36. Kapitel

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Das gesamte Lager war in Feierlaune. Nachdem sie den Kampf mit den Streunern ohne Verluste gewonnen hatten, hatte Moosschwinge Extra-Jagdpatrouillen losgeschickt, sodass der Frischbeutehaufen für diese Nacht für alle reichte und der Clan tauschte sich über ihre großartigen Siege gegen ihre Gegner aus.

Schmutzpfote beobachtete ihre Clangefährten lächelnd vom Rand der Lichtung aus. Sie war unheimlich stolz auf sich, dass sie sich überwinden hatte können und auch auf Himmelspfote, die von Gelbschweif außerordentliches Lob erhalten hatte, nachdem sie unverletzt aus dem Kampf zurückgekehrt war. Es war ein überwältigendes Gefühl, gewonnen zu haben und Schmutzpfote wünschte sich, dass diese warme Stimmung für immer im Lager einziehen würde. Sie selbst war leicht verletzt, aber Ottersee hatte sie bereits mit Kräutersalbe und Spinnweben versorgt, deshalb taten die Kratzwunden an ihren Schultern und Ohren nicht mehr allzu weh.

Die braun getigerte Kätzin beugte sich hinunter, um einen weiteren Bissen von ihrer Eidechse zu nehmen, als sie sah, wie Sonnenstrahl sich von der Seite näherte. Der Kater war von Schlick übel zugerichtet worden, aber es schien ihm gut genug zu gehen, dass Ottersee ihn nicht im Heilerbau behalten musste.

"Na?", miaute der Krieger und ließ sich ein Stück neben ihr nieder. "Es ist toll, oder? Wie sie sich freuen."

"Ja. Das ist es wirklich. Himmelspfote kann gar nicht mehr aufhören, die Geschichte zu erzählen, wie sie diesen schwarzen Kater fertig gemacht hat", antwortete die Schülerin und suchte mit den Augen nach ihrer Schwester, konnte sie aber nirgends entdecken.

"Sie scheint ein Naturtalent zu sein. Aber eigentlich bin ich gekommen, um dir zu sagen, dass auch du gut gekämpft hast. Vielleicht noch nicht wie ein Krieger, aber es war ein guter Anfang und ich weiß, dass es dich viel Überwindung gekostet hat."

Schmutzpfote verschlug es für einen kurzen Moment die Sprache. So hohes Lob hatte sie von ihm noch nie zu hören bekommen.

Dabei hätte ich es doch nie geschafft, wenn er nicht gekommen wäre und mit zugerufen hätte, was ich tun muss, dachte Schmutzpfote zweifelnd. Wenn Sonnenstrahl nicht eingeschritten wäre, hätte Schlick sie zu Eidechsenfutter verarbeitet. Aber eine leise, kleine Stimme in Schmutzpfotes Kopf erinnerte sie dann doch, wie auch sie Sonnenstrahl davor geschützt hatte, von hinten angegriffen zu werden und die Kätzin verdrängte die negativen Gedanken.

Sonnenstrahl erhob sich wieder.

"Ich bin stolz auf dich." Unbeholfen tätschelte er ihr mit dem Schweif die Schulter und tappte dann los, um sich unter die Katzenmenge zu mischen.

Ungläubig sah Schmutzpfote ihm hinterher.

"Danke", wisperte sie, doch da war ihr Mentor schon außer Hörweite.

Sonnenstrahl war verwirrend. Seine Laune konnte schneler wechseln, als ein Blitz einschlagen konnte, er war jähzornig und reizbar, und doch hatte er Schmutzpfote das Leben gerettet. Das machte ihr klar, dass sie ihrem Mentor nicht egal war. Trotzdem hatte sich die Erinnerung von ihm und Schneeschweif an jenem regerischen Tag tief in Schmutzpfotes Gedächtnis eingebrannt. Sie hatte geglaubt, Sonnenstrahl führe etwas Böses im Schilde, doch nun tat sie das nicht mehr. Er war nicht wie Schneeschweif. Wieso aber arbeitete er dann mit dem Geisterkater zusammen?

Er würde sich doch nie mit einem Kater zusammentun, der dem SumpfClan schaden will, überlegte Schmutzpfote stumm und musterte ihre braunen Pfoten. Sie hatte viel gelernt, seit sie dieses heimliche Treffen beobachtet hatte und sie hatte Sonnenstrahl näher kennengelernt. Er würde so etwas nicht tun. Es sei denn, Schneeschweif hatte etwas, mit dem er ihn erpressen konnte. Seine Vergangenheit. Das Geheimnis, dass er hütete.

Schmutzpfote war sich sicher, dass Sonnenstrahl nicht freiwillig für den Wald der Finsternis arbeiten würde. Auch wenn er einige Eigenschaften besaß, die nicht leicht zu handhaben waren, so hatte er auch seine guten Seiten. Seiten, die ihr das Leben gerettet hatten.

Ich muss dieses Geheimnis herausfinden. Wenn ich davon weiß, dann kann ich ihm helfen, Schneeschweif zu vertreiben.

Doch wie sollte sie das anstellen, ohne dass Sonnenstrahl davon erfuhr. Wenn sie offen in seiner Vergangenheit herumschnüffelte, würde er sich nur wieder von ihr abschotten.

Ich muss subtiler sein, als das. Vermutlich sollte ich endlich mit Farnsilber sprechen...

Weiter kam Schmutzpfote beim Pläne schmieden nicht, denn Libellenflügel ließ sich mit einem glücklichen Seufzer neben ihr fallen. Der weiß-braune Kater war ebenfalls leicht verletzt worden, aber man bemerkte die Wunden an seinem Rücken gar nicht, da sie sich in einem seiner dunkel getigerten Felcken versteckten.

"Hallo, Schmutzpfote! Ich habe gehört, du hast dich im Kampf gut geschlagen?", fragte der Kater, der sich langsam der Länge nach streckte und sie dann erwartungsvoll ansah.

"Kann sein", miaute Schmutzpfote etwas verlegen. "Aber Sonnenstrahl hat mir viel geholfen", fügte sie hinzu, sie fühlte sich unwohl dabei, seinen Verdienst zu übergehen, wenn sie von dem Kampf sprach.

"Aber es war dein erster Kampf, das kostet viel Mut. Mach dich nicht so klein", miaute der Kater und knuffte sie schelmisch in die Seite. Es war beinahe unmöglich, in Libellenflügels Nähe schlecht gelaunt zu sein, und das war, was Schmutzpfote so sehr an ihm mochte. Er war beinahe wie Graufpfote- oder eher Graufrost, wie sie bei der letzten Versammlung erfahren hatte. Sie hatte ihrem Freund natürlich gratuliert, und auch seinem Bruder Zitterkralle. Nur seine arrogante Schwester Flussglanz hatte sie ausgelassen.

In dem Moment fiel Schmutzpfote etwas ein. Sie traute sich nicht wirklich, mit Farnsilber zu sprechen, aber Libellenflügel konnte sie ausfragen, schließlich wusste sie garantiert, dass er schweigen würde.

"Du, Libellenflügel, kann ich dich etwas fragen?", miaute die Kätzin etwas zögerlich. Sollte sie wirklich einfach in den Angelegenheiten anderer so herumschnüffeln. Es kam ihr furchtbar falsch vor. Aber andererseits musste sie das Geheimnis der Sonne erfahren und im Grunde kam sie nicht darum herum, ihre Clangefährten um Hilfe zu bitten.

"Natürlich, du kannst mich alles fragen."

"Weißt du, wer Farnsilbers Eltern sind?" Schmutzpfote war erleichtert, als die Worte ihren Mund endlich verlassen hatten. Libellenflügel kniff die Augen fragend zusammen und richtete sich auf.

"Ja, aber wieso fragst du?", bohrte er nach und sah sie durchdringend an.

Schmutzpfote seufzte.

"Wegen der Prophezeiung. Ich habe einen...einen Hinweis erhalten, dass Sonnenstrahl einen Sohn hat, der mir helfen kann, sein Geheimnis zu lüften und da Farnsilber ihm ein bisschen ähnlich sieht, dachte ich, er könnte es sein."

"Du bist an diesem Prophezeiungs-Ding immer noch dran? Ich dachte nicht, dass du dich nach deiner Schülerernennung noch darum kümmern würdest", murmelte der weiße Kater. "Aber mit Farnsilber bist du leider auf der falschen Spur. Seine Mutter ist Moosschwinge und sein Vater ist vor langer Zeit gestorben. Sein Name war Schattenteich, er war Schwarzfrosts Wurfgefährte."

"Oh", war das Einzige, was Schmutzpfote dazu herausbekam. Es war ihr irgendwie peinlich, dass sie sich so auf Farnsilber versteift hatte. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass Moosschwinge einen Gefährten und Junge hatte, ganz zu schweigen davon, dass ihr Junges noch am Leben war.

Schmutzpfote ließ den Kopf hängen, aber Libellenflügel stupste sie mit der Nase an.

"Aber ich weiß, nach wem du suchst", miaute er flüsternd und sah sie mit seinen stechend gelben Augen eindringlich an.

"Ach ja? Wen?", fragte Schmutzpfote und verschluckte sich beinahe an den Worten. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, Libellenflügel auszufragen.

"Ich kenne Sonnenstrahls Sohn sehr gut. Ich weiß aber nicht, ob er mit dir über ihn reden will. Er redet nie darüber, ich habe nur durch Zufall erfahren, dass Sonnenstrahl sein Vater ist", sprach der junge Krieger weiter, fast so, als würde er sich um den Namen des Katers herumdrücken.

"Wer ist es?"

"Die Katze, die du suchst, ist Rußnarbe. Rußnarbe ist Sonnenstrahls Sohn."

WarriorCats-Das Geheimnis der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt