9 | Lektionen

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- LILLY -

"Nya, achte auf deine Beinarbeit! Ruby, greif schneller und willkürlicher an! Zeig keine Furcht!", rief ich meinen Freunden zu, als ich sie gerade im Schwertkampf unterrichtete.

Beide konnten zwar gut mit ihrem Element umgehen, ließen aber im Nahkampf, ganz besonders mit Schwert, nach. Da ich hingegen mit Waffen gut umgehen konnte und dafür meine Elementarkraft schleifen ließ, halfen wir uns gegenseitig um besser zu werden. 

Auch die Jungs trainierten schon eifrig. Zane, Cole und Lloyd lieferten sich schon seit Stunden 1:1 Nahkämpfe. In den meisten Fällen gewann der Erd-Ninja, aber auch nur, weil er den Anderen in Sachen Stärke weit überlegen war. Lloyd hatte eine gute Taktik, die aber leider zu offensichtlich und sehr kräftezerrend war. Zane analysierte seinen Gegner, doch Coles unsystematische Angriff waren für ihn wohl zu viel.

Alles in allem schlugen wir uns aber gut. In letzter Zeit ging es immer nur um Training, Training, Training. Liebend gern würde ich auch mal wieder ein richtiges Abenteuer erleben. Eins, bei dem man mit Herz und Seele dabei ist. Eins, was man nicht so schnell vergisst. Eins, das einen kurz von seinen Pflichten löst.

"Sieht gut aus, Mädels", ertönte plötzlich eine Stimme hinter uns. 

"Mura, schön dich zu sehen!", sagte Ruby erfreut.

"Was führt dich zu uns?", fragte ich daraufhin.

"Ich hab euer Training schon eine ganze Weile beobachtet und da Kai gerade nicht hier ist, hab ich mich dazu entschlossen, euch heute zu trainieren", berichtete das Oberhaupt. 

"Bist du sicher?", meldete sich nun auch Nya zu Wort.

"Lilly, komm doch mal her und zeig, was du drauf hast!", sagte Mura, nachdem sie nickte.

Na klasse. Jetzt soll ich der netten Dame auch noch eine Kostprobe meiner Fähigkeiten geben. Ich war mir ziemlich sicher, egal was in den nächsten Minuten passiert, wird zu ihren Gunsten ausgehen. Aber wer widerspricht schon dem Oberhaupt?

Ich bewegte mich auf sie zu, begab mich in Kampfstellung und wartete. Doch Mura schien wohl auf meinen Angriff zu hoffen, also erfüllte ich ihr den Wunsch. Mein Körper bewegte sich. Er stürmte auf sie zu. Jene bewegte sich nun auch. Sie holte zum Schlag aus, doch ich wich aus. Ich landete hinter ihr und nutzte die Chance, doch sie parierte. 

Minutenlang ging dieses hin und her weiter. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Spektakel einige Dörfler und natürlich auch meine Freunde interessierte. Der grüne Ninja gegen die Herrscherin des Menschenreiches. Wer lässt sich sowas auch entgehen? 

Ich musste das beenden und packte deswegen eine meiner speziellen Attacken aus. Mura entging dies natürlich nicht und grinste breit. Wahrscheinlich wollte sie darauf hinaus. Ich lief auf sie zu, täuschte einen Angriff an, holte schnell mit meinem Katana aus und erwartete sie hinterrücks zu treffen. Aber Pustekuchen. Das Weib hatte das alles geplant. 

Sie schnappte sich meinen Arm, entwaffnete mich so perfekt, dass man gar nicht merkte, dass einem sein Schwert fiel, wenn man nicht hinschaute, und drückte mich dann zu Boden. Dabei verkeilte sie unsere Körper so miteinander, dass ich nicht einmal die Möglichkeit zur Wehr hatte. Ich keuchte kurz, schluckte danach aber schwer. Ohne auch nur den kleinsten Fehler zu machen, hatte Mura es echt geschafft, mich entspannt grinsend und ohne viel Anstrengung zu besiegen.

"Du bist besser geworden."

"Kommt jetzt die Standpauke?"

"Sensei Wu würde es wohl Lektion nennen."

"Wa-"

"Hör zu. Du bist noch viel besser geworden, als du es eh schon warst, und überragst damit fast alle hier. Dein Kampfstil ist verbissen, dein Strategie klug und deine Fähigkeiten außerordentlich. Dein Potential ist gewaltig. Ich bin wirklich fasziniert."

Moment. Irgendwas läuft hier ganz falsch. Warum wirft sie mir nur Komplimente an den Kopf. Ich dachte das hier sei eine Lektion? Also wo ist der Mach-das-das-nächste-Mal-besser-Teil? 

"Aber was sind das denn für wischi-waschi Schwerthiebe?! Echt. Und ich dachte, du bist der grüne Ninja, also wo ist deine besagte grüne Kraft, hä? Muss ich dir jetzt auch noch beibringen, wie man seine Elementarkraft nutzt?!"

Ich hatte mich zu früh gefreut.

Anstatt mich vor Muras Moralpredigten zu retten, lachten meine Freunde nur und genossen das Schauspiel. Vielen Dank auch. Nachdem das werte Oberhaupt seine Sensei-Rolle verließ, erhob sie sich endlich von meinem Körper und gewehrte mir Bewegungsfreiheit. Mühselig stand ich auf, klopfte mir den Dreck von den Klamotten und starrte in die erfreuten Gesichter meiner Teamkameraden sowie einiger Dorfbewohner. 

"Man die hats dir echt gezeigt!", rief Cole.

"Du bist also doch nicht unbesiegbar", grinste mein Bruder.

"Lasst das! Ich finde du hast dich echt gut geschlagen! Fast hättest du sie gehabt", ermutigten mich Ruby und Nya.

"Wow, hätte nicht gedacht, dass du so gut bist, also schon aber nicht so", sagte Harumi nun und Pixal stimmte ihr zu. Ich hatte mir noch kein Urteil über die Beiden erlaubt, aber sie schienen mir immer seltsamer. Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken.

* * *

Der Tag neigte sich dem Ende. Viele Stunden waren vergangen und die Sonne ging langsam unter. Der Himmel tauchte in ein sattes rot-orange und hüllte die Insel damit in eine verträumte Welt. Allerdings störte mich eines.

"Wo sind Kai und Jay?", fragte ich in die Runde.

"Sie sind seit ihrer Patrouille nicht mehr aufgetaucht und haben sich auch nicht gemeldet", erklärte Zane.

"Die kommen bestimmt noch", meinte Cole.

"Das denke ich nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass da was passiert ist."

"Ja, sie hätten schon vor Stunden hier auftauchen sollen", bekräftigte Nya mich.

"Wenn das so ist: Lilly, du bist die Anführerin. Was sollen wir tun?", fragte Lloyd dann.

Ich überlegte einen Augenblick.

"Wir suchen sie. Teilt euch in 2 Gruppen auf und brecht sofort in den Wald auf! Wir bleiben über die konfigurierten Headsets in Verbindung. Sollte eine Gruppe sie finden, gibt sie der anderen unverzüglich Bescheid. Harumi, Pixal ihr bleibt hier und berichtet Mura von unserem Plan. Alles klar?"

Jeder war einverstanden und wir machten uns auf den Weg. Lloyd, Nya und ich begaben uns in südliche Richtung, die Anderen in nördliche. Wir durchstreiften eifrig die Wälder mit nur einem Ziel: Kai und Jay unversehrt zu finden. Nach kurzer Zeit trafen wir auf ein von uns noch nicht erforschtes Gebiet. Es glich allem anderen auf der Insel, aber mit dem Unterschied eines tiefen Abgrundes und einer zerstörten Brücke in seiner Mitte.

"Wenn sie diese Brücke überquert haben, sind sie wohl abgestürzt oder auf der anderen Seite", stellte Nya fest.

"Wir müssen uns das da drüben genauer anschauen", meinte Lloyd.

Ich stimmte meinem Bruder zu und kontaktierte die Anderen. Wenig später hatten sie uns eingeholt und klügelten mit uns einen Plan aus, wie wir über diese Schlucht kommen würden.

"Nachdem uns Cole mittels seiner Erdbrücke auf die andere Seite gebracht hat, suchen wir alle gemeinsam in diesem Wald nach unseren zwei Vermissten. Wir haben keine Ahnung, was uns da drüben erwartet, also seid vorsichtig", erklärte ich.

Gesagt, getan, begannen wir unsere Mission und betraten den anderen Wald. Um möglichst unentdeckt zu bleiben, versuchten wir uns so langsam und effizient zu bewegen wie nur möglich. Doch als uns förmlich eine Geräuschwand entgegenkam, blieben wir geschockt stehen und betrachteten schweigend das, was sich vor uns abspielte.

Wir hatten sie gefunden...

𝗪𝗲𝗻𝗻 𝗱𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗮𝘀 𝗦𝗰𝗵𝗶𝗰𝗸𝘀𝗮𝗹 𝗲𝗶𝗻𝗵𝗼𝗹𝘁 || ɴɪɴᴊᴀɢᴏ ғғWo Geschichten leben. Entdecke jetzt