Kapitel 11

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Harrys Pov:

Ich starre auf das Badewasser. Mein Herz rast und mir ist eiskalt. Tränen stehen in meinen Augen. Am liebsten würde ich aufspringen, zu Louis rennen und ihn fest umarmen. Ich würde ihm so oft sagen, wie sehr ich ihn liebe, bis er es nicht mehr hören könnte.

Aber stattdessen mache ich ihm Angst. Ich konnte die Panik in seinen blauen Augen erkennen, als ich nach seiner Hand gegriffen habe. So oft hatte er mir in den letzten Tagen versichert, keine Angst vor mir zu haben und doch habe ich den kleinen Aussetzer seines Herzens genau gespürt. Doch ich mache es Louis nicht zum Vorwurf. Es ist mehr als verständlich, dass er so reagiert, nachdem ich ihm so wehgetan habe. Und leider war es nicht das erste mal. Ich bin oft schon lauter geworden, habe ihn fester angepackt, doch nie war es so schlimm wie vor drei Tagen. Ein eiskalter Schauer läuft über meinen Rücken, wenn ich an Louis' Körper zurückdenke. Übersäht von blauen Flecken und Blutergüssen. Die Angst in seinen Augen. Das tränenüberströmte Gesicht. Ich war so unglaublich grob zu ihm.

Doch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Schon seit ein paar Wochen dreht sich bei mir alles darum, Louis in Sicherheit zu wissen. Ich bin den ganzen Tag unterwegs, um eben dafür zu sorgen. Er weiß gar nicht, wie viel Mühe ich mir gebe, abends überhaupt nach Hause zu kommen. Ich muss sämtliche Spuren verwischen, damit niemand zu Louis findet. Allein das dauert jeden Tag fast eine Stunde. Und sobald ich dann endlich Zuhause bin, muss ich schlafen gehen, um am nächsten Tag fit zu sein. Ich darf es mir nicht erlauben, eine Sekunde nicht aufzupassen, ich muss klar denken können.

Louis merkt nicht, dass es mich fertig macht, mich mit ihm zu streiten. Es zehrt unglaublich an meinen Kräften. Vor wenigen Tagen war es dann so weit. Ich wurde unvorsichtig.
Ohne Liam läge Louis vermutlich nicht mehr unversehrt in seinem Bett.  Ich hatte die Spuren auf dem Heimweg nicht beseitigt, weshalb die fremden Wölfe mir einfach folgen konnten. Liam war zu dem Zeitpunkt schon nach Hause gegangen, ich dagegen blieb noch länger. Ich versprach, auf dem Heimweg an alles zu denken, doch ich habe mein Versprechen gebrochen. Liam wusste, dass es passieren würde. Er wartete einige Meilen entfernt auf mich und griff die Wölfe an, die nur wenige Meter hinter mir her schlichen. Nicht einmal das habe ich gemerkt. Mein gutes Gehör hatte mich im Stich gelassen.

Als ich endlich bei meinem schlafenden Omega lag und mich an ihn kuscheln konnte, wusste ich, dass es niemals wieder so weit kommen darf. Noch am nächsten Morgen besprach ich mit Liam unser Vorgehen. Seitdem sind nun zwei Tage vergangen. Morgen ist es soweit. Liam drängte mich dazu, es Louis zu sagen, doch mir war klar, dass dieser mich nicht einfach gehen lassen würde.

Und nun sitze ich hier und verzweifle fast.

Nach zwei weiteren Stunden stehe ich schließlich zitternd auf, trockne mich ab und gehe leise ins Schlafzimmer.

Da liegt er. Unwissend und unglücklich. Wäre er glücklicher, wenn er es wüsste? Nein, keineswegs. Es kann nur so funktionieren, alles Andere würde schief gehen.
Ich ziehe mir etwas an und krieche zu Louis ins Bett. Um ihn nicht zu wecken, lege ich mich neben und nicht halb auf ihn wie normalerweise. Ein leises Seufzen entkommt mir. Ich drehe meinen Kopf und beobachte meinen schlafenden Omega. Er ist so wunderschön. Bis heute weiß ich nicht, womit ich diesen Engel verdient habe. Anstatt mich zu hassen sorgt er für mich, er achtet darauf, dass ich genug esse und dass ich genug schlafe. Selbst wenn wir uns streiten. Er sagt mir immer wieder, wie sehr er mich liebt. Das ist das, was für mich zählt.
Er wird wütend auf mich sein, wenn ich zurückkehre. Aber damit komme ich klar, wenn ich anschließend weiß, dass er in Sicherheit ist. Doch womit ich nicht klarkomme ist der Gedanke daran, dass ich vielleicht nicht zurückkehren könnte. Nur eine Sekunde Unachtsamkeit könnte mein Leben beenden. Mein Leben und Louis' gleich mit. Ich bin für ihn verantwortlich, ebenso wie er für mich. Die Bindung zwischen eines Alphas und eines Omegas ist besonders. So besonders, dass einer allein nicht überleben kann, wenn beide erst einmal aneinander gebunden sind. Doch selbst wenn dies nicht so wäre und Louis etwas zustoßen würde- ich könnte und wollte nicht ohne ihn leben. Er ist meine bessere Hälfte, er ist Teil meines Herzens und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt