Kapitel 2

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Harry und ich bleiben eine ganze Weile halb aufeinander liegen. Ich spüre die Wärme seines Körpers direkt an meinem und kann so den kalten Wind um uns gut ignorieren. Sein gleichmäßiger Atem macht mich müde, doch ich möchte nicht einschlafen, dafür sind die Gedanken zu laut und Harry zu leise. Auch wenn er mir bereits versprochen hatte, dass er bei mir bleibt, würde ich gern wissen, was er von meiner Vergangenheit hält. Ich möchte ihn jedoch nicht direkt darauf ansprechen, vielleicht wird er dann sauer auf mich, immerhin muss er das auch alles erst verarbeiten. Man bekommt nicht jeden Tag gesagt, dass der Partner mehrere Leben auf dem Gewissen hat.

"Dein Kopf raucht schon", nuschelt Harry in meine Halsbeuge und küsst liebevoll meine Haut. Ich erschaudere leicht und drücke ihn näher an meine Brust. Er ist wieder der little spoon. Wie immer. "Du redest nichts", entgegne ich unschlüssig. "Muss ich das?", fragt er.

"Ich schätze schon."

"Mhm... naja, was soll ich sagen... du hast eine blöde Zeit hinter dir. Okay, nicht nur blöd, eher abgrundtief beschissen. Und es tut mir im Herzen weh, dass du all das erleben musstest, so etwas hat niemand verdient. Und es mag vielleicht sein, dass deine Welpen gestorben sind, aber du hast sie nicht umgebracht, Louis. Wenn Alec so ist, wie ich ihn mir vorstelle, dann hast du die drei nur gerettet." Ich schließe einen Moment meine Augen und atme zittrig ein. "Gerettet?", wiederhole ich. - "Ja. Alec wäre kein guter Vater gewesen. Du hättest ihnen noch so viel Liebe schenken können, aber es hätte nie gereicht, um den Schmerz auszugleichen, den sie durch Alec erfahren hätten. Du hast sie nicht umgebracht, Louis." Den letzten Satz betont er extra, als würde er ihn mir hinter die Ohren schreiben wollen. "Es bedeutet mir viel, dass du so denkst." - "Du solltest das auch tun. Ein glücklicher Louis gefällt mir besser als ein besorgter." Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "So richtig glücklich war ich schon ewig nicht mehr. Dafür war ich zu lange allein." - "Du vermisst deine Familie, oder?" Harry stützt sich auf seinen Ellbogen und betrachtet mich mitfühlend. Mit seinen Fingerspitzen streicht er mir einmal sanft über die Wange und lässt seine Hand dann dort liegen. "Mehr als alles Andere. Wenn ich könnte, würde ich Alec dafür umbringen, was er ihnen angetan hat. Aber er ist ein Alpha und ich ein Omega, das würde nicht funktionieren. Außerdem würde ich niemals unbemerkt in sein Revier kommen." - "Das wirst du auch schön bleiben lassen. Du gehörst jetzt zu mir und ich lasse es nicht zu, dass dieses Arschloch dir etwas antut." Nun muss ich schmunzeln. Harry klingt unglaublich heiß, wenn er Befehle ausspricht.

"Aber um nochmal darauf zurückzukommen...", ein verdächtiges Grinsen schleicht sich auf seine Lippen, "du warst also auch nicht glücklich, als du vorhin einen Orgasmus hattest?" Ich lache und haue ihm gegen die Brust. "War das dein einziger Gedanke dazu?" - "Nein, natürlich nicht. Aber du sahst in dem Moment alles andere als unglücklich aus", entgegnet er amüsiert.

"Ich habe wenigstens länger durchgehalten als zwei Minuten." Harry zieht seine Augenbrauen hoch und betrachtet mich empört. "Das war jetzt wirklich gemein! Wie lange hast du denn durchgehalten als du das erste mal Sex hattest, hm?" - "Ich bin damals gar nicht gekommen." Er schluckt hörbar und nickt ein wenig. "Sorry, das war blöd von mir... Hattest du Schmerzen? Also bei ihm? Oder.. bei mir etwa auch?" Lächelnd streiche ich ihm eine Locke hinter die Ohren. "Damals hatte ich Schmerzen, ja. Es war.. nicht hundert Prozent einvernehmlich. Anfangs habe ich mich gewehrt, weshalb es auch so wehtat. Aber irgendwann war es dann okay. Und bitte mach dir keine Sorgen, Haz, bei dir war es perfekt. Natürlich war es anfangs unangenehm, aber das ist es fast immer. Du musst mir nur ein wenig Zeit geben, damit ich mich an das Gefühl gewöhnen kann. Und außerdem macht das, was danach kommt, alles wieder wett." Die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen verschwindet nicht. Es ist offensichtlich, dass er erleichtert ist, doch er macht sich Gedanken um den ersten Teil, den ich erzählt habe. "Haz, es ist Vergangenheit. Und du bist meine Zukunft, also hilf mir einfach, es hinter mir zu lassen, dann ist alles perfekt." - "Ich bin deine Zukunft?", wiederholt er mit großen Augen. Schmunzelnd nicke ich. "Ich liebe dich, Harry." - "Ich liebe dich auch, Lou."

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt