12 | Merkwürdige Stille

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- LILLY -

Familie und Freunde liegen oft nah bei einander. Zumindest für mich.

Man merkt es, wenn die Freunde zur Familie werden und die Familie zu Freunden. Wenn der Bruder zum besten Freund wird und der beste Freund zum Bruder. Wenn es gar keinen Unterschied mehr macht, ob man nun verwandt ist oder nicht. Wenn man sich einfach gut versteht. Sich um die Anderen sorgt. Gerne mit ihnen zusammen ist. Für sie alles tun würde.

Selbst wenn es Streit gibt. Hass entsteht. Konflikte vorherrschen. Wenn man in solchen Situationen zusammenhält. Sie meistert. Vergisst. Bändigt. Das macht eine Familie zur Familie und die Freunde zu wahren Freunden.

Die Bedeutung dieser zwei Worte hat sich seit meiner Kindheit von Grund auf verändert.

Früher wusste ich nicht mal, was eine richtige Familie ist. Etwa ein Vater, der nie zufrieden war? Eine Mutter, die mich verlassen hatte? Ein Bruder, der der Tyrannei unseres Vaters ausgesetzt worden war? Und ich, die totgeglaubt war? Meine damalige Ideologie bestand nur aus Überleben. Angst. Verzweiflung.

Erst nachdem ich diese Welt verließ lernte ich aufrichtige Menschen kennen. Menschen, die mir ein Zuhause gaben. Ein Ort zum Wohlfühlen. Zum Leben. Ich lernte eine richtige Familie kennen und eine Freundin. Ruby. Sie war schon immer mehr als nur meine beste Freundin. Auch wenn wir in keinster Weise verwandt waren, war sie für mich schon immer wie meine Schwester. Die Art von Schwester, die einem hilft, egal was es kostet. Die einen aufmuntert in schwierigen Zeiten. Die bis zum Ende meines Lebens nicht von meiner Seite weichen würde.

Doch als dann das Schicksal an unsere Tür klopfte und meinte, wir sollen uns dem Ninja-Team anschließen, fanden wir dann unsere wahre Familie. Es dauerte nicht lange und wir alle wurden eins. Wir kämpften uns im wahrsten Sinne des Wortes durch schwere Zeiten. Es schweißte uns zusammen. Unser Team wurde zu Freunden. Zur Familie. Niemand könnte dieses Band jemals durchtrennen. Wir waren wie Geschwister durchtrieben von Ehrgeiz, die Welt zu retten.

Und die Ungerechtigkeit zu besiegen.

* * *

Die Sonnenstrahlen fielen schwach durch die Wände der Holzhütte. Sie fielen auf den matten Holzboden. Die schlichten Holzmöbel. Das leere aus Moos gebaute Bett. Und schließlich auf die beiden neben mir.

Kai und Lloyd.

Sie schliefen friedlich. Ruhig. Es hatte mich leicht verwirrt, als ich gestern Abend, nachdem ich mich zu Kais Bett schmuggelte, auch meinen Bruder in jenem Bett schlafen sah. Doch ich ignorierte es. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte mir der Feuer-Ninja auch schon mal erzählt, dass Lloyd, wenn der Albträume hatte, bei ihm schlief. Deswegen legte ich mich einfach dazu und genoss die Nähe der beiden.

Nachdem ich die zwei Schlafmützen noch etwas beobachtet hatte, stand ich auf und verließ das Zimmer. Ich ging zurück in meines, in dem Nya und Ruby auch noch keine Anstalten machten, wach zu werden, zog mich um und machte mich auf zu einem Spaziergang.

Morgens hatte man am meisten Zeit für sich, wenn noch niemand wach war und die Welt noch schlummerte. Der Morgentau fiel in Form von kleinen Tropfen von den Blätter. Die Sonne strahlte auch hier durch das undichte Blätterdach der Bäume. Der Wald erwachte langsam. Doch schnell bemerkte ich, dass ich nicht alleine war.

Ich spürte irgendetwas. Und noch dazu sah ich, wie sich die dunklen Blätter beugten. Jemand war hier. Blöd nur, dass ich eine Meisterin der Versteckspiele war.

"Harumi, komm raus. Ich tu dir doch nichts."

"Wow, du bist ja echt gut in sowas."

"Was machst du so früh hier im Wald?" fragte ich dann.

"Das könnte ich dich auch fragen. Aber gut. Ich wollte nur ein paar Blumen sammeln."

"Oh wer ist denn der Glückliche?"

"Ähm, naja", sagte sie verlegen und ertappt.

"Ich werde es schon nicht rumposaunen."

"Die- Die Blumen s- sind für... Lloyd. Er ist eigentlich echt cool und nett und da wollte ich ihm eine Freude machen. Tja. Ich muss dann auch weiter. Nicht, dass ich noch das Frühstück deswegen verpasse."

Und ich dachte, Jay wäre merkwürdig.

Nicht nur, dass Harumi auf meinen Bruder stand, ich meine, Chancen hätte sie wohl, so wie Lloyd sie seit ihrem ersten Treffen anstarrte, sondern auch dass sie gelogen hatte. Sie stotterte, was sie sonst nie tat. Wirkte unsicher. Ertappt. So als ob sie etwas Verheimlichte. Komisches Mädchen. Ich hoffe mal, dass sie uns keinen Ärger einhandelt.

Ich kehrte nach einer Weile ziellosen Umherschwirrens wieder zum Dorf zurück. Pünktlich zur Frühstückszeit. Schon als ich die große Halle betrat, hallten laute Stimmen in meinen Ohren.

"Und ihr habt euch ernsthaft mit diesem humorlosen Tölpel verbündet?", rief Mura ungläubig, während sie mit allen Ninjas am Tisch saß.

"So humorlos ist der gar nicht. Kokuo ist eigentlich total cool", meinte Jay dann erfreut.

"Ah, da bist du ja. Endlich mal jemand, der diese Diskussion hier unterbinden kann", sagte Kai erleichtert, als er mich sah, und ich mich zu ihm setzte.

"Sag mir nicht, Mura quetscht euch schon die ganze Zeit aus."

"Doch das trifft es ziemlich genau", sagte er.

"Lilly, sag du als Anführerin doch auch mal was!", bat mich Lloyd, der uns gegenüber saß.

Ich seufzte.

"Macht euch mal nicht ins Hemd. Mura wird sich schon wieder einkriegen. Spätestens wenn wir es geschafft haben, Garmadon zu besiegen."

Beide Jungs stöhnten entnervt.

Die Diskussion zog sich noch lange Zeit. Das werte Oberhaupt der Menschen schien wirklich einen ziemlich großen Groll gegen das der Yoi-Dämonen zu hegen. Ruby und Nya meinten allerdings, dass das ganze Drama zwischen den beiden wie in einer kitschigen Liebesgeschichte sei. Dass die zwei Liebenden sich anfangs bis auf die Knochen hassen. Dass sie doch eine tiefe Verbundenheit pflegen. Dass sie sich letzten Endes doch ihre Liebe füreinander eingestehen. Und dass sie sich dann endlich dem Knutschgewitter hingeben. 

Cole kam bei der Vorstellung fast sein Frühstück wieder hoch, während man in Jays Augen förmlich die Herzen blinkern sah.

* * *

"Ha! Verloren du Niete! 24:23 für mich!" provozierte ich meinen Bruder.

Wir wendeten uns wieder unseren Aufgaben zu. Und dazu gehörte mal wieder Training. Ich und Lloyd trainierten schon eine ganze Weile. Niemand wollte aufgeben und dem Anderen den Genuss des Sieges gönnen. Lloyd war zwar mein Bruder, doch in solchen Situationen war er vor allem mein Rivale, von dem ich mich nicht so einfach besiegen lassen möchte. 

"Das hättest du wohl gern!"

Tag für Tag wuchsen unsere Fortschritte. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Ninjago so hätten gar nicht trainieren können. Wir waren stärker geworden. Disziplinierter. Härter. Klüger. Und auch hatten uns, außer dem letzten Dämonenangriff, keine feindlichen Kämpfe auf dieser Insel erwartet. Es war irgendwie still. Zu still. 

Wie die Ruhe vor dem Sturm.

"Lloyd."

"Ja?" antwortete er mir und ließ für kurze Zeit seine Angriffe bleiben.

"Ich glaube, wir werden beschattet."

...

𝗪𝗲𝗻𝗻 𝗱𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗮𝘀 𝗦𝗰𝗵𝗶𝗰𝗸𝘀𝗮𝗹 𝗲𝗶𝗻𝗵𝗼𝗹𝘁 || ɴɪɴᴊᴀɢᴏ ғғWo Geschichten leben. Entdecke jetzt