Kapitel 10

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Ich starrte ihn ungläubig an. "Das ist nicht wahr, oder?", fragte ich.
"Doch das scheint es", er lächelte.
"Sind sie... Äh du... Nicht in den Vorbereitungen zu den Hungerspielen?", murmelte ich immer noch ungläubig.
Er sah mich verbittert an:"Das kann warten."
"Stell dich schonmal darauf ein mir ein schönes Kleid zu machen", entgegnete ich ebenso verbittert zwang mich jedoch zu einem Lächeln.
Alle sahen mich entsetzt an.
Ich meinte nur:"Es ist kein Geheimnis, dass ich gehen werde."
Gale sah so aus, als bräche er gleich zusammen, aber... Was war das da auf seinem Rücken? Ein Arm. Madges Arm.
Ich lächelte in mich hinein. Er sollte endlich die Augen auf machen und mal mit Madge ausgehen. Das mit Katniss machte ihn nur fertig, das würde nichts bringen. Ich wollte nur, dass er glücklich wurde.
Meine Mutter heiterte die Stimmung wieder auf, in dem sie fragte:"Wollen Sie ein Stück Kuchen?"
Cinna nahm dankend das Stück vom Kuchen an und ließ sich auf dem Platz neben mir nieder. Jedoch fing niemand so richtig ein Gespräch an und wir alle saßen schweigend herum.
"Ich habe ein Geschenk für dich, Lily", meinte Cinna da.
"Aha", entgegnete ich nur. Ich wollte heute irgendwie keine Geschenke mehr. Es kam mir falsch vor. Sehr falsch.
"Und das wäre?", fügte ich noch an.
"Lass uns darüber lieber im Hobbyraum reden", beschloss er. "Sehr guter Kuchen, Peeta." Meinte er noch, dann stand er auf und ging in den Flur. Direkt auf den Hobbyraum zu. Ich folgte ihm langsam.
Er öffnete die Tür und wir traten ein. Schnell schloß ich die Tür hinter uns.
"Wieso hier?", fragte ich verträumt.
"Ich wollte nochmal deine Entwürfe sehen", meinte er nur.
Ich holte meinen Block aus der untersten Schublade und wurde rot, weil die meisten von Katniss Flammenkostümen inspiriert waren. Es war mir furchtbar peinlich, dass er sich die Zeichnungen so genau ansah.
"Du hättest alle im Kapitol verzaubert", murmelte Cinna und starrte weiter auf die Zeichnungen.
Ich reckte den Kopf, um zu sehen welche er dort hatte. Es war eine, wie ich fand, eher schlechtere. Die Farbe fehlte, das Blatt war zerknittert vom Radieren, die Formen der Person unförmig, die Schatten viel zu dunkel. Ich wusste nicht, was er daran fand.
"Das glaube ich nicht. Außerdem ist es eh egal. Das wird nichts", flüsterte ich leise. Ich musste wieder an die Spiele denken und diese fürchterliche Angst überkam mich. "Ich habe Angst." Ich sprach es einfach aus. Klar und deutlich. Es stand fest. Mir war schwindelig vor Angst.
Er nickte. "Ich würde gerne sagen, dass alles wieder gut wird, aber selbst ich bezweifle das. Wenn ich darf, nehme ich die Skizzen mit. Eine Frage, was hast du dir hierbei gedacht?"
Es war meine verkorkste Zeichnung. Ich zuckte mit den Schultern.
"Du musst dir etwas dabei gedacht haben. Du hast dir fiel Mühe damit gegeben", das erkannte er ganz richtig. Jedoch kam ich zu keinem guten Ergebnis und verunstaltete mein Werk immer mehr, bis ich irgendwann aufgab.
"Ich habe dem Feuer zugesehen, wie es immer mehr herunterbrannte. Am Ende war nur noch ein glühendes Stück Kohle da. Es hatte bereits die Dämmerung eingesetzt und dieses Stück strahlte mich an. Irgendwann hörte es auf zu glühen und dann war da der weiße Kohlenstaub. Er war weiß, das reine Gegenteil von schwarz. Das Feuer hatte sie verwandelt. Um ehrlich zu sein habe ich das an deinen Kostümen bemängelt. Sie wurden nach dem brennen nicht weiß oder grau. Sie veränderten sich einfach nicht", ich zuckte mit den Achseln. An dem Tag war ich verzweifelt auf meiner Zeichnung eingeschlafen. Gale weckte mich mitten in der Nacht und meinte, dass ich aufstehen sollte. Ich war froh Gale zu haben. Auch wenn er manchmal ein wenig... Unüberlegt handelte.
Cinna sah mich erstaunt an. "Du hast recht."
Dann sagte ich grinsend:"Ich weiß. Ich habe immer recht."
Nun schmunzelte auch er. Doch sein Blick versteinerte sich gleich wieder.
"Hör mir zu. Ich möchte, dass du unbedingt weiter entwirfst. Egal was passiert. Das könnte noch sehr wichtig werden. Verstanden? Ich möchte, dass du, falls mir etwas passiert, du für mich weiter machst", sagte er eindringlich, den Blick noch immer auf die Zeichnung gerichtet.
"Aber, ich werde sterben. Noch vor dir. Das weißt du. Es gibt keine Chance für mich, dein Werk fortzusetzen", erwiderte ich deprimiert und traurig.
Er antwortete nicht direkt, sondern wechselte das Thema:"Hier, das ist dein Geschenk."
Er hielt mir eine kleine Schachtel hin. Ich öffnete sie. Dann ließ ich sie fallen.
Es war die Spotttölpelkette, die für Prim gedacht war. Die von Snow. Ich wich zurück. Ich musterte den Mann vor mir. Das könnte doch nicht Cinna sein. Niemals. Wie war er an die Kette gekommen. Wieso hatte er sie?
Er hob die Kette auf.
"Gefällt es dir nicht?"
Ich blickte ihn finster an. "Die Kette ist verwanzt, sie ist von Snow. Ich trage sie ganz bestimmt nicht", erwiderte ich auf seine Frage. Ich war empört, dass er versuchte mir die Kette anzudrehen.
Er runzelte die Stirn, als hätte ich eben etwas sehr interessantes gesagt.
"Aber das kann nicht sein. Ich habe sie anfertigen lassen vor gerade mal einem Monat."
"Es ist exakt die selbe, Cinna. Ich wurde auf Leben und Tod damit bedroht sie zu tragen. Ich würde sie überall erkennen", erklärte ich ihm. Ich konnte immer noch nicht fassen, wie er scheinbar glauben konnte, dass ich mich täuschte.
Nun lächelte er. Wieso lächelte er?
"Gut. Hier, das ist das echte Geschenk", jetzt war ich verwirrt. Was sollte das ganze eben? Warum hatte er mich getäuscht?
Misstrauisch nahm ich das nächste Päckchen entgegen. Es war weich. Ich öffnete es. Mir fiel ein wunderschönes hellgelbes Kleid entgegen. Ein leichtes Sommerkleid. Es erinnerte mich an Katniss Kleid nach den Spielen, als sie so unschuldig wirken musste wie möglich, denn ihr Selbstmordversuch mit den Beeren zusammen mit Peeta, war schlecht aufgenommen worden und hatte die Rebellion ausgelöst.
Aber es sah wirklich so ähnlich aus, wie der Sonnenaufgang. Nach oben hin wurde das Kleid dunkler. Es war unten ganz locker und nach oben wurde es enger. Es war ungefähr knielang.
"Dankeschön. Das ist hübsch", murmelte ich.
"Ziehe es bei der Ernte an. Ich hoffe nur, dass die Sonne scheint", entgegnete er.
Ich nickte, auch wenn ich das mit der Sonne nicht verstand. Ich sollte ihn wegen der Kette Fragen, doch ich tat es nicht, denn im Grunde war es mir egal.
Wir gingen zurück und ich packte noch Peetas Geschenk aus, das hatte ich völlig vergessen. Es war ein großer Malkasten. Mit verschiedenen Acrylfarben, Bleistiften, Kreide, Radiergummis, alles was man zum Malen benötigte. Es war echt toll, dabei malte ich ja nicht mal wirklich. Ich bedankte mich auch noch herzlich bei Peeta.
Ich ließ mir die Kette von Prim umhängen. Cinna begutachtete sie interessiert. Vielleicht erschuf er in seinem Kopf schon ein passendes Outfit. Vielleicht überlegte er aber auch, wie er es verwanzen konnte... Wer weiß?
Um 20 Uhr gingen alle nachhause. Gale begleitete Madge nach Hause, damit ihr nichts passierte. Es wunderte mich nun doch, wann dieser Wandel gekommen war. Noch bis vor ein paar Monaten hasste er die Familie des Bürgermeisters regelrecht. Und nun?
Ich war ein wenig verwirrt. Natürlich musste ich direkt an seinen Kuss mit Katniss denken. Die Liebe war schon etwas komisches. Ich liebte zwar niemanden, bis auf meine Familie und meinen Freunden, was ja nur Prim war, aber ich bekam genug von anderen Menschen um mich herum mit. Ich schwärmte ja nichtmal für irgendwen in der Schule. Ich hatte einfach noch niemanden gefunden.
Zuhause brachte ich Posy ins Bett, auch Vick und Rory verschwanden in ihrem Zimmer. Nun saßen nur noch Mum und ich in der Küche.
Sie zog mich auf Ihr Klappbett neben dem Ofen und ich legte meinen Kopf auf ihre Schulte, sie drückte mich an sich. So saßen wir eine Weile einfach schweigend.
"Du musst Rory oder Gale davon überzeugen Posy das Jagen beizubringen, wenn sie es will. Sonst geht sie auf eigene Faust los, so wie ich. Natürlich geht das nur, wenn sich die Lage bis dahin ändert", murmelte ich.
"Das wird sie, Schatz", antwortete sie mir traurig.
"Ich hoffe nur zum Besseren", sagte ich daraufhin. Ich wollte das beste für meine Familie, wenn ich sie schon nicht beschützen konnte. "Ach ja, und versuche Gale von Ärger fern zu halten. Er soll nicht zu viel dummes anstellen und sich dauernd in Gefahr bringen."
Meine Mutter seufzte:"Hör auf so zu reden, Lily. Das ertrage ich nicht."
Und so schwiegen wir und warteten auf Gale.
Keine zehn Minuten später tauchte er auch schon auf. Er sah durch die Tür herein und runzelte die Stirn, dann lächelte er und setzte sich neben uns.
Unerwartet sprang meine Mutter auf. "Ich muss noch etwas erledigen."
Es musste etwas wichtiges sein, sonst hätte sie es nicht mehr heute erledigt. "Pass auf dich auf, Mum", rief ich ihr hinterher. Sie winkte uns noch kurz und verschwand durch die Tür.
"Seit wann magst du Madge so?", fragte ich Gale.
Ich sah ihn an. Er war rot geworden. "Ich mag sie gar nicht", wehrte er ab.
"Natürlich", ich verdrehte die Augen.
"Na gut, vielleicht ist da etwas, aber es ist jetzt zu kompliziert."
Ich entgegnete:"Wegen Katniss?"
Er schüttelte leicht den Kopf. "Es ist nicht nur sie. Es ist alles."
Ich nickte. Das war nur klar. Alles war gerade schwierig,"Versprich mir, dass du trotzdem auf sie aufpasst. Auch auf unsere Familie und die Everdeens."
"Natürlich, ich lasse niemanden im Stich. Ich passe auf sie auf", er schien fest entschlossen, alle in der bevorstehenden Rebellion beschützen zu wollen.
"Aber... Was mir auch noch am Herzen liegt, übertreibe es nicht Gale. Pass auf dich auf", murmelte ich ihm noch traurig zu.
"Du auch, Flämmchen", entgegnete er.
Ich ging schon kurze Zeit später ins Bett. Noch zwei Wochen, dann begann es.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt