Kapitel 17

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"Und du bist also der Alpha, der meinen Sohn ausgewählt hat?", fragt Mum nach dem Essen und mustert Harry lächelnd. - "Eher umgekehrt. Louis hat mich ausgewählt. Es war eine ziemlich nervenaufreibende Angelegenheit", erzählt dieser schmunzelnd verschränkt unsere Finger miteinander. - "Inwiefern?"

"Naja... es gab einige.. Probleme, für die aber weder Louis, noch ich etwas konnten. Schuld daran war Alec", erklärt er und beißt seine Zähne fest zusammen. Sein Griff um meine Hand verstärkt sich, weshalb ich einmal fest drücke. Sofort lässt er wieder locker und blickt mich entschuldigend an. "Wer sonst", seufzt Jay und senkt ihren Blick, "Louis, Harry, kann ich mit euch beiden vielleicht mal allein reden? Unter sechs Augen?" Sofort nicken wir beide und gehen voraus ins Wohnzimmer. Anne verspricht, meinen restlichen Familienmitgliedern derweil das Rudel zu zeigen.

"Also... es ist ja ziemlich viel passiert...", sie bricht ab und nimmt mit trauriger Miene meine Hand, "ich denke, ich beginne einfach mal. An deinem 14. Geburtstag kam Alec zu uns, aber das weißt du ja schon. Wir mussten ihm versprechen, dich zwei Jahre später für ihn freizugeben. Würden wir dies nicht tun, drohte er mit dem Tod deiner Geschwister. Glaub mir, Louis, es war keine leichte Entscheidung für mich. Alles in mir schrie danach, euch zu schnappen und abzuhauen. Und genau das war schließlich auch der Plan, als du älter wurdest und dein 16. Geburtstag näherrückte. Dein Dad und ich machten uns in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die Suche nach einem geeigneten Aufenthaltsort. Alles lief gut, bis Alec uns jedoch aufspürte. Ich weiß wirklich nicht, wie er das geschafft hat, unseren Plan herauszufinden. Jedoch versprach er, den Deal fallen zu lassen, sollten wir es schaffen, gegen ihn zu kämpfen und zu gewinnen. Natürlich ließen wir uns darauf ein, doch wir hatten keine Chance. Alec war viel stärker als wir, er hatte mehr Taktik und Training. Wir verloren also." Ich schließe für einen Moment meine Augen. Meine Mum erzählt von der Nacht, in der sie komplett blutverschmiert und verwundet nach Hause kamen. Keiner von beiden wollte mir erzählen, was passiert war. Sie schwiegen mich an- etwas, was mich unglaublich fertig machte. Jahrelange Lügen und Geheimnisse, nur um dann die ganze schreckliche Wahrheit auf einen Schlag zu erfahren. "Ab diesem Tag verfolgte Alec uns jederzeit. Er stellte sicher, dass wir euch nicht verstecken könnten und wollte immer wieder zu dir. Jedoch war das nicht Teil des Deals. Vor deines 16. Geburtstages hatte er dich nicht anzurühren, dass wusste er und hielt sich auch daran. Naja, und schließlich war genau dieser Tag angelangt. Ich konnte Wochen davor nicht mehr richtig schlafen, es machte mich fertig zu wissen, dass ich dich abgeben müsste. Ich ging in dein Zimmer und... du warst einfach nicht mehr da." Sie schluchzt unterdrückt auf und vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Vorsichtig lege ich meine Arme um sie. "Ich dachte, er hätte dich bereits geholt. Ich hatte keine Gelegenheit, mich von dir zu verabschieden, Louis. Doch plötzlich... er stand vor der Tür und hat nach dir verlangt. Erst dann habe ich verstanden, dass du geflüchtet bist. Es gab erneut einen Kampf. Alec dachte, wir hätten es doch irgendwie geschafft, dich zu verstecken. Er hat uns nicht getötet, doch... ein Teil von mir starb, als ich realisierte, dass wir dich verloren hatten. Sein Beta brachte uns weit weg in ein verlassenes Häuschen, wo wir wohnen sollten. Ich nehme an, Alec wollte verhindern, dass du unsere Spur aufnehmen könntest. Naja, dort lebten wir dann. Nicht nur einmal habe ich versucht, dich zu finden, aber jedes mal haben sie mich aufgespürt und gedroht, den Kindern etwas anzutun. Ich dachte wirklich, ich sehe dich nie wieder." Sie schnieft leise und sieht mir in die Augen. "Und plötzlich standen gestern zwei Fremde vor der Tür, die meinten, Alec sei tot. Mark und ich waren wie zwiegespalten. Wir hatten Angst, dass es eine Falle sein könnte. Dass sie uns testen wollen. Dennoch sind wir das Risiko eingegangen. Die beiden rochen nicht nach Alecs Rudel, sie waren anders. Und schließlich brachten sie uns hierher und... dann sah ich dich dort in dem Bett liegen und schlafen..." - "Mum", hauche ich bestürzt, als sie sich fest an mich drückt. All ihre Gefühle spüre ich in mir. Es erdrückt mich beinahe. "Ich.. ich wollte eigentlich nicht so viel weinen", lacht sie und wischt sich die Tränen weg, woraufhin jedoch gleich wieder neue ihre Wangen benetzen. "Nun weiß ich also, von wem du das geerbt hast", meint Harry schmunzelnd und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe. Jay lächelt kurz und betrachtet mich dann stolz. "Du bist so... anders als vor drei Jahren", murmelt sie nachdenklich und streicht mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. "Das klingt... nicht gut", überlege ich laut, woraufhin sie lacht. "Nein, ich habe es im positiven Sinne gemeint. Du verhältst sich ganz anders. Früher mochtest du Umarmungen nie und nun sehe ich dich hier mit Harry... du bist erwachsen geworden. Darf ich dich überhaupt noch Boobear nennen?" Harry grinst bei dem Spitznamen, mir dagegen wird warm ums Herz, als sie ihn ausspricht. "Natürlich darfst du das", versichere ich verlegen.

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt