Kapitel 6

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Als ich das nächste Mal erwachte ging es mir schon viel besser. Mein Rücken brannte zwar immer noch unerträglich, doch ich konnte irgendwie klarer denken. Ich öffnete die Augen, sanftes Morgenlicht fiel durch die Fenster herein. "Morgen, kleines", begrüßte mich Gale mit sanfter Stimme.
"Hast du hier die ganze Nacht gesessen?", fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. "Nein, etwa um ein Uhr nachts hat mich Prim ins Bett geschickt, aber um drei Uhr war ich wieder hier, ich konnte nicht schlafen. Es tut mir leid Lily", murmelte er.
"Ich hab dir doch schon heute Nacht gesagt, dass es nicht deine Schuld ist", erklärlich ihm. Ich musterte ihn ganz genau, ich kannte diesen Ausdruck, eine Mischung aus Sorge, Wut und einem Tick Verzweiflung. Er hatte ihn schon so oft gehabt.
"Tu nichts unüberlegtes", befahl ich ihm,"Sie warten nur darauf, dass du irgendwas anstellst und dann bist du weg vom Fenster. Könntest du jetzt Prim holen? Ich würde gerne aufstehen."
Er nickte und verließ den Raum.
"Bist du sicher, dass du schon aufstehen willst? Du solltest dich noch weiter ausruhen", prüfend sah Prim mich an.
"Ja, ganz sicher", ich wollte mich von Thread nicht unterkriegen lassen, er sollte sehen, wie stark ich war.
Das war einer der Momente in denen ich froh war, dass Prim so zu sagen eine Krankenschwester war, denn ich genierte mich manchmal vor fremden Leuten. Manchmal ärgerte ich mich deshalb über mich selber, aber ich war damit nicht alleine auch Katniss hatte es nicht gerne. Da fiel mir wieder ein, dass ich unbedingt mit ihr reden musste.
So half mir Prim und eine Stunde später stand ich angezogen in ihrem Zimmer.
"Was willst du jetzt machen?", fragte sie mich.
"Ich suche nach Katniss", antwortete ich ihr und sie sah mich ein wenig verletzt an. Ich verstand warum sie verletzt war, aber ich wusste auch, dass sie mich verstand. Deswegen antwortete sie mir auch:"Ist gut, ich sehe nach Lady." Prim verließ den Raum und ging in den Garten, wo ihre Ziege Lady stand.
Ich stand vorsichtig auf, noch immer fühlte ich mich schwach, aber an Ausruhen dachte ich gar nicht erst, ich war auch schon mit Grippe trainieren gegangen, also konnte das ja gar nicht so viel schlimmer sein. Jedoch hatte ich mich getäuscht, als Primrose noch an meiner Seite gewesen war, hatte ich mich auch schon öfter mal auf sie gestützt, aber ohne sie kam ich fast gar nicht voran.
Ich schloss kurz die Augen und ging dann zielsicher auf Katniss Schlafzimmertür zu. Mir war so ziemlich egal, ob sie schon wach war oder nicht. Ich musste sofort mit ihr reden. Obwohl... Sie hatte sicher schon genug Sorgen, vielleicht sollte ich sie, dann nicht auch noch mit meinen belästigen. Doch wenn ich ihr es nicht erzählte, könnte sie sich von mir hintergangen fühlen. Mit erhobener Hand zum Klopfen stand ich unentschlossen vor der Tür.
Plötzlich wurde sie aufgestoßen. Ich stolperte nach hinten und fiel hin. Vor Schmerz schrie ich auf. Wär ich doch bloß noch im Bett geblieben.
"Oh, Lily... Was machst du denn hier. Okay ist schon klar, aber du bist endlich wach?", murmelte Katniss erschrocken und half mir auf.
"Was heißt endlich?", fragte ich leicht verunsichert.
"Naja... Du hast seit Freitag durchgeschlafen. Es ist Sonntag", erklärte sie mir. Es war schon Sonntag. Das würde auch erklären, warum mich Prim hatte aufstehen lassen, sonst hätte sie mich noch zu mindestens einem Tag Ruhe gezwungen, aber jetzt dachte sie sich vielleicht, dass ich mich schonmal auf morgen vorbereiten sollte. Was ja auch stimmte.
"Ich muss mit dir reden, Katniss", sagte ich ihr nun.
Sie schloss nun die Tür hinter sich und antwortete:"Ja, okay. Schieß los." Wenn sie wüsste was ich ihr erzählen wollte, wäre sie nun nicht so unbeeindruckt.
"Irgendwo, wo uns ganz sicher niemand beobachtet oder belauscht", meinte ich eindringlich. Nun blickte sie doch etwas besorgt drein.
"Gehen wir in meinen Hobbyraum", schlug sie vor und zog mich schon in die Richtung des Zimmers.
Ich kannte den Raum. Es war mein liebster Raum im ganzen Haus. Einmal hatte ich mich sogar heimlich hier her geschlichen und niemand hatte es je herausgefunden, denn außer mir betrat ihn fast nie einer. Dabei wohnte ich hier nichtmal.
Wir gingen herein und wieder ließ ich die Farben der Probestoffe, die unzähligen Zeichenutensilien und den Geruch des Papiers auf mich wirken. Ein zum Schein unfertiges Kleid stand in der Ecke, Zeichnungen lagen auf dem Schreibtisch verstreut und - was niemand wusste - Entwürfe von mir lagen tief unten in der Schublade.
Katniss Hobby sollte das Designen sein, dabei waren fast alle Entwürfe hier von Cinna angefertigt worden. Jeden Monat wurde alles fertiggestellt und erneuert, nur damit weiterhin alle dachten, dass Katniss Hobby das Designen und nicht das Jagen war.
Sie setzte sich auf den Drehstuhl vor dem Schreibtisch, ich ließ mich auf einem anderen Stuhl nieder.
Eine Weile schwiegen wir uns an.
Ich fuhr gedankenverloren über eine Stoffbahn.
"Was wolltest du mir erzählen, Liliana?", fragte sie mich nun. Ich zuckte bei dem Klang ihrer Stimme leicht zusammen.
Ich kaute nervös auf meiner Wange und richtete die Augen auf sie. "Ich sollte dich nicht mit dem Problem belästigen, du hast schon genug. Ich weiß nicht, warum ich dich hierher geschleppt habe. Tut mir leid, dich von was auch immer abgehalten zu haben, ich geh jetzt lieber wieder", murmelte ich und ging schon auf die Tür zu, Katniss hielt mich auf.
"Ich weiß, dass du mich niemals um ein Gespräch gebeten hättest, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Also erzähl es mir lieber, auch wenn du unentschlossen bist. Es wird schon nicht schlimmer sein, als die Probleme, die ich schon habe, von denen ich hoffe, dass nicht noch mehr Leute von Ihnen wissen", die letzen Sätze sagte sie ziemlich gedankenverloren und sie schien sie eher zu sich selber zu sagen.
Ich ging wieder zurück auf meinen Platz.
"Okay... Wenn du meinst...
Es geht um Snow, nein es geht um Prim... Nein, eigentlich geht es um alle unsere Freunde und Verwandte...", versuchte ich die richtigen Worte zu finden. Reiß dich zusammen Liliana, sagte ich zu mir selbst. Ich atmete tief durch und fing nochmal ganz von vorne an.
"Es war Freitag Nachmittag ich hatte Gale gerade etwas erzählt, dass ihn aufregte und er ist in den Wald gerannt", Katniss sah mich unbeeindruckt an," Jedenfalls wollte ich ihm folgen und bin ihm nachgerannt und dann waren da Thread und zwei Freidenswächter. Sie nahmen mich fest, aber das ist nicht der Punkt", dann erzählte ich ihr wie Thread mir drohte und Snow plötzlich auftauchte, - an der Stelle zog sie zischend die Luft ein und begann auf ihren Nägeln zu kauen - ich fuhr bis zu der Stelle fort, an der Peeta mich fand. Da fiel mir auf, dass ich mich noch gar nicht bei ihm bedankt hatte.
"Gut, dass du es mir erzählt hast. Falls du merkst, dass er bald wieder auftauchen wird, benachrichtige mich. Ich überlege mir, wie wir fortfahren, aber er wird sicher auch bald bei mir auftauchen", meinte Katniss und wir gingen aus dem Raum.
Als wir die Tür hinter uns schlossen, wurde gerade die Haustür geöffnet. Peeta trat ein.
So schnell ich konnte ging ich auf ihn zu und... Blieb dann mitten vor ihm stehen. "Wie ich sehe geht es dir wieder besser. Hallo, Katniss. Ich habe euch Brot mitgebracht", sagte er trocken während er die Tür hinter sich schloss und sich den Mantel auszog. Ich nahm ihn ihm ab und hing ihn über die überfüllte Garderobe.
"Peeta...", murmelte ich und merkte wie mir Tränen in die Augen traten," Danke... Ohne dich wäre ich tot. Danke, Peeta. Ich kann es nicht oft genug sagen."
"Ich konnte dich doch nicht da liegen lassen", spielte er die Situation herunter.
Die Tür ging ein weiteres Mal auf.
"Mum", sagte ich während ich ihr schon um den Hals fiel. Ich merkte, wie ihre Tränen meinen Pullover nass machten. "Ich habe mir solche Sorgen gemacht meine Kleine. Ich...", stammelte sie. Ich strich ihr beruhigend über den Rücken. "Ich bin froh, dass du da bist.", sagte ich ihr mit fester Stimme.
Wir lösten uns von einander und sie merkte, dass Peeta immer noch neben uns stand, nun fiel sie ihm um den Hals. "Ich danke dir so unendlich viel." Peeta stand nur erschrocken da. Irgendwann schob er meine Mutter vorsichtig von sich weg.
Wir gingen in die Küche und Peeta reichte jedem außer mir eine Scheibe Brot. "Was ist mit mir?", fragte ich ihn verdattert. Prim stellte eine Suppe mit Kräutern vor mich hin. "Du kriegst das und wenn du fertig bist, gehst du wieder ins Bett", erklärte sie mir.
Schweigend machte ich mich daran meine Suppe zu essen.
Als wir fertig waren wollte meine Mutter wieder nach Hause aufbrechen, doch Katniss wollte noch etwas mit ihr besprechen.
Ich überzeugte Gale mit seinem Tag etwas sinnvolles anzustellen und auch er verabschiedete sich. Peeta ging ebenfalls nach Hause und nachdem Misses Everdeen in den Garten gegangen war, saßen Prim und ich alleine in der Küche.
Eine Zeit lang schwiegen wir uns an. Ich musste endlich reinen Tisch machen.
"Können wir reden?", fragte ich sie.
Primrose Gesicht hellte sich auf. "Natürlich", sagte sie.
Und ich fing an zu erzählen von meinem heimlichen Jagen, meiner Angst und den letzten Ereignissen. 
Prim sah mich sprachlos an. Dann fragte sie:"Nimmst du mich nächstes Mal mit?"
"Ich glaube nicht, dass es ein nächstes Mal geben wird, nicht so lange Thread da ist", gab ich ihr zu verstehen.
Sie nickte und meinte:"Ich glaube das ist nur vernünftig. Aber was machst du wegen der Sache mit Snow?"
"Ich weiß nicht. Ich ich habe schon mit Katniss darüber geredet und wir werden wahrscheinlich erstmal abwarten."
Wieder nickte sie. "Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast, dann weiß ich wenigstens worüber ich mir Sorgen machen muss. Ich glaube jetzt ist es Zeit dich wieder ins Bett zu schicken", meinte sie zwinkernd.
In einem der Gästezimmer legte ich mich ins Bett. Eigentlich hätte es überhaupt nichts gebracht aufzustehen, denn ich lag ja jetzt wieder im Bett.
"Soll ich dir noch was bringen?", fragte sie fürsorglich.
"Ja, die Hausaufgaben und Zeichensachen, bitte", ich hatte die Hausaufgaben noch nicht einmal angerührt und es waren zwei Aufsätze dabei und ein Lied musste ich bis morgen auswendig lernen.
Als mir Prim die Unterlagen brachte, fing ich mit dem ersten Aufsatz an. Wir sollten eine bedeutende Person aus dem Kapitol beschreiben. Natürlich würde ich Cinna nehmen, denn das war die einzige Person aus dem Kapitol, die mir bedeutend erschien. In letzter Sekunde entschied ich mich um, ich fing an den Aufsatz zu schreiben, über Präsident Snow.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt