Kapitel 42

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"Und spürst du schon, dass die Babys ungeduldig werden?", fragt meine Mum neugierig und trinkt einen Schluck Tee. Ich kuschle mich tiefer in die Sofadecke und nicke langsam. "Ich wache nachts oft auf, wenn sie treten oder sich umdrehen. Das hält dann einige Minuten an und erst wenn Harry meinen Bauch streichelt und mit ihnen spricht sind sie wieder ruhig." Sie lacht amüsiert auf und nickt wissend. "So ähnlich ging es mir auch. Vor allem als ich mit dir schwanger war. Gegen Ende konntest du es kaum noch abwarten und hast um dich getreten, so fest du konntest." Grinsend zucke ich mit den Schultern. "Ich wollte eben, dass ihr so schnell wie möglich diese Schönheit betrachten könnt", sage ich gespielt eingebildet und bekomme dafür einen Stups gegen die Schulter. "Du warst am kleinsten von allen. Ich hatte so eine Panik, als du zur Welt kamst, immerhin bist du mein Erstgeborener und ich konnte nicht wissen, dass du einfach noch Zeit zum Wachsen brauchtest." - "Naja, wirklich groß bin ich jetzt ja auch nicht", brumme ich. - "Du bist ja auch ein Omega, die werden nicht zwei Meter groß. Oma war doch auch sehr klein im Gegensatz zu uns", besänftigt meine Mum mich lächelnd.

"Stimmt... ich komme mir langsam trotzdem vor wie eine dicke Kugel. Ich sehe im Stehen ja nicht mal mehr meine Füße. Ich frage mich inzwischen wirklich, wie Harry das noch attraktiv finden kann." Jay schüttelt tadelnd mit dem Kopf. "Er liebt dich über alles, Louis. Er sieht nicht, dass du mehr Speck an den Hüften hast oder dass du Stimmungsschwankungen hast. Er sieht nur, dass du seine Kinder in dir trägst und beschützt. Und er weiß, dass du eine wunderbare Mama sein wirst. Das wissen wir alle." Gerührt nicke ich langsam und erwidere sofort die Umarmung, als sie ihre Arme ausbreitet. "Danke Mum", sage ich leise und genieße ihre sanften Streicheleinheiten über meinen Hinterkopf. "Du bist und bleibst eben mein Baby", gibt sie zurück und lächelt. "Obwohl ich der Älteste bin?" - "Vielleicht auch gerade deshalb. All deine Geschwister sind Betas, nur du bist ein Omega. Wir wussten von Anfang an, dass du mehr Zuneigung brauchst als andere. Du warst ruhiger, schüchterner und hast dich so schnell verunsichern lassen. Und jetzt sieh dich an. Frech und immer für einen sassy Spruch zu haben."

Grinsend löse ich mich wieder von ihr und trinke meine Tasse leer. Auch sie erhebt sich langsam und geht zum Fenster. "Harry wird ein toller Vater sein", sagt sie lächelnd und deutet hinaus. Ich folge ihrem Blick. Draußen toben mehrere Wölfe verschiedener Größen umher. Es sind unter anderem meine Geschwister und auch einige Wölfe, die ich nicht gleich zuordnen kann. Sie alle spielen mit Harry, hüpfen begeistert um ihn herum und versuchen, nach ihm zu schnappen. Doch obwohl er eindeutig umzingelt ist, weicht Harry jedem Angriff mühelos aus. Grinsend beobachte ich, wie Fizzy sich zuerst im Hintergrund hält. Irgendwann jedoch schleicht sie langsam und geduckt um die Gruppe herum und hält sich dabei immer hinter Harry, sodass er sie nicht sehen kann. Als dieser gerade einen Angriff meines kleinen Bruders abwehrt, macht Fizzy plötzlich einen Satz und landet auf Harrys Rücken.

Der Alpha versucht sofort, sie abzuschütteln, doch sie hat sich bereits in seinem Nackenfell verbissen, wodurch er sie nicht losbekommt. Meine Mum lacht leise, als sie das Spektakel beobachtet und auch ich muss grinsen. "Meine Geschwister werden endlich besser im Kämpfen", stelle ich zufrieden fest. - "Ja, das wurde auch Zeit. In den letzten Jahren hatten wir nie die Möglichkeit, es ihnen wirklich beizubringen. Im Haus war zu wenig Platz dafür und wir durften es ja nicht wirklich verlassen."

Ein kribbelndes Gefühl in meinem linken Brustbereich lässt mich wieder meinen Blick aus dem Fenster wenden. Harry hat sich inzwischen von den kleinen Wölfen befreit und steht nun zu mir gedreht einige Meter entfernt. Ich winke ihm zaghaft, er zieht die Lefzen zurück, als würde er grinsen und wedelt mit seiner Rute. "Geh ruhig zu ihm, ich muss nun sowieso die Zwillinge in die Badewanne bringen, bevor sie den ganzen Schmutz ins Haus tragen", sagt meine Mum und gibt mir noch einen Kuss auf die Wange. "Danke für den Tee, Mum."

~*~

Sobald ich aus der Tür trete, überfällt Harry mich regelrecht. Er springt auf mich zu, hüpft freudig um mich und schleckt mir über meine Hände, als ich ihn streicheln will. "Ist ja gut, Haz", sage ich lachend und gehe ein wenig in die Hocke. Sofort attackiert er mit seiner Zunge mein Gesicht und schmiegt sich eng an mich. "Ich habe dich auch vermisst." Er sieht mir ein mal in die Augen, dann senkt er seinen Kopf etwas und lehnt sein Ohr an meinen Bauch. Liebevoll streichle ich durch sein weiches Fell. "Bald ist es soweit", sage ich nachdenklich, "ich weiß noch nicht, ob ich Angst vor der Geburt haben soll oder nicht." Er sieht mich wieder an und legt den Kopf schief. Seine Ohren zucken aufmerksam. "Die Geburt meiner verstorbenen Kinder war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. All diese Schmerzen und Qualen, nur um dann einen toten Welpen vor mir liegen zu sehen. Und das Ganze dreimal direkt hintereinander. Ich... ich habe Angst, dass sich das wiederholt, Harry."

Der Alpha wandelt sich und legt seine Arme um mich. "Den Babys geht es hervorragend, Louis. Natürlich kann bei einer Geburt immer etwas schief gehen, ich kann dir nicht versprechen, dass alles perfekt laufen wird. Aber eine Fehlgeburt kommt deutlich seltener vor als eine Lebendgeburt. Und die Babys sind stark. Sie haben einen Alpha als Vater und einen unglaublich mutigen und perfekten Omega als Mutter. Es ist etwas komplett Anderes als beim letzten Mal. Natürlich kann es sein, dass... naja, dass Alec wieder der Vater ist, aber du bist reifer geworden. Dein Körper kann die Babys besser beschützen und somit sind die Bedingungen für die Geburt schon ganz andere." Er sieht mir in die Augen und legt seine Hand an meine Wange. "Und außerdem bist du bei der Geburt nicht allein. Meine Mum, Ethan und ich werden dabei sein, sie merken sofort, wenn etwas mit den Babys nicht stimmt und können dir helfen." Er nickt einmal leicht, als wolle er sich vergewissern, dass ich ihm zugehört habe und seine Worte in mich aufnehme. "Danke, Haz.. Tut mir leid, dass ich so viel herumjammere. Jeder andere Omega würde sich vermutlich auf die Geburt freuen und ich mache mir regelrecht in die Hose vor Angst." Harry schmunzelt ein wenig und legt seine Lippen kurz auf meine. Beinahe schon süchtig erwidere ich den Kuss und spüre, dass mein Herz dabei ein paar Takte schneller schlägt. Als der Lockenkopf sich wieder von mir löst, lächelt er und streicht mir über die Wange. "Du bist nicht wie jeder Andere, Lou. Du bist mein Omega. Und ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen als dich."

"Ich liebe dich, Haz." - "Ich liebe dich auch."

Er steht auf und hilft auch mir zurück auf die Beine. "Na komm, wir gehen jetzt essen." Erst jetzt höre auch ich meinen grummelnden Magen und kichere beschämt. "Du wusstest schon, dass ich Hunger habe, oder?" Er grinst jedoch bloß und nimmt meine Hand. Zusammen laufen wir zu dem Platz, an dem bereits einige sitzen und essen. Wie jeden Tag gehen wir zu Niall, Liam und Zayn. "Setz dich ruhig schon, ich bringe dir etwas mit", sagt Harry und deutet auf die Bank vor uns. Ich nicke dankbar und lasse mich erschöpft darauf fallen. Schon die kurze Strecke hat mich derart angestrengt, sodass ich bereits jetzt außer Puste bin. "Hi Louis", begrüßt Niall mich strahlend und schenkt mir ein Glas Wasser ein. "Hey", sage auch ich. - "Wie geht's dir heute?", fragt er und deutet auf meinen Bauch. - "Es ist okay. Ich spüre, dass der Bauch sich langsam senkt und die Babys ungeduldig werden, obwohl sie noch zwei Wochen warten müssen. Und ich kann nachts nicht mehr gut schlafen, aber das gehört wohl dazu." Niall gibt ein verstehendes Geräusch von sich. "Hast du Anne mal gefragt, ob sie die ein Schlafmittel geben kann?" - "Nein, habe ich nicht. Aber ich will auch nichts nehmen, am Ende schadet das den Babys." - "Anne weiß, was gut ist und was nicht. Sie kann dir helfen." - "Ich will keine Pillen nehmen, Niall." - "Okay, dann nicht. Aber bei der Geburt wird dir nichts Anderes übrig bleiben." - "Das letzte mal habe ich es auch ohne geschafft."

Er seufzt leise und nickt. "Ich will nur, dass du dir die Schmerzen ersparst." - "Das ist süß von dir, aber ich weiß was ich aushalte und was nicht. Aber falls es dich beruhigt- Anne wird bei der Geburt dabei sein. Falls ich doch etwas brauche, kann sie es mir jederzeit geben."

Nun sieht er tatsächlich schon deutlich zufriedener aus. Er nimmt seine Rolle als Patenonkel wirklich sehr ernst.

"So, hier ist dein Essen. Aber pass auf, es ist noch heiß, nicht dass du dich-"

- "Ich weiß wie man isst, Harold", ermahne ich ihn, als er den Teller vor mir hinstellt. Stirnrunzelnd setzt er sich neben mich und sieht mich an. "Ihr müsst mich nicht so bemuttern, Hergott. Ich bin doch kein kleines Kind mehr!" - "Naja, besonders groß bist du auch nicht", lacht Niall plötzlich los, doch als er ein wütendes Knurren meinerseits hört, verstummt er schnell. "Sind das die Stimmungsschwankungen?", flüstert er Liam zu, welcher ernst nickt. Ich rolle nur mit den Augen und schiebe mir die, mit Fleisch beladene, Gabel in den Mund. Gleich darauf zucke ich jedoch zusammen, spucke es wieder aus und keuche los. "Shit", fluche ich und reiße Harry das Wasserglas aus der Hand, das er mir reicht. Schnell trinke ich einige Schlucke und ignoriere Niall, der schon rot wird, so sehr unterdrückt er das Lachen.

Damit ist er jedoch nicht der Einzige. Auch die anderen drei starren angestrengt auf ihre Teller. "Ihr seid Arschlöcher", grummle ich und kühle meine verbrannte Zunge erneut mit etwas Wasser. "Tut mir leid, Schatz... das sah nur so lustig aus-" Ohne dass er sich halten kann, lacht Harry laut los, mit ihm auch die Anderen. Und ja, vielleicht muss ich sogar mitlachen.

Anscheinend kann ich doch nicht selbst auf mich aufpassen aber dafür habe ich die vier ja.

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Soo, diesmal ein recht unspektakuläres Kapitel vor dem baldigen Finale... Ja, viele sind es nicht mehr, ich habe das Ende schon geplant. Jetzt muss ich es nurnoch verschriftlichen🙈😅

Bis bald

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt