Kapitel 34 "Das beste für sie"

56 4 6
                                    


Lorenzo

Während Alejandro und Anastasia miteinander redeten tat ich alles andere außer aufzuräumen. Immer wieder lief ich auf und ab und versuchte nicht in Panik zu verfallen. Wie gesagt, ich versuchte es, jedoch brachte es nicht viel. Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld. Ich wollte diese Wörter aus meinem Gedächtnis verbannen. Ich wollte es so sehr, doch musste ich sie hören. So oft wie es geht, denn ich verdiente sie so sehr.
Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.
Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen soll. All die Monate versuchte ich nicht zu ertrinken, weil ich die Hoffnung hatte, dass es uns noch gibt. Doch wo wir jetzt am Ende sind, wird mir langsam bewusst, dass es kein uns mehr gibt. Schon lange nicht mehr. Sobald sie stark genug ist lass ich sie gehen. Oder eher gesagt verschwinde ich selber. Sie verdient endlich die Freiheit und die große Liebe zu finden, auch wenn das heißt, dass ich meine große Liebe gehen lassen muss.
„An was denkst du, mein Sohn?", hörte ich die fürsorgliche Stimme von Alejandro. Ihn verdiente ich auch nicht. Er behandelt mich wie sein eigener Sohn, während mein Vater ihm alles wichtige genommen hat, fast alles wichtige.
Ich wusste, dass ich ihn nicht anlügen konnte. Moralisch gesehen, ging es einfach nicht. Enttäuscht atmete ich aus, bevor ich anfing zu reden: „Ich habe sie zerstört, oder?" Es war eine dumme Frahe, aber ich musste es aussprechen. Was, wenn ich wirklich der Grund dafür war? Wahrscheinlich war ich es wirklich. Doch Alejandro würde mir das niemals sagen, weil er mich wie sein Sohn sah. Einen Sohn, der seine eigene leibliche Tochter zerstört hatte.
„Nein, hast du nicht mein Sohn. Du kannst nichts dafür, du konntest nichts dafür. Sie muss sich noch gewöhnen.", versuchte er es mir auszureden, doch klappte es nicht wirklich.  Ich hatte es verbockt. So komplett.
„Herzlichen Glückwunsch Alejandro. Ich glaube, dass wir alle so tief in der scheiße sind, dass wir eine Gruppen Therapie brauchen."
„Vielleicht hast du recht", er fing an vor sich hin zu reden und fing an zu überlegen. Ich sah es an seinen Augen.
„Vielleicht sollten wir zu Therapie... also gemeinsam", er sagte diese Wörter so vorsichtig wie es ging.
„Ist das dein ernst Alejandro?" Ich wusste nicht, ob er ein sehr gutes Sarkasmus hat, oder ich einfach nur dumm bin.
„Mein vollkommender ernst. Vielleicht hilft es uns wirklich."  Langsam wurde ich mir sicher, dass er es komplett ernst meinte.
„Ach und außerdem sollst du wieder zu Anastasia, sie möchte anscheinend wieder mit dir reden. Keine sorge, ich habe sie gebeten, dass sie nicht so gemein zu dir sein soll", erklärte er mir. Ich nickte nur und am liebsten würde ich im widersprechen, und sagen, dass ich die fiesen Bemerkungen verdiente, doch ließ ich es sein.
„Ich geh dann mal zu ihr. Hat sie sich genügend ausgeruht? Und ihren Kamillentee getrunken? Wie soll ich mich gegenüber ihr verhalten? Sollte ich zustimmen, oder am besten gar nichts sagen? Wie? Was? Ich glaube, ich kann das nicht Alejandro. Kannst du nicht zu ihr hoch und mit ihr reden?" Die allbekannte Panik kam wieder zu mir zurück, oder eher gesagt kam wieder zum Vorschein. Denn verschwunden war sie noch nie.
„Dass, was du hier spürst mein Sohn-", er tippte lächelnd mit seinem Finger auf mein Herz und redete weiter.
„ Das ist ein Teil der Liebe, die du für sie spürst. Das schnelle Herz klopfen, welches du in diesem Moment spürst, weil du Angst hast sie noch mehr zu verletzten und vielleicht auch dich zu verletzten. Aber geh nach oben und redet miteinander. Versucht es erst, bevor ihr aufgibt." Eigentlich wollte er noch mehr sagen. Ich sah es ihm an, doch sprach er es nicht aus. Und ich fragte auch nicht mehr nach. Ich nickte nur und machte mich auf den Weg nach oben. Wir sollten nur reden. Ganz normal, wie wir es früher gemacht haben. Wir sollen uns wie ganz normale Menschen unterhalten. Wie ganz normalen Menschen. Nur das wir keine normale Menschen sind! Und wir können uns nicht ganz normal unterhalten!

Während ich die Treppen ganz langsam hoch ging, wiederholten sich ihre Wörter erneut in meinem Gedächtnis.
Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.Sie hasste mich. Sie gab mir für alles die Schuld.
Und dieses Mal gingen sie mir nicht so schnell aus dem Kopf. Einige Minuten blieb ich vor der Tür stehen. Unsicher, was ich als nächstes machen soll. Sollte ich wirklich rein gehen? Vielleicht macht es das alles schlimmer. In diesem Moment musste ich rational handeln. Ganz rational. Ich muss ganz rational handeln, dass wäre das beste für sie. Die wahrscheinlich einzige Möglichkeit für sie. Ich atmete nochmal ein und aus und klopfte leicht an unserer Tür, eher an ihrer Tür. Automatisch verbesserte ich mich selber. Es gab kein uns mehr. Kein uns mehr. Es musste aufhören. Mein Herz musste aufhören an einem uns zudenken. Denn das gab es nicht mehr. Sie wollte kein uns mehr. Schon lange nicht mehr. Und daran war ich Schuld. hätte ich damals nicht so schlecht reagiert und so falsch gehandelt, würde es heute vielleicht noch ein uns geben. Aber für diesen Gedanken war es ebenfalls zu spät. Ich klopfte erneut an der Tür, trotzdem bekam ich keine Antwort. Ich hoffte, dass sie sich nicht umzog oder in diesem Moment nackt war, denn ich tritt ein. Schaute mich in ihrem Zimmer sehr schnell um. Sie lag nicht auf dem Bett. War nicht am Fenster. Und auch nicht am Kleiderschrank. Der Kleiderschrank war komplett ausgeleert. All ihre Klamotten lagen auf dem Boden. Auch die Kommode wurde ausgeleert. Die Bücher aus dem Bücherregal lagen ebenfalls auf den Boden. Doch sie war nirgendwo. Wie hatten wir das nicht gehört?
„Anastasia?", meine Stimme zitterte aus Angst. Wo war sie verdammt nochmal? Und was ist mit ihr passiert? Verdammt ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen!
„Anastasia...?", erneut brach ich in Panik aus. Wo war sie? Noch einmal schaute ich mich im Zimmer um. Meine Augen lagen auf der Badezimmer Tür. War sie dort drinnen? Sofort lief ich zur Tür und klopfte an. Vielleicht duschte sie nur und hatte sich Klamotten rausgesucht-
Verdammt! Das hatte sie nicht. Ihr ging es nicht gut. Gar nicht gut. Als ich keine Antwort bekam öffnete ich die Tür. Sie saß dort ihre Knien waren an ihren zerbrechlichen Körper gezogen. Ich wusste das sie weinte. Auch wenn es ganz leise war. Und sie nicht schluchzte.
„Anastasia?", ich erkannte meine Stimme nicht wieder. Langsam und so vorsichtig wie möglich kniete ich mich zu ihr rüber. Ich wollte sie in den Arm nehmen, ihren Rücken streicheln und ihr sagen, dass ich für sie da bin und sie sich fallen lassen könnte. Doch auch dafür war es zu spät. Sie hatte sich schon längst fallen gelassen, ich kam nur viel zu spät, sodass ich sie nicht mehr auffingen konnte.

Ich schaute mich im Badezimmer um. Es schien alles normal zu sein. Bis auf der Spiegel.
„Anastasia hast du dir irgendwo weh getan?", ich zeigte meine Angst, doch log sie mich an. Sie schüttelte ihren Kopf, und wäre ich nicht so sehr auf sie fokussiert, hätte ich nicht mitbekommen, wie sie ihre Hand zurückzog. Nur damit ich sie nicht sehe. Erneut schaute ich zum Spiegel. Er war in winzig kleine Stücke gebrochen. So als hätte man ihn voller Hass zerbrochen. Fühlte sie denn so viel hass? Sie sollte das nicht fühlen. Sie war doch so unschuldig. Sie durfte nicht so voller Hass sein, dass würde sie zerstören.
„Anastasia zeig mir bitte deine Hand", ich versuchte so ruhig wie es in diesem Moment ging mit ihr zuspreche. Doch klappte es nicht wirklich.
„Anastasia", warnte ich sie, doch auch dieses Mal hörte sie nicht auf mich. Ich versuchte ruhig zu bleiben, für ihr bestes. Denn sie braucht in diesem Moment keinen Bösen und wütenden Lorenzo. Sie braucht den ruhigen und liebevollen Lorenzo.
„Das ist alles deine Schuld", flüsterte sie so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob es echt war oder mein Gehirn mir einen Streich spielte.
Das ist alles deine Schuld. Das ist alles deine Schuld. Das ist alles deine Schuld. Das ist alles deine Schuld.
Mein Verstand wiederholte den Satz immer wieder. Versuchte zu verstehen, wie sehr sie mich hasste. Und wie sehr sie mich verabscheute. Ich wusste schon lange, dass es meine Schuld war. Die Entführung und alles drum und dran. Doch was meinte sie? Redeten wir über die selbe Schuld?
„Was ist alles meine Schuld Anastasia?", fragte ich sie leise. Ich wollte nichts falsches sagen. Doch musste ich es einfach wissen. Ich musste wissen, wofür sie mir noch die Schuld gab.
„Dass ich mich selber so sehr hasse, dass ich mich umbringen wollte. Mein Blut würde an deinen Händen kleben. Ich hasse meinen Körper, meine nicht vorhanden Haare, meine Stimme und meine Seele. Alles an mir hasse ich, und dass ist allein deine Schuld!" Diese Antwort brachte mich zur Verwirrung und Entsetzung. Ich ginge ein Schritt zurück.
„Ich bin ein Monster", gab sie leise zu. Erneut liefen ihr Tränen und ich konnte mich noch so aufhalten um nicht selber mitzuweinen. Ich schüttelte auf ihre Antwort so oft und stark wie es nur ging mit dem Kopf. Sie war kein Monster. Sie war kein Monster! Auf gar keinen Fall! Nein! Nein! Nein! Gott sie wollte sich umbringen, dass ist alles meine Schuld.
„Ich möchte nur noch ein letztes Mal etwas von dir", fing sie an zu reden. Ihre Stimme wurde wieder ruhig. Meine ganze Aufmerksamkeit war bei ihr. Was wünschte sie sich von mir? Egal, was es war, ich würde alles für sie tun.
„Ich mache alles für dich Anastasia." Und das war mein ernst. Ich würde alles für sie machen, solange es ihr gut ging.
„Verschwinde bitte aus meinem Leben. Ich möchte nie wieder den Namen Lorenzo Polibio irgendwo hören oder sehen. Ich möchte ein neues Leben. Und da bist du nicht mehr Willkommen. Wenn wir das mit uns weiter machen würden, würde ich immer tiefer sinken und jeden Tag, jede Stunde und jede verdammte Minute ertrinken. Und ich habe es satt zu ertrinken. Doch wenn du aus meinem Leben verschwinden würdest, hätte ich vielleicht noch eine Chance hoch zu schwimmen. Und weiter zu schwimmen, bis ich an meinen eignen Ufer ankomme."

Wenn wir das mit uns weiter machen würde, würde ich immer tiefer sinken und jeden Tag, jede Stunde und jede Minute ertrinken. Und ich habe es satt zu ertrinken. Doch wenn du aus meinem Leben verschwinden würdest, hätte ich vielleicht noch eine Chance hoch zu schwimmen. Und weiter zu schwimmen, bis ich an meinen eignen Ufer ankomme.
Es war ihr letzter Wunsch. Und ich wusste, dass es notwendig für sie war. Ich wollte nicht der Grund für ihr Untergang sein. Wenn sie ohne mich schwimmen kann, dann werde ich ihr den Wunsch erfüllen. Ich muss ihr diesen Wunsch erfüllen, auch wenn ich mein Herz dabei ganz tief im Meer zurückgelassen werde. Solange ich ihrs noch retten könnte, wäre ich damit einverstanden. Als ich nickte, explodierte mein Herz förmlich. Und mit meinem Herzen starb ich. Als ich meine ganzen Unterlagen mitnahm und ein Foto von uns beiden ging ich zu Tür. Alejandro war bei Anastasia. Er war dort, wo er sein sollte und musste. Dorthin gehörte er. Zum letzten Mal lief ich diese Treppen runter. Mit jedem Schritt zu Tür verließ ein Teil meiner Seele mich und blieb in diesem Haus zurück. Als ich die Tür schloss und den ersten Schritt in eine Welt ohne Anastasia machte, wusste ich, dass ich gestorben war. Dass es kein Lorenzo Polibio mehr gab und nie wieder geben würde. Lorenzo Polibio starb am Sonntag, den 12.01.23 um 19:34 Uhr.

Der VertragWo Geschichten leben. Entdecke jetzt