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Vier Monate waren vergangen. Und wieder starrte Robert das Bild auf seinem Schreibtisch an. Der blonde Mann lächelte ihm noch immer entgegen. Man könnte meinen, es hätte sich nichts geändert. Robert wäre immer noch der glückliche Mann, der er in den Monaten davor war. Doch es hatte sich alles geändert. Und manchmal fragte sich Robert noch, ob das nicht alles nur ein Traum war. Ob er nicht am nächsten Morgen einfach wieder neben Christian aufwachen würde. Aber jedes Mal wurde er wieder enttäuscht. Es war Realität. Christian war nicht mehr da. Obwohl er ihn doch so sehr brauchte. So sehr liebte. Sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte. Und jetzt war alles vergangen. Seit diesem Sommerabend vor vier Monaten. Seitdem hatte sich alles verändert. Und Robert war nicht mehr der, der er zuvor war.

Doch noch immer machte ihn diese Ungewissheit schier wahnsinnig. Hätte er wenigstens Gründe, Fakten, Antworten. Doch Christians Verschwinden ließ so viele Fragen offen. Selbst die Polizei, das Bundeskriminalamt konnte nicht mehr ausrichten. Obwohl es doch um den Bundesminister der Finanzen ging. Er war einer der bestgeschützten Personen in Deutschland. Doch da hatten jegliche Behörden versagt. Oder sie konnten einfach nichts ausrichten. Immerhin war er in einem Autounfall mit anschließender Fahrerflucht verwickelt. Und Christian war nicht der Flüchtige gewesen. Sein Porsche wurde schwer beschädigt gefunden. Aber von Christian keine Spur. Oft wurden Robert und Christians Eltern gesagt, dass es kaum Hoffnung auf ein Überleben Christians gab. Diesen Unfall kann man nicht unbeschadet überstehen. Herr Habeck, es tut mir Leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber es gibt keine Hoffnung mehr. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass Herr Lindner jemals wieder zurück kommt. Und dies waren nur einige Sätze, die Robert in den letzten Monaten über sich ergehen lassen musste. Doch trotzdem laufen die Ermittlungen noch. Es gab immer wieder kleine, unbedeutende Hinweise, die Roberts Hoffnung wieder einen kurzen Moment aufleben ließ. Aber bisher waren diese Hinweise nie relevant gewesen. Aber sie ließen Robert nicht aufgeben.

Als er jetzt mal wieder einen kurzen Moment abschweifte, als er dieses wunderbare Bild von seinem Freund sah, was einen festen Platz in seinem Ministerbüro hatte, da wurde ihm wieder bewusst, wie glücklich er mit Christian gewesen war. Sie waren vor einigen Monaten zusammen gekommen. Obwohl sie beide Minister waren und eigentlich jede Vernunft dagegen sprach. Aber irgendetwas war da, was sie beide anzog. Und dann kam eins zum anderen. Robert und Christian kamen zusammen, so sehr sie politisch doch unterschiedlich waren und oft stritten. Aber das war das politische. Privat verstanden sie sich unfassbar gut und konnten kaum mehr genug  voneinander bekommen. Und das blieb nicht lange unbemerkt. Erst bekamen es zwangsläufig einige Kollegen mit. Und natürlich bestanden Zweifel, wie diese Beziehung funktionieren könnte. Auch in der Öffentlichkeit. Aber irgendwie konnten sie die meisten Menschen in ihrem Umfeld überzeugen, dass ihre Beziehung stark und unfassbar wichtig für sie beide war. So kam es, dass sie zunächst gegenseitig ihre Familien kennenlernten. Robert hatte direkt einen guten Draht zu Christians Eltern, die nun eine genauso schlimme Zeit durchlebten. Und auch Christian hatte Roberts Söhne direkt in sein Herz geschlossen. Wenn Robert nur an ihre erste Begegnung dachte, wurde ihm wieder ganz flau im Magen. Christian hatte sich auch für seine Jungs schnell zu einer Bezugsperson entwickelt.

Ihre Beziehung war nach einigen Monaten schon so gefestigt, dass sie eine gemeinsame Wohnung teilten, auch wenn Christian seinen Mietvertrag nicht kündigen wollte. Man wusste ja nie. Aber ihr Zusammenleben verlief gut, auch wenn sie sich nicht so häufig privat sahen. Meistens nur, wenn sie gemeinsame Termine hatten. Und da mussten sie sich natürlich zurückhalten. Klar. Aber sie waren sich irgendwann sicher gewesen, dass sie mit ihrer Beziehung an die Öffentlichkeit gehen sollten. Der Kanzler und ihre Kollegen hatten sie bei der Idee unterstützt und ihnen Zuspruch gegeben. Und dann hatte sie ein gemeinsames öffentliches Outing. Natürlich war das ein unfassbares Risiko gewesen, doch ihnen schlug in der Öffentlichkeit sowieso schon so viel Hass entgegen, dass es nicht mehr viel ausmachte. Und sie fühlten sich dadurch freier in ihrem Handeln. In ihrem Umgang. Das war drei Monate vor Christians Verschwinden gewesen. Und Robert fragte sich nach wie vor, ob vielleicht dieses Outing der Grund dafür war. Für das, was mit Christian geschehen war. Aber auch das war nur eine Spekulation.

Mit einem Klopfen an der Tür schreckte Robert auf und wartete darauf, dass jemand eintrat. Jedes Mal hoffte er wieder, dass es Christian war. Aber er wusste genauso gut, dass er es nicht sein würde. Christian würde nicht mehr an seine Tür klopfen und in sein Büro stürmen. Das war einmal. Stattdessen sah er, wie Annalena in das Büro trat. Einen leisen Seufzer konnte er sich nicht verkneifen.

"Robert hey, ist es so schlimm, mich zu sehen?", fragte die grüne Außenministerin und sehr gute Freundin Roberts.

"Nein, natürlich nicht. Komm rein. Ich hab nur nicht dran gedacht, dass wir einen Termin haben. Ich war gerade woanders mit meinen Gedanken."

"Ach Robert, vielleicht ist es nicht die beste Idee, das Bild von ihm hier so präsent stehen zu haben. So wirst du dich nie ablenken können."

Annalena kannte natürlich Roberts Gedanken und Gefühle. Immerhin war sie eine seiner engsten Vertrauen. Gerade hier im politischen Berlin. Und sie war auch die erste gewesen, die von ihrer Beziehung erfahren hatte. Und Annalena hatte sie unterstützt, jederzeit. Sie war die letzten Monate immer für Robert da gewesen, so sehr sie doch selber in ihrer Arbeit und ihrer Familie eingespannt war. Aber Robert war mittlerweile schon fast Teil ihrer Familie. Man sagt ja nicht umsonst, dass Freunde die Familie sind, die man sich selbst aussucht.

"Ich weiß doch. Aber wenn das Bild hier verschwindet, dann habe ich Angst, dass auch er immer mehr in meinem Leben verschwindet. Und diese Vorstellung ist schlimm. Ich will diesen Verlust noch nicht wahr haben.", erklärte Robert niedergeschlagen. Es war nicht so einfach. Er konnte Christian doch nicht einfach loslassen. Niemals.

"Er wird niemals aus deinem Leben verschwinden, Robert. Egal ob du ein Bild mehr oder weniger von ihm hast. Das ist doch ganz klar. Und niemand verlangt von dir, mit ihm und eurer Beziehung abzuschließen. Also nimm dir die Zeit, die du brauchst.", entgegnete Annalena ermutigend, weil sie genau wusste, dass eine Diskussion nicht wirklich half. Auch wenn sie manchmal innerlich dachte, dass es nicht sonderlich hilfreich war, wenn Christian allein durch Bilder noch so präsent war. Aber letztlich ging ja auch jeder Mensch anders mit Trauer um.

"Danke, Annalena. Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie dankbar ich bin, dass du mich unterstützt.", lächelte Robert leicht. Es war zwar ein gequältes Lächeln, aber immerhin war es eines.

"Das ist doch klar. Und bevor wir jetzt hier wieder in so eine miese Stimmung verfallen, lass uns erst einmal einen Kaffee trinken gehen."

Gesagt, getan. Die beiden Grünen liefen in eine andere Etage des Ministeriums, in der sich auch eine Cafeteria befand. Das war schon ziemlich praktisch. So hatten sie nach kürzester Zeit etwas Koffein in ihren Tassen und konnten sich noch einen kurzen Moment weiter privat unterhalten, bevor es gleich zu den Sachthemen kommen sollte.

"Gibt es denn irgendetwas neues in den Ermittlungen? Oder hast du mal wieder keine Infos bekommen, weil du ja nicht zur Familie gehörst?", fragte Annalena und spielte damit auf einige Probleme an, die sich in den letzten Monaten ergeben hatten. Robert hatte anfangs kaum Informationen von den Behörden bekommen. Immerhin war er nicht mit Christian verwandt. Nur nach langer Überzeugung und durch Mithilfe von Christians Eltern wurde er mehr und mehr in den Ermittlungen beteiligt. Gott sei Dank. Alles andere hat ihn wirklich wahnsinnig gemacht.

"Nee, zum Glück benachrichtigen mich die Ermittler nach wie vor. Aber viele relevante Informationen kommen nicht raus. Aber vor einigen Tagen hat sich wohl eine angebliche Zeugin des Unfalls gemeldet, die ganz in der Nähe des Unfallortes wohnt. Und diese meinte, dass der Porsche wohl schon einige Runden um den Häuserblock gefahren sei, sie aber nicht mehr beobachten konnte. Aber natürlich weiß kein Mensch, ob das glaubwürdig ist. Wenn sie das doch mitbekommen hat, warum dann nichts vom Unfall? Oder was danach passiert ist? Für mich passt das alles nicht zusammen."

Annalena nickte nur und bestärkte Robert ein weiteres Mal, nicht aufzugeben, auch wenn die Ermittlungen nicht gut voran gingen. Und Robert fragte sich erneut, wie solch ein Fall in Deutschland einem Minister und Spitzenpolitiker passieren kann.

Hier bin ich also wieder :) Lange hat es also nicht gedauert, bis ihr wieder etwas von mir lesen könnt.

Hier habt ihr also die ersten grundlegenden Infos für die Story bekommen. Sagt mir doch gerne, wie euer erster Eindruck ist! Habt ihr jetzt bestimmte Erwartungen? Und seid ihr weiter mit dabei, oder gefällt euch die Idee nicht so sehr?

Ich bedanke mich schonmal für euer Feedback und dass ihr auch hier wieder mit dabei seid und meine Story lest!

Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt