Kapitel 7

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Es vergehen fast zwei Wochen, in denen Harry und Liam immer wieder verschwinden und 'reden'. Oft sind sie den ganzen Tag im Wald unterwegs. Sobald ich den Alpha darauf anspreche, blockt er nur ab und sagt, dass ich es bald erfahren werde. Zumindest manchmal- wenn er die Frage nicht komplett ignoriert. Anfangs stellte er es immer so hin, als würde ich es mir einbilden, dass etwas im Busch ist, also bin ich ja schon froh darüber, dass er mich nicht mehr für komplett blöd verkauft. Zumindest meistens. Wenn er gute Laune hat, lässt er mich nicht so unwichtig und aufdringlich fühlen. Bei schlechter Laune sieht das schon anders aus. Noch ein Punkt, der seltsam ist. Ich kenne Harry nicht mit schlechter Laune, er war seit ich ihn kenne mit diesem Froschgrinsen unterwegs, aber im Moment erlebe ich ihn oft nachdenklich und... eben schlecht gelaunt.

Und es nervt mich. Harry hat nun wieder die meisten seiner Aufgaben übernommen und ich bin somit viel allein Zuhause. Er fragt mich manchmal, ob ich mit zum Training kommen möchte oder auch wenn sie jagen gehen, aber ich weigere mich jedes mal. Es ist nicht so, dass ich nicht trainiere- ich kämpfe manchmal mit Niall, wenn diesem wieder der Kopf voll mit Gedanken ist. Aber oft sitzen wir einfach nur stumm nebeneinander und lesen Bücher. Doch auch Niall schottet sich von uns allen ab und ist sehr schweigsam, was mir auch keine große Hilfe ist.
Tja und irgendwann kommt Harry abends wieder nach Hause und tut so, als wäre nichts. Offiziell ist ja auch nichts. Er ist mir nicht verpflichtet, jedes kleinste Detail zu erzählen, aber es kränkt mich, wenn er mehr Zeit mit seinem Beta anstatt seines Omegas verbringt. Er weiß genau, dass ich es hasse, ohne ihn zu sein. Jedes mal spüre ich diesen verdammten Trennungsschmerz in meinem Herzen, wenn er wieder zu lange und zu weit entfernt von mir ist.
Und zudem weiß er ebenso, dass ich spüre, wenn er lügt. Es ist eindeutig, dass er mir etwas verheimlicht. Gerade er war es doch, der mir erzählte, dass Omegas besonders empfindlich auch all diese Dinge reagieren.

"Hey Schatz, ich bin wieder zurück!" Ein leises Poltern verrät, dass Harry seine Schuhe in irgendeine Ecke des Flurs geworfen hat. Eigentlich habe ich heute erst aufgeräumt. Kurz darauf ertönen Schritte Richtung Schlafzimmer. Nach einem leisen Klopfen öffnet sich die Tür. Meine Augen sind geschlossen. Ich liege seitlich, eingewickelt in die Bettdecke und mein Gesicht in Harrys Kissen vergraben. "Schläfst du schon?" Er bekommt keine Antwort, er weiß genau, dass ich wach bin, sonst würde er eine Veränderung seines Herzschlags spüren. "Hast du letzte Nacht nicht genug Schlaf bekommen?", fragt er und setzt sich auf die Bettkante. Seine Finger, die eisig von der Kälte draußen sind, streichen über meine Wange. "Loubär", murmelt Harry. Ich spüre seinen Atem gegen meine Lippen prallen, doch ich strecke mich nicht, um den Abstand zu verkleinern. "Was ist denn los? Bist du wirklich so müde oder bist du sauer?" Erst jetzt reagiere ich ein wenig. Ich ziehe die Decke bis zum Kinn, ohne meine Augen zu öffnen. "Habe ich denn einen Grund, sauer zu sein?", entgegne ich langsam. - "Sag du es mir."
Seufzend öffne ich meine Augen. "Was verschweigst du mir, Harry?" Und da ist es wieder- der Beweis, dass ich Recht habe.
Es beginnt damit, dass er auf Abstand geht. So auch jetzt. Zuvor trafen seine Lippen fast auf meine, doch nun richtet Harry sich auf und sitzt aufrecht auf der Bettkante. Weiter geht es damit, dass er meinem Blick ausweicht. Er meidet ihn nicht komplett, doch seine Augen zucken zwischen meinen hin und her, ehe er schließlich auf seine Hände starrt. Und es endet damit, dass er- genau wie jetzt- aufsteht und zur Tür geht. "Ich verschweige nichts", sagt er noch, ehe er das Schlafzimmer verlässt. In die Augen sehen konnte er mir während seiner Worte nicht. Er lügt.

Enttäuscht wickle ich diese verdammte Decke fester um mich und schließe wieder meine Augen.

Aus der Küche höre ich das Klappern von Geschirr, Harry kocht das Abendessen. Noch ein Punkt, der mich stört. Mittags, wenn das ganze Rudel gemeinsam isst, fehlt Harry. Ich glaube, er streift manchmal den ganzen Tag mit Liam durch den Wald und dementsprechend muss er sich abends selbst Essen kochen, wenn vom Mittag nichts übrig bleibt. "Hast du schon zu Abend gegessen?", ruft Harry. Genervt seufze ich. Er weiß genau, dass ich um diese Zeit nichts mehr esse und eigentlich nur noch schlafen möchte. Dass ich auch schon Zähne geputzt habe, hat er ebenso wahrgenommen also was soll diese doofe Frage?

Little white truths - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt