Kapitel 5

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Ich biss die Zähne zusammen, aber musste seinem Blick immer wieder ausweichen. Ich zitterte vor Angst, ich hatte Todesangst. Thread starrte mich neugierig an, dann blaffte er:"Mitkommen!"
Ich redete mir ein, dass er mir eigentlich nichts nachweisen konnte. Ich hatte ja eigentlich nichts verbotenes getan. Aber wir redeten hier von Thread, er hatte seine eigenen Gesetze. Zwei andere Freidenswächter drehten meine Arme nach hinten und schubsten mich hinter Thread her. Ich blickte nach einmal über meine Schulter. Gale war nirgends zu sehen. Ich war erleichtert, denn wenn er da gewesen wäre, hätte er sich sicher eingemischt.
Nach einiger Zeit kamen wir im Saum an. Alle hörten auf zu arbeiten und blickte zu uns, man kannte mich. Jeder wusste, dass ich hier lebte. Auch wenn sie vergessen hatten, wo man mich einordnen sollte. Viele sahen mich mitleidig an, sie wussten was jetzt kommen würde. Immer wenn ein Jugendlicher, ein Kind, abgeführt wurde, wurden alle ganz ruhig. Sogar manche Vögel hörten auf zu zwitschern, fast wie bei der Ernte. Aber man brachte mich nicht zum Marktplatz, man beachte mich zu einem größeren Haus in der Innenstadt.
Schweigens wies man mich an einzutreten. Man führte mich in ein Zimmer. Nur ein einziger Hocker stand darin, man drückte mich darauf und Theard schickte die beiden anderen nach draußen. Ehrfürchtig blickte ich zu ihm auf, was machte er jetzt mit mir?
Er kniete sich vor mich hin, so dass wir auf Augenhöhe waren. Ich sah ihn finster an.
"Ich will dir ein Angebot machen, ich spreche dich in allen Punkten frei, wenn du mir Informationen lieferst", sagte er mit scharrender Stimme.
"Sie können mir nichts nachweisen", gab ich zurück. Das hoffte ich doch. In letzter Zeit hatte ich ja nichts verbrochen, eigentlich...
"Ach nein?", murmelte er ruhig und gelassen. Er betätigte einen Schalter an der Wand und eine Projektion erschien.
Da war ich und ich schlüpfte gerade unter dem Zaun hervor, dann noch einmal an dem Tag, an dem ich den Hund gefunden hatte und die letzte war an dem Tag, als er hier angekommen war. Zum Glück war keine direkte Aufnahme aus dem Wald dabei. Ich sah fassungslos auf die Bildschirme, ich sah wie ich hundertmal aus dem Wald kam und hinein ging. "Was für Informationen?", fragte ich dann mit zusammengebissenen Zähnen.
"Über Miss Everdeen", antwortete er. Über Katniss? Aber über sie wusste doch eigentlich jeder alles. Sie wurde doch sicher rund um die Uhr überwacht. Als er mein verwundertes Gesicht sah, fügte er an:"Über Primrose Everdeen." Nichts gegen meine beste Freundin, aber Prim war doch keine Gefahr, Prim war immer um aller Wohl besorgt.
"Wieso?", fragte ich argwöhnisch.
Ich roch ihn bevor ich ihn sah. Ein süßlich ekliger Rosenduft breitete sich im Raum aus.
"Weil", Präsident Snow machte eine kurze Pause und trat in mein Sichtfeld, feindselig starrte ich ihn an," wir um ihr Wohl besorgt sind."
Ich schnaubte auf, um ihr Wohl, sie waren um alles andere besorgt, als Prims Wohl. Und außerdem, wieso kam dann gleich der Präsident an und nicht, wenn schon jemand aus dem Kapitol, ein hoher Abgeordneter?
"Was für Informationen?", fragte ich dann misstrauisch.
"Oh, noch keine die sie nun schon haben, ich möchte Miss Everdeen nur ein wenig besser kennenlernen, deswegen möchte ich, dass sie diese Kette tragen. Ein nicht sichtbares Mikrofon ist daran befestigt und wird aufzeichnen was sie sagen und hören", erklärte mir der Präsident. Es war eine einfache Goldkette, mit einem kleinen Spotttölpel als Anhänger. Er lies sie vor mir hin und her baumeln, es machte fast den Anschein, als wollte er mich damit hypnotisieren.
"Nein", sagte ich fest entschlossen. Ich würde nicht mehreren reden können, nichtmal mehr jemanden vorwarnen, dass er mit mir nicht ehrlich reden konnte. Na gut, doch in dem ich es aufschrieb, aber das würde vielleicht zu lange dauern und dann hätte z.B. Gale schon ausgeplaudert, dass er jagte oder für die Rebellion war. Das würde ich nicht zulassen.
Thread hatte einen hochroten Kopf. Er kam auf mich zu und holte zu einem Schlag aus. Ehe ich mich versah, landete seine Hand auch schon in meinem Gesicht. Entsetzt schrie ich auf und hielt meine Wange. Sie musste ganz rot sein, angeschwollen und das Blut rauschte schnell hindurch. Noch hinzukam, es schmerzte entsetzlich. Aber immerhin hatte er keinen Zahn ausgeschlagen. Er holte zu einem Tritt und einem nächsten Schlag aus.
"Aber, aber Romulus, werden wir mal nicht zu voreilig", mischte sich der Präsident nun ein. Meine Augen mussten vor Zorn leuchten. Ich wäre am liebsten auf ihn losgegangen, auch wenn ich keine Chance haben würde. "Ich gebe dir noch eine Chance. Wirst du diese Kette tragen?", fragte er mich und sah mich dabei durchdringend mit seinen Schlangenaugen an.
Ich schüttelte den Kopf. Ich würde meine Familie und Freunde nicht verraten.
"Nun gut, dann werde ich jetzt gehen, aber ich komme wieder. Romulus, fürs erste fünf starke Peitschenhiebe, damit sie auch ja nicht vergisst, dass sie eine Straftat begangen hat. Aber nicht mehr!", befahl Snow mit strengem Blick.
"Natürlich, Präsident Snow!", erwiderte Thread mit einer Verbeugung.
"Wir sehen uns wieder Miss Hawthorne, bis bald", verabschiedete sich der Präsident," Ach ja, machen sie es hier, es soll nicht in aller Öffentlichkeit geschehen." Mit dieser letzten Anweisung verließ er den Raum und ich war alleine mit dem obersten Friedenswächter.
Unsanft, um nicht zu sagen brutal, riss er mich von dem Stuhl hoch und zerrte mich zur Wand. Er nahm meine Hände und kettete sie fester als nötig mit Handschellen an einem Ring in der Wand fest. Er zwang mich in die Knie und meinte:"wehe du bewegst dich! Ich hole nur noch die Peitsche!"
Nun hockte ich dort und wartete auf den Schmerz, die Wunden von vor ein paar Tagen waren noch nicht verschwunden und gerade erst ansatzweise verheilt. Ich bereitete mich vor, in dem ich meine Zähne zusammen biss und meine Augen zusammen kniff und versuchte alles auszublenden.
Ich hörte wie er wieder kam. "Hätte ich fast vergessen", murmelte er, dann zerriss er meine einzige Jacke und den darunter liegenden Pullover. Nach kurzem überlegen, tat er das gleiche mit meinem Unterhemd. Jetzt war ich am Oberkörper völlig unbekleidet. Die Röte schoss mir ins Gesicht, es war mir unangenehm, wenn mich jemand nackt sah. Auerdem war es hier kalt und ich musste frösteln, doch schnell veränderte sich meine Gänsehaut, statt vor Kälte, stellten sich meine Haare jetzt vor Schmerz auf. Ein Feuer entfachte sich über meinen gesamten Rücken und ich biss mir fest auf meine Lippe, um nicht zu schreien. Er ließ sich absichtlich Zeit, bis zum zweiten Hieb, denn er genoss das ganze, das spürte ich.
Mein ganzer Körper war angespannt. Gerade, als der Schmerz etwas nachließ, traf mich der zweite Peitschenschlag. Dieses Mal musste ich wirklich laut aufschreien. Ich biss mir so stark auf die Lippe, dass ich Blut schmeckte. Der Schmerz verbreitete sich zehnmal so schnell und verschwand auch nicht mal richtig. Ein nächster Hieb und weiße Flecken tanzten vor meinen Augen. Ich spürte nur noch den Schmerz, für etwas anderes war kein Platz mehr. Erstaunlicher Weise veränderte sich meine Lage bei den nächsten Schlägen nicht, der Schmerz blieb konstant der gleiche. Doch mein Körper wurde immer schlaffer, denn ich hatte keine Konzentration für die Kontrolle meiner Glieder. Dann der fünfte und letzte Schlag, dachte ich jedenfalls, aber ich spürte, wie er noch zweimal mit voller Kraft zuschlug.
Verschwommen merkte ich, wie er an meinen Haaren zog und mich aus dem Raum zog. Er zerrte mich durch den Flur und schubste mich dann aus der Tür. Ich fiel die drei Treppenstufen, die zur Haustür führten herunter und schlug mir hart den Kopf an. Ich landete mitten in einer matschigen Pfütze, da es gerade anfing zu tauen.
Ich zitterte am ganzen Leib, vor Schmerz und Kälte, und drückte meine zerrissenen Kleider an mich, dann taumelte ich unbeholfen die Straße entlang. Ich schaffte es bis zum Ende der Straße, dann ließ ich mich auf die Knie fallen und übergab mich, bis mein Magen wohl keine Galle mehr enthielt, denn etwas anderes hatte ich nicht im Magen. Ich hatte ja lange nichts mehr gegessen. Ich raufte mich noch einmal auf und stolperte weiter in Richtung Markt, doch ich kam nicht weit und landete im eisigen Schnee. Ich versuchte auf allen vieren weiter zu kriechen, doch es gelang mir nicht. Ich ließ mich erschöpft in den Schnee gleiten.
Jemand kam auf mich zu, ich sah seine festen schwarzen Winterstiefel. Er beäugt sich zu mir herunter und dreht mich zu sich um. Ich stöhne vor Schmerzen auf und halte die Augen kurz geschlossen. Ich öffnete sie wieder und sah... Peeta. Wenigstens war er mir nicht fremd. Ich hätte es gar nicht gut gefunden, wenn mich irgendein reicher Bürger hier weggescheucht hätte und dann wahrscheinlich die Friedenswächter gerufen hätten oder ich einfach hier gestorben wäre. "Peeta...", murmelte ich unverständlich.
Er hob mich hoch. "Alles wird gut...", flüsterte er mir zu. Ich ließ meinen Kopf an seine Schulter sacken und dämmerte ein.
Durch das knallen einer Wohnungstür wurde ich wach.
"Peeta, was machst du denn...", das war Katniss, sie brach ab, als sie mich wohl sah. Prim kam schnell angelaufen. In ihrem Blick lag Entsetzen. Ihr traten Tränen in die Augen. "Mum!", schrie sie," Schnell, bring sie in die Küche." Man legte mich auf den Küchentisch, wie damals Gale.
"Ich hole Gale und Hazelle", meinte Katniss und dann hörte ich auch schon die Tür knallen. Ich gab noch ein unnötiges "Nein" von mir, aber es verstand eh keiner.
Ich lag auf dem Bauch. Mit einem Mal loderte der Schmerz erneut stark auf. Ich konnte einen Schrei nicht unterdrücken. "Sie braucht Morphium", murmelte Prim Gedanken verloren.
"Nein", sagte ich wieder, aber diesmal verstanden sie mich.
"Sie möchte es nicht", erkannte Peeta. Doch ehe ich mich versah, war die Spritze auch schon in meinem Hals. Ich schlief ein.
Als ich aufwachte war es bereits Nacht. Zum Glück war morgen Samstag, dachte ich mir und dann fiel mir ein, dass das ein ziemlich dummer erster Gedanke war. Ich drehte meinen Kopf zur Seite. Ich war nicht alleine, neben meinem Bett saß Gale.
"Ich möchte nicht, dass du dir die Schuld gibst, denn ich weiß, dass du es tust", redete ich einfach drauf los. Er zuckte erschrocken zusammen. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich etwas sagte.
Ich hörte die Tür aufgehen und dann leise Schritte. "Ich bin ja so froh, das du wach bist. Gale, holst du bitte noch mehr Schnee?", Prim musterte mich besorgt. Mit einem letzten Blick auf mich, verließ er den Raum.
"Mir geht's gut, Röschen. Brennt nur ein bisschen", erklärte ich ihr. Ich untertrieb gewaltig, denn mein Rücken brannte immer noch wie Feuer. Sie sah mich sprachlos an. Ich erwiderte, um sie auf zu heitern:"Hey, jetzt kann mir Gale wenigstens nicht verbieten den Hund zu behalten." Ich versuchte zu lächeln, doch zuckte erschrocken zurück, meine rechte Wange tat entsetzlich weh.
"Was ist passiert?", fragte sie ein wenig schockiert.
Wie sollte ich ihr jetzt erzählen was passiert war. "I...Ich möchte mit Katniss reden, bitte", wenn sich jemand mit solchen Lagen auskannte, dann wohl sie. Jetzt hatten wir wenigstens endlich mal ein Gesprächsthema.
"Wieso hast du mir nicht erzählt, dass ihr nichts zu Essen habt?", warf sie mir vor.
"Du... Du warst so im Stress und ich wollte dich nicht noch mehr unter Druck setzen", ich war ein wenig zu laut geworden, fiel mir auf.
"Aber du bist fast nur noch Haut und Knochen, du wirst...", sie wusste wohl nicht, was sie von mir verlangen sollte. Eigentlich war an all dem nur Thread schuld. Sind wir doch mal ehrlich, erstens Stände Prim wegen der Auspeitschungen nicht so unter Druck und ich wäre wie immer zum Essen gekommen, zweiten könnte Gale uns sonst wieder Essen jagen und drittens wäre ich sonst gar nicht hier auf diesem Küchentisch! Es gab noch so viel mehr, dass ich aufzählen könnte.
"Reg dich nicht auf. Vorhin hattest du erhöhte Temperatur und du solltest dich nicht aufregen, sondern ausruhen. Ich gehe jetzt besser", murmelte Prim nach einiger Zeit. Ich nickte.
"Ach Prim, du bist die beste", murmelte ich schon im Halbschlaf.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt