"Ist das etwas ernstes zwischen euch?"
Das hatte Martina Robert gefragt. Annalena und er. Robert würde lügen, würde er bestreiten, dass zwischen Annalena und ihm nicht in der Vergangenheit schon einmal etwas vorgefallen wäre. Das hatte seine Ehe damals ziemlich auf die Probe gestellt. Es war kurz nachdem Annalena sich von ihrem Mann getrennt hatte. Sie waren im gleichen Hotel, als sie ihren Parteitag veranstaltet hatten. Und irgendwie kam eins zum anderen. Robert hatte Andrea betrogen. Und das Verhältnis zwischen Annalena und ihm hatte es auch belastet. Robert wusste, dass es damals falsch war. Sie hatten nicht nachgedacht und impulsiv gehandelt. Ohne an die Konsequenzen zu denken. Und jetzt hatte er am letzten Abend mal wieder so impulsiv gehandelt. Nur, dass es dieses Mal nur ein Kuss war. Und dass er nicht direkt in einer Beziehung war. Obwohl es sich trotzdem wie ein Betrug anfühlte. Aber eigentlich hatten Annalena und er schon damals die Sache aus der Welt geräumt und hatten längst wieder einen guten Umgang miteinander gefunden. Sie waren beste Freunde. Trotz der Sache, die damals zwischen ihnen gelaufen war. Und er hatte damals gewusst, dass er nichts ernsthaftes für Annalena empfindet. Er hatte Andrea zutiefst geliebt. Und eigentlich war es jetzt nicht anders. Aber es war schon wieder passiert.
"Ich denke nicht. Aber es ist alles etwas kompliziert. Vor einigen Jahren, vor Christians und meiner Zeit, da war schonmal etwas zwischen Annalena und mir. Aber das war ziemlich schnell aus der Welt geräumt, ich war ja auch noch verheiratet. Ich habe es damals sehr bereut und wusste sofort, dass es falsch war. Und an unserer Freundschaft hat es auf lange Sicht auch nichts geändert. Aber Gestern habe ich sie einfach überrumpelt und ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Und ich wusste nicht sofort, dass es falsch ist. Es hat etwas gedauert, bis ich es realisiert habe. Ich habe glaube ich einfach Angst, dass ich damit einen großen Fehler gemacht habe."
"Wie hat sie denn reagiert?"
"Annalena war ziemlich ruhig und hat versucht die Sache klein zu reden. Aber ich weiß nicht, ob sie es wirklich so meinte. Ich glaube aber, dass sie weiß, dass meine Situation momentan ziemlich schwierig ist. Auch wenn das keine Entschuldigung dafür ist."
"Also würdest du nicht nochmal etwas ernstahftes mit ihr anfangen?", fragte Martina nochmal deutlicher. Und Robert musste leicht schlucken. Es war eine zu skurrile Situation.
"Nein. Ich liebe Christian. Das einzige was ich will ist, dass er wieder kommt. Bevor es keine Gewissheit gibt, was mit ihm passiert ist, kann ich sowieso nicht abschließen. Und will es auch gar nicht.", seufzte Robert. Und Martina lächelte leicht. Auch wenn sie Roberts Unsicherheit sicherlich wahrnahm.
"Dann sag Annalena das. Nicht, dass sie nachher irgendetwas anderes denkt. Das hat sie ja auch nicht verdient."
"Da hast du Recht. Danke für deinen Rat, Martina."
"Robert, ich muss dir danken. Dafür, dass du immer noch so für Christian kämpfst. Und ihn so glücklich gemacht hast. Und dass du selbst jetzt immer noch hier bist, andere Menschen hätten wahrscheinlich jeden Menschen, der mit Christian verwandt ist, nicht mehr sehen wollen nach den Geschehnissen. Ich glaube wir hätten uns in dieser Situation auch nichts anderes wünschen können."
Robert wurde es mal wieder zu emotional, weshalb er versuchte die Situation etwas herunter zu spielen. Für ihn war es selbstverständlich, dass er sich immer noch bei Christians Eltern meldete. Dass sie sich gegenseitig unterstützten. So machten sie die Situation vielleicht etwas mehr erträglich. Da es mittlerweile auch schon ziemlich spät war, begab sich Robert in das Gästezimmer. Einige Male hatte er dort mit Christian übernachtet. Aber die Erinnerung war nichts mehr, was Robert übermannte. Dafür war er nun schon oft genug alleine hier gewesen.
Kurz bevor er versuchen wollte zu schlafen, wollte er allerdings noch sein Jacket aufhängen, was er für seine offiziellen Terminen natürlich brauchte. Er öffnete also den Schrank und ihm fiel beinahe eine quadratische Schachtel entgegen. Die so groß war, dass sicherlich ein Buch reinpassen könnte. Im ersten Moment wollte Robert diese Schachtel wieder zurücklegen, allerdings fiel sein Blick dann auf deren Frontseite.
Für Robert zum Geburtstag, stand dort drauf. Robert musste schlucken. War das von Christian? Wahrscheinlich. Er hatte also schon längst ein Geschenk für seinen Geburtstag besorgt, bevor er verschwunden war. Denn Roberts Geburtstag war einige Zeit, nachdem er nicht mehr da war. Deshalb hatte Robert diesen Tag auch mehr oder weniger ignoriert. Aber jetzt hielt er hier ein Geschenk von Christian in der Hand, was er hier offensichtlich vor ihm versteckt hatte. Sollte er es öffnen? Einerseits fühlte es sich falsch an, ohne Christians Wissen das zu tun. Andererseits könnte es auch ein Hinweis bezüglich Christians Verschwinden sein. Unentschlossen hielt er die Schachtel in seinen Händen und starrte sie an. Vielleicht wäre es besser, nicht zu wissen, was sich dort drin verbarg. Vielleicht standen dort Dinge, die Robert verletzen würden. Aber er konnte es jetzt auch nicht mehr ignorieren. Also öffnete er die Schachtel und sah als erstes ein Selfie von ihm und Christian.
Es sah so aus, als ob es ein Fotobuch war. Und als er das Buch öffnete, was sich in dieser Schachtel verbarg, konnte er diese Vermutung bestätigen. Auf den Seiten verbargen sich viele Fotos von ihnen beiden, die in der Zeit, seitdem sie Minister geworden sind, entstanden waren. Robert wusste, dass er sie sich besser nicht anschauen sollte. Und die Kommentare, die Christian dort immer wieder drunter geschrieben hatte, nicht lesen sollte. Sonst würde er wieder viel zu emotional werden. Er hatte ja jetzt schon wieder einen Klos im Hals. Allein wenn er darüber nachdachte, wie früh sich Christian offenbar Gedanken über sein Geschenk gemacht hatte. Und genau dran gedacht hatte, dass Robert nicht so der Fan von teuren, materiellen Dingen war. Er hatte es einfach perfekt gemacht. Und dann fiel Robert ein Stück Papier in die Hand. Es war zusammen gefaltet und lag ganz hinten in dem Büchlein. Als Robert das Papier auseinander faltete, erkannte er, dass Christian offenbar einen Brief geschrieben hatte. Allein bei dem Gedanken breitete sich eine Gänsehaut auf Roberts Körper aus. Er hatte mit einem Mal Angst, dass dieser Brief Christians Verschwinden erklären könnte. Denn dieser konnte nicht lange vor dem Tag geschrieben sein. Und spätestens jetzt war klar, dass Robert diesen lesen musste. Vielleicht war es relevant. Er setzte sich also auf das Bett, denn ihm war jetzt schon schlecht. Und dann versuchte er Christians Schrift zu entziffern, was wirklich schwieriger war, als man denkt.
Lieber Robert,
Alles Gute zu deinem Geburtstag! Dein erster Geburtstag, den wir zusammen verbringen dürfen. Und ich hoffe so sehr, dass noch viele weitere folgen werden. Ich hoffe, dass dir das Geschenk gefällt, aber ich dachte, dass gemeinsame Erinnerungen nie schlecht sind. Und ich bin zuversichtlich, dass noch viele weitere Bilder hinzu kommen könnten. Ich weiß, die letzte Zeit war für uns beide nicht einfach. Das Outing war für mich doch schwieriger, als ich erwartet und gedacht hatte. Und ja, ich hab manchmal verzweifelt, wenn du es nicht mitbekommen hast. Aber ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war. Dass wir nur so langfristig glücklich werden können. Und das ist es, was ich mir wirklich wünsche. Dass wir auch nach unserer Zeit in der Politik gemeinsam glücklich sein können. Auch wenn es mal schwierig wird. Robert, bitte denk einfach immer daran, dass ich dich liebe, egal wie schwierig die Zeiten sind. Und dass wir das schon alles irgendwie schaffen werden. Ich hoffe, dass du einen wunderschönen Geburtstag hast und wir etwas gemeinsame Zeit haben. Auch wenn das wahrscheinlich mal wieder schwierig wird, mit der freien, gemeinsamen Zeit. Hoffentlich wird sich das in Zukunft auch etwas ändern. Aber ich verspreche dir, spätestens am Abend und der Nacht wirst du spüren, dass du Geburtstag hast und noch ein weiteres Geschenk von mir bekommen ;)
Happy Birthday
Dein ChristianMindestens eine neue interessante Info bezüglich Annalena und Robert ;) Denkt ihr, das hat noch weitere Auswirkungen auf die Story?
Und dann auch noch dieser Brief...
Ich danke euch fürs Lesen und hoffentlich bis zum nächsten Mal!
DU LIEST GERADE
Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn
Fanfiction! TW Verlust, Trauer! 4 Monate waren vergangen. Seitdem ist Christian aus Roberts Leben verschwunden. Spurlos. Roberts Leben ist nicht mehr dasselbe, wie zuvor. Er spürte Schmerzen, die er sich nie hätte ausmalen können. Und über allem schwebt die...