Kapitel 15

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Die Pferde vor uns trabten gleichmäßig im Takt von Trommeln. Wir bewegten uns auf das große Tor zu und als wir es durchtraten versuchte ich, zu lächeln. Doch es kam mir gequält und unecht vor.

Um uns herum jubelten die Leute. Das war zu viel für mich. Viel zu viel. Ich schloss die Augen, die Jubelrufe dröhnten in meinen Ohren. Ich atmete einmal tief durch und versuchte es erneut. Ich winkte und ließ mich von den Kapitolbewohnern bejubeln.

Tu es für Prim, redete ich mir zu, tu es dafür, dass Gale deinen Schmerz nicht sieht, dafür dass Posy nicht mit ansehen muss, wie du zerbrichst, gebe ihnen Hoffnung.

Ich winkte also. Ich winkte glücklich. Ich lächelte und zeigte meinen Dank, dass ich hier sein durfte, der so absurd war, und dann geschah es. Mich umschlangen orangene, rote Flammen, sie schossen bis hoch in den Himmel, sie erleuchteten alles in ihrem gelben Schein. Ich war ganz verblüfft. Ich merkte gerade noch, wie meine Feuergestallt in Großaufnahme erschien, wie alle sich zu uns umwendeten, dann war es vorbei und ich sah ganz anders aus. Mein Kleid war keinesfalls eine schwarze Kohle mehr, es glich eher der Flamme die daraus entstand. Fließend ging das schwarz am Saum über in rot, das strahlend glühte. Die Zotteln und Fäden waren verschwunden. Der Staub auf meinen Schultern und meinem Gesicht hatten sich in leuchtende orange Punkte auf meiner Haut verwandelt.

Katniss und Peeta, waren leuchtende Kohlen um mich herum, sie waren die Quelle meines Strahlens.

Ich war bestärkt und winkte nun etwas enthusiastischer. Ich lächelte ein paar der bunten Gestallten genau an, damit ich im Gedächtnis blieb und dann standen wir im Halbkreis mit den anderen Distrikten vor Snow.

Je dunkler es wurde, desto mehr leuchteten wir.

Ich hatte es letztes Jahr im Fernsehen bei Peeta und Katniss gesehen, doch selbst dabei zu sein, die Flamme zu sein, die Blicke der anderen zu spüren, war etwas ganz anderes.

Ich spürte, wie sich immer wieder die anderen Tribute zu mir umwanden. Mein Blick ruhte einmal kurz auf Distrikt vier. Auf Liam. Unsere Blicke trafen sich und ich blickte schnell wieder nach vorne zu Snow, der mit seiner alljährlichen Rede beginnen wollte.

„Willkommen, willkommen zu den 75. Hungerspielen!", ein tosender Applaus ging durch die Menge, „Dieses Jahr wird besonders spannend. Wir haben ein paar ganz besondere Tribute ausgewählt, um das 3. Jubel Jubiläum zu etwas ganz Besonderem zu machen. Die tapfersten der Tapfersten stellen sich erneut dem Kampf, um zu beweisen, wer der wahrhaftig Stärkste ist. Doch auch die Jüngeren unter ihnen werden beweisen, dass sie es wert sind, sich Spross eines Siegers zu nennen. Fröhliche 75. Hungerspiele und möge das Glück stets mit euch sein."

Die Wagen setzten sich wieder in Bewegung. Spross eines Siegers, dass ich nicht lache, ich war nichtmal mit einem Sieger verwandt. Ich hatte keine Chance gegen irgendwen hier. Außer vielleicht Lin... Die arme kleine Lin.

Wir fuhren in eine große Halle, kaum hatte der Wagen gehalten, sprang ich ab und machte mich auf den Weg zu den Fahrstühlen. Keiner hatte auch nur die Chance mit mir zu reden. Ich dachte mir nämlich schon, dass ich kurz davor war, wieder innerlich in mir zusammen zu brechen. Gerade als sich meine Fahrstuhltür schloss, quetschte sich ein Mädchen herein. Distrikt sieben, das erkannte ich gleich.

„Schicker Aufzug, Zwölf", sagte sie.

„Danke", murmelte ich mit gepresster Stimme. Bitte lass uns schnell in Stockwerk sieben ankommen, dachte ich innerlich.

„Ich bin Kathrin"; sagte sie, sie schien mein Desinteresse nicht zu interessieren.

„Liliana Hawthorne."

„Ich weiß, du bist du Cousine von Katniss Everdeen, mit dem sexy Bruder", sagte sie.

Ich machte „mhm" und hoffte endlich aus diesem Fahrstuhl zu kommen, um mich heulend in Selbstmitleid versunken unter meine Bettdecke zu verziehen.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt