Dark Side

Kapitel 41

Die ganze Taxifahrt denke ich darüber nach, ob ich das Richtige tue und ob ich die Anderen und vor allem Aidan nicht hintergehe.
Aber ich mache das ja für uns alle. Und wenn ich draufgehe, können wenigstens die Anderen endlich ein normales Leben führen. Vor allem James... Was er wegen mir alles durchmachen musste, ist echt unglaublich.
Und vielleicht gehe ich ja auch gar nicht drauf und kann mit Aidan endlich glücklich werden.

Genau in diesem Moment ruft Aidan mich an, doch ich drücke ihn weg. Kurz darauf ruft er mich nochmal an und auch Maya und Jamie versuchen es immer wieder.

Bevor die denken, dass mir irgendwas zugestoßen ist, schreibe ich Aidan eine kurze Nachricht.

'Tut mir leid, ich muss was klären.
Wir sehen uns später!

Ich liebe dich'

Bevor Aidan irgendwas antworten kann, schalte ich den Flugmodus ein.

„Da wären wir Miss," äußert der Taxifahrer plötzlich. Ich bezahle und verabschiede mich.

Vor dem Gebäudekomplex atme ich einmal tief durch und gehe schließlich rein.

Ich fahre in den 14. Stock und gehe zu meinem Apartment. Ich war so lange nicht mehr hier.
Ich überlege ob ich klopfen oder einfach mit meinem Zweit-Schlüssel eintreten soll.
Ich entscheide mich fürs Zweite und trete einfach ein.

Auf dem ersten Blick scheint die Wohnung leer zu sein.
Es fühlt sich extrem komisch an, wieder hier zu sein. Hier, wo ich schon so viel erlebt habe. Hier, wo Aidan und ich vor über zwei Jahren unserer ersten Treffen hatten, wo wir uns geliebt haben, wo ich getrauert habe als er weg war, wo Noah mir seinen Antrag gemacht hat und wo er mich geschlagen und vergewaltigt hat. Seitdem war ich nur nur noch einmal hier, um ein paar Sachen zu holen.

„Dylan, Jule?," rufe ich und gehe durch das ganze Apartment. Irgendwie sieht es chaotisch aus. Überall liegen Sachen auf dem Boden, teilweise auch kaputte Sachen und Scherben. Was ist hier bloß passiert?

Plötzlich höre ich ein Knacken.
Mein Herz schlägt so doll, ich hab das Gefühl es springt gleich aus meiner Brust.
Ich war schon in jedem Raum, bis aufs Badezimmer. Langsam gehe ich zu der Bad Tür und natürlich ist sie zu. Ganz langsam drücke ich die Türklinke runter und stoße die Tür auf.
Oh mein Gott.

Ich bin definitiv im falschen Film.
„Dylan? Fuck. War das Jule?"
Dylan liegt gefesselt und geknebelt in der Badewanne.

Auf einmal zappelt Dylan ganz wild und guckt hinter mich.
Scheiße.
Schnell drehe ich mich um und wie ich es mir fast schon gedacht habe, steht Jule hinter mir und hat  einfach eine Bratpfanne in der Hand.
Wollte sie mich damit etwa bewusstlos schlagen?
Auf einmal lässt sie die Pfanne auf den Boden fallen. Bei dem Knall zucke ich zusammen.
„Skyyyy," lallt sie und sie ist definitiv betrunken.
Ich betrachte sie von oben bis unten, bleibe allerdings an ihrem Mantel beziehungsweise an den Knöpfen ihres Mantels hängen. Es sind dunkelgrüne Knöpfe und genau einer fehlt...

„Fuck, du warst es wirklich. Du hast Lola getötet."
Jule fängt an zu lachen. „Nicht nur Lola," schmunzelt sie und fängt richtig gruselig an zu lachen. Auf meinem ganzen Körper breitet sich eine Gänsehaut aus.

„Jule was ist falsch mit dir?," fauche ich.
„Was falsch mit mir ist?? Du bist die Verräterin."
„Wieso ich? Was habe ich dir jemals getan? Wieso tust du mir das alles an?!" Ich bin außer mir und meine Stimme überschlägt sich schon.
Jules Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig und sie sieht plötzlich irgendwie traurig aus.

„Du hast mich im Stich gelassen. Du hast mich einfach in Deutschland zurückgelassen, wegen deiner scheiß Karriere. Du Schlampe hast nur an dich gedacht!," beginnt sie wieder zu schreien.
„Als du dann endlich dein perfektes Leben in New York hattest, deinen erfolgreichen Job, deine neuen super tollen Freunde, deinen perfekten Freund, erst James und dann irgendwann Superstar Aidan, hast du dich gar nicht mehr bei mir gemeldet. Ich war immer deine beste Freundin und auf einmal lässt du mich fallen."

Wow so habe ich noch nie darüber nachgedacht.
„Aus Eifersucht hast du so viele Menschen umgebracht?," frage ich ungläubig.
„Du wolltet Aufmerksamkeit und die wollte ich dir eben geben." Jule fängt gehässig an zu lachen.
„Für dich bin ich zum Serienmörder geworden, alles nur für dich. Ich wollte für dich einen ganz besonderen Fall schaffen, über den du schreiben kannst. Ich habe sogar anonym deinen Chef darum gebeten, dass du darüber schreibst. Sky, ich hab das alles nur für dich gemacht."

Mein Kopf dreht sich. Das ist doch alles komplett krank. Passiert das wirklich? Ist die Welt so krank? Ist Jule so krank?

„Wieso wolltest du James töten lassen?" Ich habe so viele Fragen, doch diese ist eine der wichtigsten.
„Er hat dich glücklich gemacht, genauso wie Aidan. Ich wollte nicht, dass du glücklich bist. Ich wollte, dass du bereust, nach New York gegangen zu sein. Ich wollte, dass du wieder zu mir nach Deutschland kommst."

„Und was ist mit Noah?" Ich starre Jule förmlich an. Ich kann das alles immer noch nicht fassen. Sie war meine beste Freundin. Sie war mein ein und alles und aus Eifersucht tut sie mir sowas an und tötet zusätzlich dutzende Menschen.

„Noah war kein schlechter Mensch. Ich glaube sogar, er hat dich wirklich geliebt." Erneut fängt sie an zu lachen. „Aber seine Sucht hat ihn kaputt gemacht und das habe ich mir zu meinem Vorteil gemacht." Die Art und Weise wie Jule alles erzählt, hört sich so an, als wäre sie stolz auf alles was sie gemacht hat und das ist so unglaublich ekelhaft. Irgendwas ist definitiv psychisch bei ihr im Eimer.

„Tja Jule, das ist jetzt alles endgültig vorbei." Ich bücke mich zu Dylan, um ihn endlich zu befreien, doch dann höre ich ein Geräusch, was mich erschaudern lässt. Hat Jule hinter mir gerade eine Waffe geladen?! Ich schlucke.

Ganz langsam drehe ich mich um und hebe meine Hände. Jule hat tatsächlich eine Pistole in ihrer Hand. „Woah ganz ruhig."

„Du hast Recht, Sky. Es ist vorbei. Es endet hier mit dir."

Sie richtet die Waffe auf mich und ich schließe einfach meine Augen. Wie gerne würde ich kämpfen. Wie gerne würde ich dabei zusehen, wie Jule verhaftet wird und danach Aidan in die Arme fallen. Wie gerne würde ich ihn nochmal riechen, ihn spüren. Wie gerne würde ich James wiedersehen und ihn und Jamie glücklich zusammen sehen. Wie gerne würde ich sehen, wie Alex wieder gesund wird und Maya und er ihr Happy End bekommen. Wie gerne würde ich mit meinen Freunden nochmal feiern gehen, in den Urlaub fliegen und einfach mein Leben genießen. Wie gerne würde ich nochmal mit Teddy kuscheln und mit ihm im Park spielen. Wie gerne würde ich Aidan heiraten und irgendwann eine eigene Familie mit ihm gründen.

Doch ich kann nichts davon mehr machen.
Ich kann nicht kämpfen.
Mein Schicksal liegt allein in Jules Händen.

Und dann ist es soweit.
Ich höre den Schuss.