9. Kapitel

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Als am frühen Abend Schwalbenpfote und Eulenpfote von ihrem Pfützenspring-Ausflug wiederkamen, wurde es Schmutzjunges zu voll im Schülerbau, obwohl die Kinderstube sicher nicht weniger eng sein würde. Sie verabschiedete sich von dem braun-weißen Schüler und tappte auf die matschige Lichtung, auf der Schwalbenpfote und Eulenpfote sich gegenseitig in die Pfützen schubsten. Schmutzjunges schmunzelte, dafür, dass sie bald Krieger wurden verhielten sie sich noch reichlich wie Junge.

Jedoch stimmte der Anblick der Geschwister sie etwas traurig. Wieso konnte sie mit ihren nicht Schwestern so vertraut und liebevoll sein. Schmutzjunges ertappte sich dabei, wie ein Funke Eifersucht in ihr aufkeimte. Es war kein schönes Gefühl, aber sie konnte nicht anders, als die beiden Schüler für ihre innige Beiehung zu beneiden.

Was habe ich bloß falsch gemacht?

Die Frage konnte sie sich aber seit spätestens gestern selbst beantworten. Wegen ihr kämpfte Pfützenwasser im Heilerbau um ihr Leben. Kein Wunder, dass ihre Wurfgefährten sie nicht besucht hatten, als sie ebenfalls in Ottersees Bau übernachten hatte müssen. Auch Regentropfen hatte sie seit gestern nicht gesehen. Traurig dachte Schmutzjunges an den enttäuschten Blick den ihr Vater ihr zugeworfen hatte.

Wie soll ich das alles je reparieren? Wie soll ich mit so einer kaputten Familie eine Prophezeiung lösen?

Schmutzjunges fühlte sich wieder hilflos. Sie war bloß ein Junges. Wie sollte sie das alles wieder in Ordnung bringen. Es wuchs ja nicht einmal mehr eine Blume, die sie Pfützenwasser als Entschuldigung bringen konnte.

Mit gesenktem Kopf trottete die kleine, braune Tigerktzin zur Kinderstube, es hatte keinen Sinn, ihren Schwestern noch länger auszuweichen. Früher oder später würde sie mit ihnen reden müssen, ob sie wollte oder nicht.

Die Rinde der morschen Baumstümpfe und rauer Fels strichen über ihren gestreiften Pelz, als sie in die Dunkelheit der Kinderstube abtauchte, wie immer empfing sie der Geruch von Milch und Wärme schlug ihr entgegen wie eine Brise in der Blattgrüne.

Am liebsten wäre Schmutzjunges bei Libellenpfote im Schülerbau geblieben, aber er musste zum Training. In den nächsten paar Tagen würde nämlich bald der Wettbewerb um die Goldwiese stattfinden und wie jeden Blattwechsel bemühte sich der SumpfClan insbesondere vor der kalten Zeit das zusätzliche Territorium zu gewinnen. Die meiste Beute ihres Clans war in der Blattleere in einem tiefen Schlaf und ließ sich selten blicken, deshalb war das Goldfeld so wertvoll. SumpfClan-Katzen waren keine geschickten Kletterer oder Schleicher, also waren Vögel und Eichhörnchen ein fast unerreichbares Ziel. Die Mäuse und Kaninchen, die sich auf dem Feld aufhielten konnten vielen Katzen das Leben retten, wenn sie das Territorium denn gewinnen konnten.

Schmutzjunges seufzte, das letzte Mal hatte der SeeClan gewonnen und den Wettkampf davor ebenfalls. Sie hoffte einfach nur, dass sie es diesmal schaffen würden, damit niemand in der Blattleere verhungern musste.

"Na, sieh mal an wer da kommt", erklang da eine Stimme in der Kinderstube, natürlich gehörte sie Schwanenjunges. Die flauschige, weiße Kätzin saß nah bei Himmelsjunges, die ihren Kopf in ihr Brustfell drückte. Schmutzjunges sah beiden an, dass sie geweint hatten, ihre blauen Augen waren müde und geschwollen, wahrscheinlich hatten sie die Nacht nicht schlafen können, so wie sie aussahen.

Schmutzjunges protestierte nicht gegen Schwanenjunges' Tonfall, ihr stand der Sinn nicht nach einem weiteren Streit. Wenn ihre Schwestern unbedingt auf ihr herumtrampeln wollten, sollten sie es tun...sie hatte es verdient.

Doch plötzlich versetzte Himmelsjunges ihrer weißen Schwester einen Schubs, ihr Gesicht war von Verzweiflung und Trauer gezeichnet.

"Hör auf damit. Das hilft niemandem", brachte die gesprenkelte Kätzin gerade so hervor, bevor sie von einem schliuchzen unterbrochen wurde.

Schmutzjunges starrte ihre Wurfgefährtin einfach nur an. Hatte Himmelsjunges sie gerade verteidigt?

Schwanenjunges war ebenso perplex, doch sie hatte ihre scharfe Zunge schnell wiedergefunden.

"Ich will das da...", sie richtete eine Klaue auf Schmutzjunges. "...nicht in meinem Nest."

Bevor Himmelsjunges etwas erwidern konnte, war Schmutzjunges schon umgedreht und aus der Kinderstube gelaufen, ihre Augen brannten. Sie wollte nicht weinen und doch tat sie es. Der Wind, der ihr entgegenblies hinterließ gemeinsam mit den Tränen kühle Spuren auf ihren Wangen.

Ich wollte das doch alles gar nicht! Es war ein Unfall..., versuchte sie sich einzureden, aber sie wusste selbst, dass das nicht stimmte. Ihre Dummheit war der Grund, warum es Pfützenwasser so schlecht ging. Sie hatte sich provozieren lassen. Es war ihre Schuld.

Ihre kleinen Tatzen führten sie wieder zu dem Busch, in dem sie sich zuvor versteckt hatte. Unter den dicken, wachsartigen Blätern schutzsuchend, kroch Schmutzjunges bis zum Stamm vor und ließ sich zwischen zwei herausragenden Wurzeln nieder. Sie wollte sich beruhigen, doch es ging nicht, das Schluchzen bebte tief in ihrer Brust und unterbrach ihre Versuche, ruhig zu atmen.

Ich will das da nicht in meinem Nest!

Schwanenjunges' Worte hallten in ihrem Kopf wider. Ihre Brust schmerzte von den verletzenden Worten der weißen Kätzin. Es hätte ihr nichts ausgemacht, alleine zu schlafen, nachdem was sie angerichtet hatte, aber dass Schwanenjunges es so offen, so scharf aussprach tat schrecklich weh, als hätte eine Biene ihr direkt ins Herz gestochen und der Stachel steckte nun dort, pulsierend und schmerzhaft.

Schmutzjunges bedeckte die Schnauze mit den Pfoten, als sie auf einmal hinter sich ein Rascheln hörte. Leise Pfotenschritte kamen auf sie zu, fast so, als wären es nur Regentropfen, die auf den Boden fielen und der Wind, der die Blätter bewegte, aber die kleine Tigerkätzin spürte den Blick einer Katze auf ihrem Rücken.

"Was willst du?", murrte sie, ohne auch nur hinzuschauen, wer es war. Wahrscheinlich war es eh nur Schwanenjunges, die ihr sagen wollte, dass sie nicht wiederzukommen brauchte.

"Mich entschuldigen."

Das war keinesfalls Schwanenjunges, sie gab nie einen Fehler zu, ganz wie Pfützenwasser. Diese Stimme war ganz anders, aber trotzdem war es eine Stimme, die sie bisher immer ausgelacht hatte.

Zittrig hob Schmutzjunges den Kopf, ihre Wangenfell war nass und strähnig und ihr weißes Kinn war mit Schlamm beschmiert, als sie den Kopf zu Himmelsjunges drehte. Das weiße Junge mit den hellgrauen Sprenkeln schaute betreten auf den Boden.

"Wofür willst du dich denn entschuldigen? Du hast Pfützenwasser nicht in den Heilerbau gebracht..."

"Doch, irgendwie schon. Du bist nicht allein Schuld daran. Schwanenjunges und ich, wir haben auch einen Fehler geamacht. Sie würde das niemals zugeben, aber ich fühle mich schlecht deswegen. Und...und...", Himmelsjunges' Stimme begann ebenso zu zittern, wie die von Schmutzjunges, als ihr die Tränen über die Wangen rollten. "Und wir sollten nicht dauernd auf dir herumhacken...ich dachte bloß, dass mich Schwanenjunges dann auch so behandelt. Ich...ich hatte Angst. Angst vor meiner eigenen Schwester."

Schmutzjunges war verdutzt. Die ganze Zeit über war es so gewesen, dass Himmelsjunges immer hinter Schwanenjunges stand und nun sollte alles anders gewesen sein?

Himmelsjunges holte tief Luft.

"Was ich damit sagen will, ist, dass es mir leid tut."

Die langliedrige, weiße Kätzin krabbelte neben Schmutzjunges zwischen die Wurzeln und drückte sich an sie. Ihre Wärme drang durch ihr verschmutztes Fell, doch es war anders als bisher. Als käme die Wärme von innen, als hätte Himmelsjunges den Bienenstachel herausgezogen.

Kurz war Schmutzjunges wie erstarrt, doch dann schmiegte sie sich in die versöhnliche Umarmung hinein. Wenn Himmelsjunges ihr verzeihen konnte, dann konnte sie das umgekehrt auch.

Gemeinsam blieben sie in dem Busch sitzen und trösteten sich gegenseitig, bis die Tränen aufhörten zu fließen.

WarriorCats-Das Geheimnis der SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt