Kapitel 26

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„Verdammt, verdammt, verdammt, nein! Bitte, bitte wach wieder auf. Komm schon!", murmelte jemand über mir. Schon wieder... Konnte man hier nichtmal in Ruhe schlafen?

Verdammt, wieso waren meine Augenlider so schwer? Wieso gehorchte mir mein Körper nicht? Innerlich brach ich in Panik aus.

Kommt schon, nur einen Spalt, sagte ich meinen Augen. Es funktionierte... Was für ein Glück. Auch wenn es ein Kraftakt war, sie aufzubehalten.

„Oh Gott sei dank... Tu mir das nie wieder an, Lily. Nie wieder." Liam schloss mich fest in die Arme und küsste meinen Kopf.

Ich war ganz schlapp in seinen Armen. Er setzte etwas kühles nasses an die Lippen.

„Iss das. Mach den Mund auf", befahl er mir. Ich zwang mich den Mund zu öffnen und zu kauen. Mir kam es vor, als wäre das, das erfrischendste, das ich je gegessen hatte. Der Geschmack kam mir bekannt vor...

„Mehr...", sagte ich und gierte eigentlich nur nach der Flüssigkeit, die in dieser Frucht steckte. Er reichte mir ein weiteres Stück.

„Nicht so gut wie Wasser, aber... Es hilft erstmal", erklärte Liam und gab mir immer weitere Stücke.

„Du musst auch was essen", sagte ich.

„Hab ich schon, als ich sie gefunden habe", erklärte er mir. Ich schlug die Augen vollständig auf und sah ihn kritisch an. Konnte ich ihm glauben?

„Na gut, leg dich hin. Ich esse diese..." „Wassermelone" Richtig, der Name sagte mir was. „Und halte Wache, du schläfst ein wenig."

Er wollte etwas einwerfen, doch ich schmetterte jedes Argument ab. „Du bist dran, Liam. Ich habe mich die ganze Zeit ausgeruht, während du um mein Überleben gekämpft hast, außerdem sind wir in dem Busch eh so ziemlich vor allem sicher."

„Na gut, aber nur eine Stunde", gab er sich geschlagen. Natürlich würde ich ihn nicht nach einer Stunde wecken. Er brauchte den Schlaf mindestens genau so wie ich.

Er legte sich vor mir hin und ich begnügte mich mit einem neuen Melonenstück. Mir war noch immer schwummrig zu mute, aber ich war nicht mehr so unfassbar müde.

Wie spät es wohl war? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nur, dass es Nacht war. Ja, wirklich aufschlussreich...

Die Zeit verging quälend langsam. Und bei jedem Geräusch aus dem Dschungel zuckte ich zusammen. Also bei den Geräuschen, die anders waren, als die undefinierbaren anderen Geräusche. Es behagte mir hier im Dschungel ganz und gar nicht...

Irgendwann - seit Liam sich schlafen gelegt hatte, war eine Ewigkeit vergangen - griff ich nach dem letzten Wassermelonenstück. Flüssigkeit ade.

In der Zeit, in der ich aufpasste, wurde mir immer wieder bewusst, wo ich war und was ich getan hatte, was ich tun würde.

Nach einer Weile wünschte ich mir wirklich schlafen zu können, aber ich würde Liam solange nicht wecken, bis es nötig war.

Kurz bevor ich mir das letzte Stück der Melone nahm durchzuckten zwölf Glockenschläge die Nacht. Sie waren weit weg und wurden fast von den Dschungelgeräuschen übertönt, so dass Liam nicht davon aufwachte.

Das war jetzt aber auch schon eine Weile her. Ich hatte begonnen, in den sandigen Boden zu malen, als ein Kanonenschlag die Nacht durchzuckte. Natürlich schlug Liam davon gleich die Augen auf.

„Ich bin noch da", versicherte ich ihm. Doch innerlich war ich immer noch erstarrte. Ein weiterer tot. Waren es die Karrieros oder ein Grauen aus dem Dschungel?

Ich hoffte nur, dass es niemand von uns war...

„Du bist mit schlafen dran", sagte Liam.

„Ich hab kein gutes Gefühl dabei, wenn wir hier bleiben", gestand ich ihm. Der Schuss war nicht allzuweit weg von uns gewesen, aber das konnte auch täuschen, wenn es die Karrieros waren, würden sie mindestens in einer Stunde hier sein.

Die Tribute von Panem - Unerwartete RettungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt