Kapitel 29

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Durch die dünne Haut meiner Augenlieder sah ich das knallige, trübe rot meines Blutes, das sich rasant im Wasser um mich herum ausbreitete. Ich spürte starke Hände, die mich im Wasser herunterdrückten. Völlig überflüssig, wenn er wüsste, dass ich kaum wusste, wo oben oder unten war, dass ich nichtmal wusste, wer ich war und was ich tat. Ich konnte nicht auftauchen, selbst, wenn ich es gewollt hätte.

Immer wieder hallte es in meinem Kopf. „Tick Tack, Tick Tack, Tick Tack..."

Ich würde gerne schreien. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte unbedingt schreien. Doch mein Mund war fest zusammengepresst, als hätte ihn jemand zusammengeschweißt.

Die Hände, die mich herunterdrückten versteiften sich, dann rutschten sie weg und ließen mich frei. Mein Gefühl sagte mir, ich solle nach oben schwimmen, da wo die Hände herkamen. Doch ich wusste nicht, wie das ging, wusste nicht wo sie herkamen, wusste nicht... Vor dem Rot bildeten sich weiße und schwarze Flecken. Meine Lunge wollte mich zwingen den Mund zu öffnen. Im Hintergrund das Tick Tack meiner gestörten Gedanken. Mein Körper wusste, ich musste atmen, doch mein Kopf schien sich nicht daran zu erinnern, wie man an Luft bekam. Meine Seele zog sich immer mehr in meinen Körper zurück. Schweifte immer mehr ab... Rot, Schwarz, Weiß. Rot, Schwarz, Weiß... Tick Tack.

Schmerz. Schrei. Wasser. Wasser in mir. Husten. Mehr Wasser. Mehr Wasser. Keine Luft. Kann... Nicht... Atmen... Rot... Schwarz... Weiß... Tick Tack...

Kämpfen... Leben... Liebe... Prim... Prim... Kämpfen...

Nur... Einen Moment... Ruhe... Ruhe... Schlafen... Schlafen... Schwarz... Schwarz... Tick Tack...

NEIN!

Meine eigene Stimme hallte in meinem Kopf wieder... Nein, nein, nein, nein!

Augen auf! Nur ein Zug! Nur ein Zug... Nur einen Zug... 

Mein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche... Luft... Luft... Luft... Husten, keuchen... Wasser... Untergehen... Zu viel Wasser... Zu viel Wasser.

Rot... Schwarz... Weiß... Schwerelos... Schwerelos... Schwarz. Dunkelheit. Ruhe. Tick Tack. Tick... Tack... Tick...

...Tack

Nein, nein, nein. Luft. Luft.

Erneut durchbrach kein Kopf die Wasseroberfläche. Ich zwang mich, weiterzuschwimmen... Nur... Ein wenig... Halt.

Stein unter meinen Fingern... Festklammern... Nicht loslassen... Atmen... Kanonenknall... Tod.

Mit dem Tod eines anderen übergab mein Körper das Wasser aus meinen Lungen. Ich hustete und spuckte Wasser. Bis ich mich fühlte, als wäre ich nur noch ein Brei ohne Lunge und stattdessen einem brennenden Feuerball im Körper. Mühselig zog ich mich auf die Speiche, an die ich mich geklammert hatte. Ich zitterte. Zitterte wie nie zu vor. Ich starrte in den pinken Himmel. Wartete darauf, nie wieder etwas anderes zu sehen. Sterne tanzten vor meinen Augen. Genau so viele Schwarze Löcher. Immer mehr. Immer größer wurde ihr Umfang. Schmerz. Zittern. Schwarz. Weiß.

Tötet mich! Bitte! Bitte... Ich krümmte mich zusammen. Blut... Noch mehr Blut... So viel Blut... Tiefer Schnitt quer über meinen Bauch. Blut. Schmerz. Luft. Atmen. Husten. Schwarz. Weiß. Tick Tack. Tod.

Tränen. Schreie. Schmerz.

Ich wollte, dass sie kamen... Wieso kamen sie nicht? Wieso kamen sie nicht... Wieso kamen sie nicht?

Kälte... So kalt.

Müde... So müde.

Schmerz... So viel Schmerz.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt