es wahrscheinlich gruselig nachts auf dem Friedhof zu sein, aber ich war gerne hier. So konnte ich ungestört mit meiner Mutter reden. Aber so langsam wurde ich wirklich müde und wollte in mein Bett. 
Ich lief gerade eine Gasse entlang, als Maddox mir plötzlich entgegen kam. Unwillkürlich fing ich an zu lachen.
"Wie siehst du denn aus? Hattest du eine Nasen OP?"
"Halt dein Maul!"
"Sorry, aber du siehst echt scheiße aus. Haben meine Schläge wohl doch heftiger gesessen als ich gedacht habe."
"Und was hast du jetzt davon? Ne Anzeige, richtig."
"Schon, aber ich kanns bezahlen. Und ganz ehrlich, das Geld war es mir wert, wenn ich dich jetzt so ansehe."
"Du solltest besser aufpassen was du sagst?"
"Wieso? Willst du dich sonst wieder mit mir anlegen? Ohoh, ich hab ja so eine Angst."
"Ich werde nicht aufhören, bis du mir die 800€ gibst?"
"Warte mal. 800€? Es hieß doch 500€."
"Tja, jetzt sind es aber 800€."
Ich verdrehte genervt die Augen. "Lass mich raten. Colin will plötzlich noch mehr Geld haben? Und du bist sein Sklave und musst es ihm bringen?"
"Selbst wenn, kann es dir doch egal sein."
"Nein, kann mir nicht egal sein, weil es immer noch mein Geld ist. Mal davon abgesehen, dass du es sowieso nicht kriegst."
"Du lässt mir keine andere Wahl."
Maddox kam mir langsam näher und zückte ein Messer, doch ich sah es nicht ein mich auch nur einen Schritt zu entfernen.
"Was wird das jetzt? Willst du dich wirklich nochmal mit mir anlegen? Du weißt doch wie das geendet ist."
"Ja, aber dieses Mal wird es anders enden."
Bevor ich fragen konnte, was er damit meinte, spürte ich etwas hartes an meinem Hinterkopf.
Sofort fiel ich auf den Boden. Ich konnte mich nicht abstützen, weswegen ich mit dem Kopf auf die Steine fiel. Schlagartig wurde mir schwindelig und es bildeten sich schwarze Punkte vor meinen Augen.
"Hey! Verpisst euch!", rief eine Stimme, aber ich konnte sie nicht zuordnen, weil sie zu verschwammen klang. "Ardy...? Hörst du mich?"
Ich wollte der Stimme antworten, doch mein Körper sträubte sich dagegen.

(...)

Als ich meine Augen öffnete hörte ich laute Sirenen. Um mich herum standen mehrere Leute.
"Nicht erschrecken. Es ist alles okay.", sagte eine weibliche Stimmung. "Du bist im Rettungswagen. Wir fahren dich ins Krankenhaus. Ich bin die Notärztin. Hast du Schmerzen?"
Ich wollte ihre Frage beantworten und ihr sagen, dass ich höllische Kopfschmerzen hatte, doch ich brachte nichts hervor.
"Kannst du mir antworten? Wie heißt du?"
Ich konnte es ihr nicht sagen. Mein Körper reagierte absolut nicht auf mich.
"Es ist schlimmer als gedacht. Wir müssen echt einen Gang zulegen.", sagte die Notärztin, die dabei aber nicht mich anschaute, sondern anscheinend jemanden der gegenüber von ihr stand.
Ich musste meine Augen wieder schließen. Die Kopfschmerzen waren wirklich unerträglich. Außerdem war ich echt müde und ich glaube es wäre das beste, wenn ich ein wenig schlief.
"Hey! Ardy! Bleib bei uns!", rief die Ärztin und rüttelte an mir, weswegen ich die Augen wieder aufmachte. "Augen offen lassen, ja? Ich weiß, dass das schwer ist. Aber du musst versuchen dagegen anzukämpfen."
Das sagte sie so leicht. Ich war wirklich müde und ich wollte nicht dagegen ankämpfen. Ich konnte gar nicht dagegen ankämpfen. Ich fühlte mich als hätte ich 5 Tage nicht geschlafen.
Mein Körper zwang mich einfach dazu die Augen zu schließen, ich konnte wirklich nichts dagegen tun.
"Der Blutdruck fällt ab.", sagte eine männliche Stimme. "Herzschlag wird langsamer."

Remember us || Fortsetzung von Different WorldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt