Kapitel 17

2K 112 25
                                    

So schnell ich konnte, machte ich Liam ausfindig. Da war er. Er kämpfte mit einem Dreizack und war genau so gut wie sein Bruder. Ich würde doch nie gegen ihn und Finnick gewinnen können. Niemals. Ich würde Katniss nie da raus bringen können.

Trotzdem ging ich auf ihn zu. Besser hatte ich ihn für mich als gegen mich und wenn ich ehrlich war, konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass wir stritten. Ich mochte ihn doch.

„Liam?", fragte ich zögernd. Er erstach die Übungsfigur mit dem Dreizack.

„Was?", fragte er gereizt.

„Ich wollte mit dir reden", meinte ich, aber hielt Abstand zu ihm. Bei jedem seiner Hiebe auf die Figur zuckte ich aufs Neue zusammen.

Er ließ seinen Dreizack sinken und sah mich an. „Und wieso?"

„Ich... Ich wollte mich entschuldigen", murmelte ich.

„Aha"

„Liam, es tut mir leid, aber ich kann hier nicht gewinnen. Ja, ich würde gerne, kann aber nicht. Versteh mich doch!", erklärte ich ihm erneut.

Er stellte den Dreizack weg und musterte mich erneut. „Dann sag mir, was war gestern mit dir los?", fragte er mich.

„Was, das habe ich doch eben erklärt. Ich habe daran gedacht, dass ich nicht nachhause kann", sagte ich verwirrt.

„Das meinte ich nicht. Du hattest Schmerzen, das habe ich doch gesehen. Hast du dich beim Trainieren verletzt?", sagte er ruhig. Er war nun nicht mehr so abweisend wie vorhin.

Ich atmete tief durch. „Okay, ich zeig es dir", murmelte ich schließlich. Wir gingen in eine etwas ruhigere Ecke. Ich drehte mich um und machte meine Haare nach vorne, dann zog ich mein T-Shirt am Rücken hoch.

„Das war es", sagte ich.

„Wer war das?", fragte Liam atemlos.

„Unser Oberster Friedenswächter, Thread. Mein Bruder wäre bei einer seiner Auspeitschungen fast umgekommen. Ich um genau zu sein bei dieser auch fast. Peeta hat mich gerettet", erklärte ich ihm.

„Darf ich?", fragte er mich. Er meinte wohl, ob er die Narben berühren dürfte, etwa anderes konnte ich mir nicht vorstellen.

„Nur zu, sie schmerzen nur bei körperlicher Anstrengung", außerdem verließ ich mich darauf, dass er vorsichtig war. Ich fühlte wie seine warme Hand auf meinem Rücken die Narben nachzeichnete. Wieso um Himmelswillen gefiel mir das?

„Das ist schrecklich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es war. Darf ich fragen wegen was?", fragte er.

„Ich... Nun naja... Ich war zum Trainieren immer in den Wald gegangen. Einmal wurde ich erwischt", ich sagte nur die halbe Wahrheit.

„Du verheimlichst mir schon wieder etwas", meinte Liam enttäuscht.

„Erstens kenne ich dich doch kaum und zweitens glaube ich, dass die Wände hier Ohren haben. Ich kann und darf nicht darüber reden", erwiderte ich. Er nahm die Hände von meinem Rücken und ich ließ das Shirt herunterfallen.

„Ich wünschte, ich hätte es verhindern können", sagte Liam jetzt traurig. „Das möchte ich immer."

„Immer?", fragte ich verwirrt. Was meinte er damit?

„Die Auspeitschungen. Sie sind fast täglich in meinem Distrikt. Mich hat es nie getroffen, aber das liegt eigentlich nur daran, dass ich aus dem Dorf der Sieger komme. Bei den Ärmeren wurde wohl schon jeder einmal geschlagen", erklärte er mir betrübt.

„Ich dachte immer in den wohlhabenderen Distrikten wäre das anders. Ich dachte, die Friedenswächter wären nicht so streng", sagte ich und kniff meine Augen zusammen.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt