Kapitel 8

1.1K 110 81
                                    

Die ganze restliche Nacht konnte ich nicht schlafen und dennoch war ich froh darüber, dass Harry nicht ebenso wach war. Er braucht den Schlaf. Irgendetwas stimmt nicht und es bringt ihm nichts, wenn er nun auch noch übermüdet ist.

Außerdem habe ich Angst.

Ich habe Angst davor, dass es zwischen ihm und mir anders sein wird, wenn er aufwacht.

Natürlich möchte ich endlich erfahren, was er mir verschweigt. Ich möchte wissen, wo er sich den ganzen Tag herumtreibt und warum er gestern so wütend war.

Doch dann wiederum bin ich mir sicher, dass er mir tatsächlich alles erzählen wird, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Zärtlich streiche ich über Harrys Wangen. Seine Augen sind rot umrandet vom Weinen und seine Haare sind unglaublich zerzaust. Ich kann mich jetzt schon vorstellen, wie er später genervt in der Dusche steht und versucht, all diese Knoten wieder zu lösen.
Plötzlich seufzt er laut und räkelt sich ein wenig auf mir herum. Ich beiße mir schnell auf die Unterlippe, um keinen Laut von mir zu geben. Alles schmerzt und kribbelt unangenehm.
Kurz darauf öffnet Harry blinzelnd seine Augen. Es dauert einen Moment, bis er realisiert, wo er ist und was passiert ist. Dann richtet er sich jedoch schnell auf und starrt mich an. "Louis", flüstert er. Bereits jetzt schimmern erneut Tränen in seinen Augen. "Harry." Mit zittrigen Händen fährt er sich durch die Haare und vergräbt schließlich sein Gesicht darin. "Oh Gott", haucht er fassungslos, "was habe ich nur getan?"
"Harry, es ist okay, hörst du? Ich-"

"Nein, es ist nicht okay. Hast du dich mal angesehen?" Er nimmt vorsichtig meine Hände in seine und starrt auf die Gelenke, an denen sich nun dunkle Blutergüsse abzeichnen. Es ist deutlich zu erkennen, wo jeder einzelne seiner Finger lag und zugedrückt hat. "Es tut mir so leid", wiederholt er seine Worte von heute Nacht. "Ich weiß, Harry, ich weiß.." Ich löse eine Hand aus seiner und streiche vorsichtig die Tränen auf seinen Wangen weg. Das führt jedoch nur dazu, dass der Lockenkopf plötzlich aufschluchzt und sich wie vor wenigen Stunden an mir festkrallt. "Warum schreist du mich nicht an? Warum beleidigst du mich nicht?"
- "Weil ich keinen Grund dafür habe. Harry, du hast gestern überreagiert, aber das habe ich auch. Ja, du hast mir wehgetan. Sehr sogar. Du hast mir Angst gemacht. Aber ich weiß, dass das nicht du warst. Du verschweigst mir etwas und ich finde das wirklich... mehr als scheiße. Aber ich habe nun verstanden, dass da mehr dahinter steckt. Du willst mich vor irgendetwas beschützen, nur wüsste ich gern, wovor, verstehst du?" Harry sieht mich mit wässrigen Augen an und nickt langsam. "Ich... ich brauche noch ein wenig Zeit, um es dir erklären zu können", flüstert er. Ich spüre, dass es nicht das ist, was er sagen möchte. Ich weiß, dass er mir die Wahrheit sagen möchte, aber aus irgendeinem Grund nicht kann. "Ich gebe dir Zeit. Aber es kann nicht ewig so weitergehen, Harry." Er nickt erneut und senkt seinen Blick. "Es tut mir leid." - "Dann mach es wieder gut." Überrascht hebt er den Kopf wieder und blinzelt ein paar mal.

"D-du meinst-"

"Zeig mir, dass du mich liebst, Harry."

"Das.. ich kann das jetzt nicht", gesteht er niedergeschlagen. - "Warum?"

"Ich möchte dir nicht noch einmal weh tun... ich habe Angst, wieder so die Kontrolle zu verlieren." - "Das wirst du nicht. Du liebst mich, du könntest mir niemals absichtlich Schmerzen zufügen. Ich vertraue dir." Langsam, fast schon in Zeitlupe vergrößern sich seine Augen minimal. "Bring mich ins Schlafzimmer, Harry", hauche ich. Er nickt langsam und hebt mich dann hoch, als würde ich nichts wiegen. "Liam kommt", sagt er plötzlich auf halber Strecke. - "Ich kann warten", entgegne ich leise und möchte mich schon aus seinem Griff befreien, doch er umklammert mich fester, als wolle er mich nie wieder loslassen. "Nein, du hast Vorrang. Das wirst du immer haben, Louis." Entschlossen dreht er den Schlüssel an der Haustür einmal herum, ehe er mich ins Schlafzimmer bringt und zärtlich auf der Matratze ablegt. Er betrachtet mich einen Moment und wischt sich über die Augen. "Haz-", flüstere ich und strecke meine Arme nach ihm aus. Sofort klettert er zu mir, legt sich über mich, ohne dass sein Gewicht auf mir lastet. "Ich liebe dich so sehr, Louis, ich kann es überhaupt nicht beschreiben-"

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt