Kapitel 25 "Abstand"

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„Ich liebe dich..."

Anastasia

Was?! Warte, hat er gerade die drei Wörter gesagt? Die drei Wörter?! Verdammt, ich war noch nicht bereit dafür. Ich möchte die nächsten Wörter nicht sagen, aber ich musste es, denn er schaute mich so erwartungsvoll an.
Seine erwartungsvollen Augen schauten mich an und durchbohrten mich. Sie wollten eine Antwort, und ich gab ihm auch seine Antwort. Nur war die Antwort, nicht die, die er sich erwünscht hatte.
"Es tut mir leid Lorenzo, aber es ist noch zu früh..."
Seine Hoffnung erlosch, und ich wusste, ich hatte offiziell sein Herz gebrochen.
Er nickte nur, und versuchte leicht zu Lächeln. Scheisse, scheisse, scheisse! Ich wollte das nicht machen.
Ich wollte ihm nicht das Herz brechen...
"Lorenzo-", fing ich an zu reden, aber er unterbrach mich indem er mit seiner Hand abwinkte und ich sagte:"Ist okay, ich verstehe das."
Skeptisch schaute ich ihn und er redete weiter.
"Ja, wirklich. Ich verstehe dich. Und außerdem bin ich so betrunken, dass ich es morgen  wieder vergesse, also mach dir keine Sorgen." Ich nickte nur, und er lief auf unser Bett zu und schmiss sich drauf.
Ich machte mir sorgen. Und wie ich mir sorgen machte.
Er versteht mich nicht, wie auch bitte, ich habe es ihm noch nicht einmal erklärt.

°

Wir saßen schon seit einer halben Stunde gemeinsam an einem Tisch, aber redeten nicht. So hatte ich mir meine Flitterwochen nicht vorgestellt.
Ich bin aber auch dran schuld.
"Lorenzo wirst du auch irgendwann mit mir reden?" Meine Stimme zitterte vor Unsicherheit und ich wusste, dass sie alles verschlimmerte.
"Ich brauche etwas Abstand, es wäre besser, wenn entweder du oder ich für ein paar Tage nicht im Ferienhaus Zeit verbringt-", er wollte noch weiter reden, aber ich unterbrach ihn, indem ich aufstand.
Was wird es ihm oder eher gesagt mir bringen, wenn ich hier weiter sitze und ihm zuhöre. Seine Meinung wird sich nicht ändern. Ich muss sie respektieren, zumindest das verdient er.
Ich wollte ihm aber auch nichts erklären, warum auch?

Ich nickte nur und nahm meine Tasche und legte einen zwanziger auf den Tisch. Ich wusste nicht, ob er das Essen schon bezahlt hat, oder ob er es tun wird, aber für mich wird er nichts mehr bezahlen.
"Fürs Essen."
Mehr sagte ich auch nicht. Ich achtete auch nicht auf seine Reaktion, oder Körperhaltung, denn sie war mir egal.

Mit zügigen Schritten lief aus dem Saal und Richtung Ausgang. Erst 50 Meter später bemerkte ich, was für Probleme ich mir im selbem Moment machte.
Ich verlies das Ferienhaus ohne Klamotten oder meinen anderen Wertsachen.
Mein Handy und mein Geldbeutel waren in meiner Tasche drin, mehr aber auch nicht. Naja in meinem Geldbeutel hatte ich auch noch Geld und eine Karte.

Die Frage ist jetzt nur, wo ich in den nächsten Tagen bleiben würde. Ich könnte meinen Vater anrufen und ihn um Hilfe zu beten, aber was würde mir das bringen?
Es würde meine Schwäche zeigen und außerdem müsste ich ihm erklären was zwischen mir und Lorenzo passiert ist, und dass er die drei Wörter zu mir gesagt hat, dass ist echt das aller letzte was ich zur Zeit möchte.

Ich könnte zum Strand gehen und dort ein bisschen Zeit verbringen, aber spätestens am Abend, brauchte ich irgendein Ort zum schlafen.
Naja, jetzt ist die einzige Option zum Strand zu laufen und die Menschen dort zu beobachten. Vielleicht kaufe ich mir noch ein Bikini und bräune mich etwas.
Langsam lief ich den Strand entlang und beobachtete die Paare um mich herum.
Wie war es für sie, als sie die drei Wörter gehört haben? Hatten sie Angst? Oder haben sie sich gefreut? War es zu früh oder zu spät für sie?
Um ehrlich zu sein, kann ich keiner der Fragen beantworten. Das kann nur die die jeweilige Person für sich beantworten. Dorthin zu laufen und zu fragen: Hey, was für ein Gefühl war es für euch, als ihr ich liebe dich zu eurem Partner gesagt habet? Und wie habt ihr euch gefühlt, als ihr es zum ersten Mal gehört habt? Ist es komisch wenn es mir zu früh rüber kommt?

Oh Gott, ich will wieder nach Hause.
Es war so dumm von mir, mit ihm weg zu fliegen. Ich muss meiner Mutter schreiben und zwar sofort. Es wäre viel einfacher mit ihr darüber reden zu können, anstatt ihr zu schreiben und niemals eine Antwort zu bekommen. Und trotzdem tat ich es.
15.07.2022
Hey Mum,
Wir sind hier, genau so wie du es wolltest. Es ist in letzter Zeit so viel passiert. So viel schönes, aber auch schreckliches. Wusstest du das Lorenzo komplett das Gegenteil von seinem Vater ist? Und trotzdem kann ich ihm nicht vertrauen. Es ist so schwer Mama. Jede Nacht sehe ich, dass was sein Vater dir angetan hat. Jede verdammte Nacht sehe ich das. Und es so scheiße Schwer den Sohn deines Mörders nicht zu mögen.

Es sollte gesetzlich gesehen verboten sein, so jemanden überhaupt zu mögen. Aber er kann nichts dafür. Er kann nichts für das was sein Vater uns angetan hat, aber trotzdem "hasse" ich ihn dafür. Du brauchst gar nicht lachend den Kopf schütteln, ich weiß selber das ich gerade Unsinn rede, aber du musst ihn mal sehen Mum. So wie er sich um mich kümmert, dass ist echt nicht normal. Vor allem hat er sich um mich gekümmert, als ich jemanden umgebracht hat, als ich krank war und als ich alleine war. Seine wunderschönen pechschwarzen Haare, sind so weich und so flauschig. Und nein Mum, ich bin nicht durch seine Haare gegangen!!
Er behandelt mich anders, nicht sowie sein Vater dich behandelt hat. Und weißt du was Mum, ich wünsche mir gerade nur eins: Komm zu mir und sag mir deine Meinung darüber. Hilf mir bitte einfach nur. Ich brauche deinen Rat und deine Meinung darüber.
Manchmal wünsche ich mir einfach nur, dass du bei mir bist und mir Ratschläge geben könntest wegen diesem ganzen Chaos. Und bevor du sagst, dass ich auch mit Dad darüber reden kann. Ja, ich kann mit ihm darüber reden, aber es ist anders. Jedes Mädchen braucht ihre Mutter. Und ich habe meine nicht mehr, weil der Vater von meinem Ehemann sie umgebracht hat. Und glaub mir Mum, ich habe versucht es zu akzeptieren. Aber ich konnte es nicht. Es tut so weh. Es tut so weh, zu wissen, dass irgendein Mann dich nur wegen Eifersucht umgebracht hast. Und es tut so weh, mit niemanden darüber reden zu können. Dieses Mal könnte ich es mit Das besprechen, aber ich reiße ihm deswegen jedes Mal eine Wunde auf, und das möchte ich nicht. Dad liebt dich immer noch, und das ist echt toll, zu wissen, dass jemand einen auch nach ganzen 15 Jahren immer noch liebt, obwohl man schon längst tot ist. Und dann frage ich mich genau das. Würde mich Lorenzo auch nach meinen Tod 15 Jahre lang lieben? Ich meine du und Dad, ihr hattet eine verdammt starke Bindung und Beziehung, natürlich liebt ihr euch!
Aber Lorenzo und ich sind anders. Wir kennen uns kaum und wir haben auch nicht das durch gemacht, was ihr durchgemacht habt. Mum, ich weiß nicht was ich machen soll. Er hat mich höflich raus geschmissen, und wenn du jetzt am Leben wärst, hätte ich dich weinend angerufen und es dir erzählt, anstatt es weinend aufzuschreiben.
Ich könnte gerade einen Mutter Ratschlag gebrauchen, aber ich weiß es nicht von wem. Ich habe keine Mutter, weil sein Vater sie mir weg genommen hat.
Aber er ist nicht wie sein Vater, er ist so liebevoll, und so fürsorglich. Er hat mir gesagt, dass er mich liebt, aber das hat auch sein Vater dir gesagt, aber dich trotzdem umgebracht.
Wer kann mir versichern, dass er nicht genau wie sein Vater ist und mich liebt, aber trotzdem umbringt? Und wer kann mich dann ewigen Schutz von den Polibios geben? Wollen wir das Dad echt antun, noch einen Tod verkraftet er nicht.
Aber ich denke, dass Lorenzo nicht wie sein Vater ist. Aber ist es wichtig was ich denke? Ich muss es doch fühlen, oder? Ich meine, ich muss fühlen, ob ich ihn liebe und ihn vertrauen kann. Aber es wäre viel einfacher wenn du hier wärst, und mir sagen könntest, was ich für ihn empfinde.

Ich klappte mein Tagebuch zu und schaute das Meer an. Auf die Menschen achtete ich noch nicht einmal. Es waren aber auch nicht viele da.
Und die Menschen, die da waren, beachteten mich nicht. Wenn man mich anschaute, schaute man mich komisch an. Warum auch nicht? Ein weinendes Mädchen saß vor ihnen, wer würde da nicht weinend schauen.

Lange hielt ich es dann aber nicht aus und entschied mich eine Runde spazieren zu gehen. Vielleicht würde mich das beruhigen.
Ich lief den Sand entlang und entfernte mich von den Menschen. Es fühlte sich gut an Mal abstand zu haben. Vielleicht hatte Lorenzo recht , vielleicht brauchen wir echt Abstand von einander. Vielleicht ist es auch die einzige Möglichkeit.

Hinter mir hörte ich Schritte, es waren schnelle Schritte. So als würde er oder sie versuchen mich einzuholen.
Vielleicht war es Lorenzo? Hatte er es bereut? Ist er wieder zurück? Will er sich entschuldigen?
Hoffnungsvoll drehte ich mich zu ihm und schaute ihn an.
Aber es war nicht Lorenzo, es war ein Unbekannter und er grinste mich schief an...

Der VertragWo Geschichten leben. Entdecke jetzt