Gespräche

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Inzwischen war Dienstag und ich sollte morgen mit dem Commander sprechen. Meine Mutter fuhr mich gerade zu dem provisorischen Büro von Dr. Leuenegger. Papa hatte sie extra einfliegen lassen, um mir in dieser Zeit zu helfen und ihr ein Therapiezimmer im hiesigen Firmengebäude überlassen. Er selbst war bereits dort und arbeitete. Er hatte mir gestern noch erklärt, dass er gerne noch etwas mehr Zeit mit mir verbringen würde, die Arbeit aber rufe. Ich wusste, wie wichtig seine Arbeit war und nahm es ihm nicht übel. Ich war schon glücklich das sie noch bis Ende Woche blieben und ich etwas mit meiner Mama unternehmen konnte. Sobald sie weg waren, gab es ja immer noch Amy und Dr. Leuenegger. Heute Morgen hatten die beiden mir gebeichtet, dass die 'einige Tage' eher ein/zwei Monate sein würden. In der Musik aus dem Radio versunken, merkte ich gar nicht, wie meine Mutter das Auto geparkt hatte und ich aussteigen sollte. Sie stupste mich an, schaute etwas besorgt, lächelte dann aber und meinte, dass sie in etwa zwei Stunden wieder da sein würde. Ich nickte, stieg aus dem Auto und betrat die grosse, lichtdurchflutete Eingangshalle des Aussenpostens der Wolf Company. Seit ich auf Oahu war, war ich nur ein einziges Mal hier. Auch wenn alles sehr modern und ohne viel Schnick-Schnack eingerichtet war, so fühlte ich mich trotzdem sofort zuhause. Die punktuellen Farbelemente und die vielen Naturmaterialien wie Holz und Schiefer erzeugten einfach eine wohlige Atmosphäre. Die Mitarbeiter am Empfang nickten mir zu, als ich an ihnen vorbei zu den Fahrstühlen ging. Da die oberen Stockwerke nicht frei zugänglich waren, aktivierte ich den Aufzug mit meinem Firmenausweis. Vor der Tür von Frau Dr. Leuenberger atmete ich nochmals tief durch und klopfte dann an.

'Herein. '
'Hallo Dr. Leuenberger '
'Hallo Alexandra, setzt dich doch bitte. '

Sie liess mir einen Moment Zeit, bevor Dr. Leuenberger zu sprechen begann. Sie fragte nach meiner Ankunft hier auf Hawaii und wie es mir in den ersten Wochen ergangen sei. Ich erzählte ihr, wie ich Amelie kennengelernt hatte, wie ich mit den Hunden und Pferden die Insel entdeckte und wie mein erster Arbeitstag war. Während ich erzählte, steuerte sie das Gespräch mit einfachen Fragen in Richtung Arbeit. Sie fragte nach meinen Empfindungen als Simon Hick ermordet wurde. Im speziellen sprachen wir über meine Gefühle und Flashbacks, die das Wiedersehen von Commander McGarrett auslöste. Sie fragte mich auch, ob mir die Atemübungen für solche Situationen geholfen hatten. Ich musste ihr gestehen, dass ich die Übungen in den Stressmomenten total vergessen hatte. Sie nickte und meinte nur, dass sie eigentlich nichts anderes erwartet hatte.

'Die meisten vergessen die Übungen in einer akuten Stresssituation. Das ist normal. Mach dir keine Gedanken. Die Übungen sind eher für Situationen, in denen du über längere Zeit Stress oder Angst hast.'

Ich nickte nur. Danach lenkte Dr. Leuenberger langsam in Richtung meiner erneuten Entführung. Sie erklärte mir, dass sie mich, wenn ich morgen mit Commander McGarrett sprach, begleiten würde.

'Da ich deine Erinnerungen nicht beeinflussen will, werden wir erst morgen, nach deiner Aussage bei der Polizei, die Ereignisse aufarbeiten. Ich bin nur dabei falls du eine emotionale Stütze brauchst. '

Wieder nickte ich nur. Sie schaute kurz auf die Uhr und meinte, dass die Zeit vorbei sei. Nachdem ich mich verabschiedet hatte, ging ich zurück in die Empfangshalle, wo meine Mutter bereits wartete.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Ich schaute auf den Wecker neben meinem Bett. Es war acht Uhr, aber ich fühlte mich als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen. Auch diese Nacht war nicht sehr erholsam. Sobald ich die Augen zugemacht hatte, war ich wieder in dem dunklen Keller oder zurück in Afghanistan. Irgendwann, so gegen zwei Uhr morgens hatte ich mich auf den Teppich zwischen Rajia, Sirko und Jari eingekuschelt. Die drei konnten mich halbwegs beruhigen, sobald ich aufgeschreckte. Schliesslich raffte ich mich auf und ging kalt duschen, um wenigsten etwas wach zu werden. Eine Stunde später stand meine Mutter vor der Tür um mich in den Iolani-Palace zu bringen. Phi hatte sich die Mühe gemacht, mir ein nahrhaftes Frühstück zu zaubern, aber ich kriegte keinen Bissen herunter. Also machte sie stattdessen ein Sandwich für nach dem Gespräch.

Wolf Saga - Heilendes WasserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt