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Robert saß in Annalenas Büro im Auswärtigen Amt und hatte ihr von den letzten Tagen erzählt. Es waren nun schon wieder einige Tage vergangen, seitdem er aus den USA zurückgekehrt war und die Suche nach Christian beginnen konnte. Bisher gab es noch keine neuen Erkenntnisse, was Robert ziemlich auf die Folter spannte. Als Annalena ihn sah, hatte sie das auch direkt feststellen können.

"Huch, Robert. Schön, dass du da bist. Wie viele Nächte hast du bitte nicht geschlafen?", fragte sie hinsichtlich der tiefen Augenringe, die gar nicht mehr aus Roberts Gesicht verschwinden wollten.

"Schön dich zu sehen. Und frag besser nicht. Die letzten Tage haben mir keine Ruhe gelassen. Ich warte Tag und Nacht darauf, dass ich einen Anruf bekomme. So langsam habe ich die Hoffnung schon wieder aufgegeben."

"Ach nein, vertrau ruhig auf die Behörden. Sie werden ihn finden, da bin ich mir ziemlich sicher. Und dann könnt ihr einen Neuanfang starten."

"Ich hoffe es so sehr. Aber ich weiß, dass ich nicht mehr zu optimistisch sein sollte. Fast 5 Monate sind eine lange Zeit. Es kann so viel geschehen sein."

"Und damit du mal auf andere Gedanken kommst, hab ich einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir Heute Abend mit meinen Mädels einen Filmeabend bei mir machen. Luna und Mila würden sich sicherlich sehr freuen, dich endlich mal wieder zu sehen. Und du kannst vielleicht mal an etwas anderes denken.", schlug Annalena ihm vor. Und eigentlich war es eine gute Idee. Er sollte sich wirklich ablenken. Es brachte nichts, die Zeit einfach auszusitzen. Und die beiden Mädchen hatte er nun schon seit Jahren in sein Herz geschlossen. Insbesondere nach Annalenas Trennung von Daniel hatte er ihr oft mit den beiden geholfen. Und wahrscheinlich hatte er damit ein wenig die Lücke geschlossen, seine eigenen Kinder nicht mehr so oft zu sehen. Es würde sicherlich nicht schaden, wenn er Annalena und den beiden Mädchen einen Besuch abstatten würde.

"Das ist eine gute Idee. Schreibst du mir einfach, wann ich vorbei kommen soll? Aber wenn es für dich vielleicht etwas problematisch ist, wenn ich schon wieder bei dir bin, dann..."

"Robert, ich habe gesagt, dass ich dich gerne unterstütze. Alles andere ist mein eigenes Problem, ja? Ich dachte, das wäre klar.", machte sie dann sofort deutlich und Robert nickte nur. Dann besprachen sie noch einige wichtige Dinge, bevor Robert sich auf den Weg in den Bundestag machte. Die Fraktionen diskutierten heute ein Gesetz aus seinem Ressort und auch wenn er nicht sprechen würde, wollte er zumindest dabei sein. Ein wenig Präsenz zeigen. Dann wurde er zwar direkt angegriffen, aber gerade die Union machte es ihm immer wieder zum Vorwurf, wenn er an solchen Debatten nicht teilnahm. Deshalb saß er nun auf der Regierungsbank und begrüßte Christian Dürr neben ihm. Der offenbar auch anwesend war. Schon kurz nachdem er seine Unterlagen aus seiner Tasche ausgepackt hat, hörte er schon den ersten Angriff gegen sich. Es hätte ihn nicht verwundert, wäre dieser von der Afd gekommen. Aber offenbar machte auch die Union Gebrauch von Populismus.

"Und sie Herr Minister Habeck, von ihnen hört man überhaupt nichts zu der Problemlage. Stattdessen sind sie mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt und nicht mit ihrem Amt. Sie sind offenbar gar nicht in der Lage, dieses Amt gewissenhaft auszuführen. Es ist ja schön und gut, wenn sie versuchen sich durch irgendwelche Reden bei irgendwelchen Pafteitagen zu rehabilitieren. Aber offenbar sind sie nicht in der Lage, ihr Amt auszuüben. Treten sie zurück!"

Mit versteinerter, genervter Mine starrte Robert einen Moment zu dem Mann aus der Union und ignorierte ihn dann doch wieder. Solche Dinge hatte er nun schon allzu oft gehört. Es war nichts neues mehr. Und mittlerweile stand Robert drüber. Auch wenn es ihn immer wieder nervte. Er machte sein Amt gewissenhaft. Er war bei der Sache. Zwar nicht immer, aber in den entscheidenden Momenten. Und wirklich faktisch belegen konnte es doch keiner seiner Kritiker. Trotzdem nervte es ihn extrem. Damit vergiftete man nur den demokratischen Diskurs. Und das konnte doch eigentlich kein Demokrat wollen. Aber gut, Robert nahm es so hin und dachte sich seinen Teil. Als sein Handy aufleuchtete durchfuhr ihn mal wieder eine riesige Anspannung. Jedes Mal hoffte er, dass es das BKA war. Seit Tagen hoffte er es. Aber als er auf den Bildschirm sah, sah er nur, dass Jakob ihm geschrieben hatte. Enttäuscht seufzte er auf, was Dürr neben ihm dazu brachte, ihn verwundert anzuschauen. Robert schüttelte nur mit dem Kopf und lächelte dem Liberalen leicht zu. Am besten ignorierte er Robert einfach.
Und Robert ignorierte seinen Sohn, der das natürlich nicht verdient hatte. Aber er würde ihm später antworten. Das sollte schon passen.

Abends stand er vor dem Haus, in welchem Annalena schon damals mit Daniel gelebt hatte. Häufig war er dort gewesen, Daniel und Annalena waren wirklich zu Freunden geworden. Und irgendwann verschwand dann Daniel aus Annalenas Leben und Robert versuchte so gut es ging für Annalena, Luna und Mila da zu sein. Als er klingelte hörte er schon die aufgeregten Stimmen der beiden Mädchen. Und dann öffnete sich die Tür endlich und die jüngere der beiden fiel ihm in die Arme. Beziehungsweise hob Robert Mila dann hoch. Bei ihrer Größe war das kein Problem. Und auch Luna begrüßte ihn dann.

"Robiii, komm endlich rein. Mama wartet schon drinnen und wir haben schon ganz viel vorbereitet. Wir wollen endlich Filme gucken.", gluckste die Kleinere und Robert musste lächeln. Sie war genauso forsch wie Annalena, selbst mit ihren zarten 7 Jahren. Luna hingegen war etwas zurückhaltender, das kannte Robert nicht anders. Auf sie musste man anders eingehen. Im Wohnzimmer setzte Robert Mila dann wieder ab und begrüßte Annalena. Erneut an diesem Tag.

"Wie du siehst, haben wir schon ungeduldig auf dich gewartet. Jetzt fehlt nur noch der Film. Kann ich dir aber erst was zu Trinken geben?"

"Ja gerne. Mir reicht Wasser. Soll ich in der Zwischenzeit mal gucken, was die Mädels sehen wollen, oder habt ihr euch schon entschieden?"

"Nee, du weißt ja wie sie sind. Entscheidungen fallen schwer und Kompromisse noch schwerer."

Annalena war also einen Moment in der Küche verschwunden und Robert begab sich wieder zu den beiden Mädchen. Mit großen Augen schaute Mila zu ihm.

"Gucken wir Rapunzel?", fragte sie mit einem Hundeblick. Wie konnte man da nein sagen? Aber Robert merkte, dass Luna nicht so begeistert von der Idee war.

"Was möchtest du denn sehen, Luna? Hast du noch einen anderen Vorschlag?", fragte er also und wartete auf eine Antwort.

"Ich würde viel lieber Coco sehen. Rapunzel haben wir schon viel zu oft geguckt. Außerdem durfte Mila letztes Mal schon den Film aussuchen."

Etwas beleidigt schmollte die Jüngere zwar, schien dann aber doch zufrieden mit dem anderen Film zu sein. Und Robert wunderte sich, dass sie sich so schnell einigen konnten. Er musste sich einen Moment daran erinnern, wie das bei ihnen früher immer gelaufen war. Mit vier Jungs konnte man sich eigentlich nie auf einen für alle zufriedenstellenden Kompromiss einigen. Irgendwer war letztlich immer sauer. Aber das hatte ihre Familie auch irgendwie ausgemacht. Letztlich hatte es nämlich nichts daran geändert, wie groß ihr Zusammenhalt untereinander war. Ja, er vermisste diese Zeiten schon. Gerade wenn er Annalenas Mädchen sah. Noch einmal junger Familienvater sein. Das wäre was.

Der Film lief mittlerweile und Robert wurde von Luna zu einem Kopfkissen umfunktioniert. Die Ältere hatte ihren Kopf auf seiner Schulter abgelegt und schien glücklich den Film zu verfolgen. Und das beeindruckte auch Robert. Bei Luna war es wirklich nicht Normalität, dass sie sich jemandem so sehr öffnete. Es war ein gutes Gefühl.

Was jedoch schlagartig endete. Roberts Handy begann penetrant und laut zu klingeln, als sie gerade mal eine halbe Stunde geguckt hatten. Natürlich schlug sein Herz direkt schneller und lauter. Und damit er an sein Handy heran kam, musste er leider Luna zur Seite schieben. Sie alle starrten nun irritiert und gespannt zu Robert. Die Mädchen, weil sie nicht wussten was los war. Und Annalena, weil sie die gleiche Annahme wie Robert hatte.

Und tatsächlich. Das Bundeskriminalamt. Robert stand auf und verließ das Wohnzimmer mit einem Blick zu Annalena in Richtung der Küche. Jetzt war es soweit. Jetzt mussten sie etwas wissen. Sonst würden sie ihn niemals an einem Freitag Abend mich anrufen. Roberts Herz war in die Hose gerutscht und seine Finger zitterten, als er den Anruf annahm und seinen Namen nannte.

"Herr Habeck, sicherlich können Sie sich denken, weshalb ich anrufe. Es gibt neue Infos..."

Sorry für den Cliffhanger... ;)

Noch ein Kapitel heute Abend, was denkt ihr, was die neuen Infos sein werden?

Vielen Dank fürs Lesen!

Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt