Kapitel 3

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"Louis, es ist so schön, dich wieder bei uns zu haben", sagt Anne lächelnd und zieht mich in eine feste Umarmung. "Es tut mir leid, dass ich so... so bockig war", murmle ich gegen ihre Schulter, doch sie tätschelt nur beruhigend meinen Hinterkopf und schiebt mich dann ein Stückchen von sich, um mich betrachten zu können. "Du hast Zeit gebraucht, das war verständlich. Und keine Sorge, ich dränge euch nun auch nicht dazu, mir alles haarklein zu erzählen." Gerade als ich erleichtert ausatmen möchte, schnappt sie sich jeweils Harrys und meine Hand und zieht uns hinter sich her ins Haus. "Zuerst müsst ihr nämlich wieder ordentlich essen, ihr habt zu viel abgenommen in der kurzen Zeit", bestimmt sie und drückt uns auf die kleine Sitzecke in der Küche. "Mum, ich kann doch auch selbst kochen", beschwert Harry sich brummend, doch Anne lässt keine Widerworte zu. "Ich wusste, dass ihr gleich zu mir kommt, also habe ich schon ein wenig vorbereitet." Sie stellt uns zwei Teller mit dampfendem Essen vor die Nase und mustert ihren Sohn dann schmunzelnd.

"Ihr habt es also getan."

Im Augenwinkel sehe ich, wie Harry erstarrt und ihrem Blick ausweicht. "Ich weiß nicht, was du meinst."

"Jeder Blinde sieht, dass ihr vor nicht allzu langer Zeit miteinander geschlafen habt", erklärt Anne lächelnd. Mit hochroten Wangen starre ich auf meinen Teller. Oh Gott, das ist so peinlich.
"Mum! Das geht niemanden außer Louis und mir etwas an!" - "Noch nicht, mein Schatz, noch nicht."

"Was meinst du damit?", hakt Harry nach, wohingegen ich am liebsten im Boden versinken würde. In Gedanken überlege ich mir schon, wie ich Harry von der Sitzbank schubsen kann, um mich in der Nische darunter zu verstecken. "Ihr verhütet doch aktuell noch, oder?", fragt Anne. - "Natürlich tun wir das! In nächster Zeit ist keine Schwangerschaft geplant, Mum! Bist du jetzt fertig mit deinem Verhör?" Tatsächlich geht Anne aus der Küche, doch keine zwei Sekunden später ertönt ein unterdrücktes Jubeln. "Ich werde bald Oma!"
Dann ist wieder Stille. Sie lässt uns allein. Endlich.
"Lou, es tut mir so leid, dass ich es erzählt habe, es ist einfach so rausgerutscht, ich-"
"Es ist alles okay. Anne ist doch ohnehin die Erste, die erfahren hätte, dass ich schwanger werden kann. Und das Andere... es war schon sehr peinlich", gestehe ich grinsend. Meine Wangen fühlen sich immernoch ganz warm an.

"Glaub mir, das empfindest nicht nur du so", seufzt Harry. Erst jetzt betrachte ich ihn- auch sein Gesicht ist eine Nuance dunkler als normalerweise. "Und was machen wir jetzt?", frage ich. - "Essen?"

"Nein, ich meine anschließend. Du willst dem Rudel doch bestimmt erzählen, dass.. naja, du weißt schon... mit Nachwuchs und so..", stammle ich, woraufhin Harry ein überlegenses Geräusch von sich gibt. "Sie hätten ein Recht darauf, es zu erfahren, das stimmt. Aber im Moment spielt es für sie keine Rolle, immerhin ist es noch nicht so weit", erklärt er, woraufhin ich lächeln muss. "Was ist los?", fragt Harry lachend.
"Das klingt schön... also das noch nicht", murmle ich verlegen. Der Alpha legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und streicht mit seinem Daumen darüber. "Ich finde auch, dass es schön klingt, Louis. Aber wir lassen uns Zeit, ja? Ich möchte nicht, dass wir irgendetwas überstürzen." Sofort nicke ich. Harry hat Recht. In letzter Zeit ist so viel passiert, was ich erst einmal- was wir erst einmal verarbeiten müssen. Es wäre wirklich viel zu früh, wenn ich jetzt schon schwanger werden würde.

"Und vorher musst du mir noch kochen beibringen, schließlich muss ich unsere Kinder später ja irgendwie ernähren", lege ich fest und bemerke, wie Harrys Blick kurz zu meiner Brust schweift. "Naja, anfangs werden die Kleinen ja erst mit Muttermilch versorgt. Und alles Weitere klären wir, wenn es soweit ist", entgegnet Harry. Überlegend starre ich auf meine flache Brust hinunter. "Meinst du, das würde bei mir überhaupt funktionieren?" - "Das Stillen? Ich denke schon, wieso sollte es nicht so sein?"
Ich gebe ein überlegendes Geräusch von mir und beiße auf meiner Unterlippe herum. "Naja... irgendwie wäre das komisch... bei weiblichen Müttern ist das ja normal, aber bei mir ist da ja nichts." Ich gestikuliere wild vor meinem Brustkorb herum, in der Hoffnung, dass Harry versteht, was ich meine. "Du meinst also, du könntest nicht stillen weil du keine Brüste hast?", hakt er nach, woraufhin ich langsam nicke. Harry lächelt kurz und legt seine Hände beruhigend auf meine. "Du kannst auch schwanger werden, obwohl dein Körper anders ist wie der einer Frau, oder? Mach dir nicht so viele Gedanken, Love, ich bin mir sicher, dass es funktionieren wird. Und wenn nicht, dann finden wir eine andere Lösung." Etwas beruhigter nicke ich erneut und umklammere Harrys Hände. "Aber warum habe ich denn dann bei- also.. das letzte mal habe ich nichts dergleichen gespürt. Außer dass ich am Bauch und der Hüfte zugenommen habe." - "Dein Körper war noch nicht bereit für eine Schwangerschaft. Du hattest schlichtweg nicht das Gefühl dafür, was in dir vorgeht. Schließlich meintest du doch auch, dass du lange Zeit nicht wusstest, dass du überhaupt schwanger warst", erklärt Harry geduldig. - "Du meinst also, ich würde es beim zweiten Mal schon früher spüren?"
"Davon gehe ich aus", meint er und schiebt mir schließlich den Teller dichter vor die Nase, "aber jetzt wird erst einmal gegessen. Alles Andere kann warten." Lächelnd rutsche ich ein Stückchen dichter zu ihm und beginne zu essen. Zufrieden beobachtet Harry mich einen Moment, ehe er sich an seine eigene Portion macht.

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt