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Nachdem dieses Schreiben veröffentlicht wurde, beruhigte sich die Situation für Robert und Christian zunächst ein wenig. Es waren einige weitere Tage vergangen, da sprach von ärztlicher Sicht nichts mehr dagegen, dass Christian entlassen werden konnte. Er musste zwar weiterhin immer wieder zur psychotherapeutischen Behandlung, denn gerade die Ermittlungen gegen die Menschen, die ihm das angetan hatten, laugten ihn umso mehr aus. Aber zum Glück wurde Rücksicht genommen. Er musste noch längst nicht die schlimmsten Details erzählen. Man ließ ihm Zeit. Und das war gut so.

Genauso wie die Entscheidung, wieder in Roberts Wohnung zu ziehen. Die ja eigentlich auch mittlerweile ihre gemeinsame war. Zwar hatte Christian zunächst damit gehadert, wieder in das alte Umfeld zurückzukehren, aber es schien die richtige Entscheidung zu sein. Und für Robert hieß das, dass er wieder normal arbeitete. Daraus resultierte, dass sich die beiden nicht mehr so häufig sahen. Robert musste früh Morgens die Wohnung verlassen und kam in der Regel spät Abends zurück. Glücklich war insbesondere Robert damit nicht. Vor allem war es ja nicht mehr so wie früher, dass er Christian zumindest immer wieder während der Arbeit sah. Im Kabinett oder im Bundestag. Das war nicht mehr möglich. Aber wahrscheinlicher war es gut, dass es wieder ein wenig Alltag gab.

So saß Christian auch an diesem Tag alleine in ihrer Wohnung, obwohl die Sonne draußen schien und es das perfekte Wetter war, um etwas zu unternehmen. Aber immerhin war er vorhin schon bei seiner Therapeutin, was mal wieder ziemlich aufwühlend war. Vielleicht wollte er sich auch deshalb etwas ablenken. Das stellte er sowieso ziemlich schnell fest, seitdem er nicht mehr im Krankenhaus war. Er war nicht dafür gemacht, nur zuhause rumzusitzen und nichts zu machen. Auf Dauer brauchte er eine Beschäftigung. Da musste er dringend mit Robert drüber sprechen. Es war erst Nachmittags, weshalb Christian dann beschloss, dass er doch nochmal rauskommen musste. Alleine. Wobei, er war ja sowieso nicht alleine. Seinen Personenschutz hatte er auch nach wie vor, denn ohne diesen würde sich Christian nicht nochmal in Gefahr begeben. Beim letzten Mal hatte er ja gemerkt, dass es schlecht ausgegangen war.

Mit seinem verletzten Bein hatte Christian zwar Mühe, zu laufen, aber es tat ihm gut, die frische Luft und die Sonne auf seiner Haut zu spüren. Zum Glück lag ihre Wohnung so, dass ihm nicht allzu viele Menschen direkt in der Umgebung begegneten. Trotzdem spürte er immer wieder neugierige Blicke und ihm war klar, dass man ihn natürlich erkannte. Es war das erste Mal, dass er sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte. Und es war komisch und gut zugleich. Zum Glück kam er irgendwann an einem kleinen Park an einer Bank an, auf der er eine kurze Pause machen konnte. Er schrieb schnell Robert, dass er spazieren ist und alles gut sei. Sonst würde sich der Grüne sicherlich Sorgen machen. Und das musste ja wirklich nicht sein. So langsam merkte Christian wieder, je mehr sie wieder ein wenig in ihren Alltag zurückkehrten, dass er Robert wirklich liebt und braucht. Auch wenn er es ihm noch nicht wirklich zeigen und sagen kann. Hoffentlich wusste Robert einfach, dass er nach wie vor so für ihn empfindet. Aber es ist nunmal nicht so einfach für ihn.

Nachdem Christian einige Zeit so gedankenverloren auf dieser Parkbank saß, raffte er sich wieder auf und wollte seine Runde beenden. Dabei kam er an einem Späti vorbei, vor dessen Tür einige Zeitungen aufgestellt waren. Die letzten Wochen hatte er es tunlichst vermieden, jegliche Nachrichten zu lesen. Er wollte nicht damit konfrontiert werden, was in erster Linie über ihn geschrieben wurde. Aber auch sonst war die aktuelle Nachrichtenlage nicht das, was in seinem Fokus stehen sollte. Aber jetzt blieb er vor diesen Zeitungen irritiert stehen. Das, was er dort geschrieben sah, holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Und setzte ihm doch ziemlich zu.

Wahl eines neuen FDP-Vorsitzenden - Christian Dürr, Wolfgang Kubicki, Konstantin Kuhle und Linda Teuteberg stellen sich zur Wahl

Christian musste tief durchatmen. Es war klar, dass der Tag kommen würde, an dem es offiziell einen Nachfolger für ihn als Parteivorsitzender geben musste. Aber dass er in keinster Weise etwas davon mitbekommen hatte, das schockierte ihn doch. Und traf ihn auf dem falschen Fuß. Warum hatte sich denn keiner der potentiellen Nachfolger mal bei ihm gemeldet? Immerhin wussten sie doch alle, dass er wieder zurück in Berlin war. Und sie wussten auch, wie wichtig ihm diese Partei und dieses Amt gewesen waren. Dass er für die Partei immer alles gegeben hatte, soweit es ihm möglich war. Und jetzt fühlte er sich ein Stück weit übergangen. Auch wenn er wusste, dass es eigentlich nicht mehr seine Angelegenheit sein sollte. War sie aber doch irgendwie. Soweit konnte er sich dann doch nicht aus allem heraushalten. Das war seine Partei. Und würde sie auch immer bleiben. In allen anderen Zeitungen, die er sah, war das Thema auch auf dem Titelblatt. Und er stellte fest, dass es in wenigen Wochen wohl einen Parteitag geben sollte, bei dem das Ergebnis der Wahl bekannt gegeben werden sollte. Bis dahin konnte die gesamte Parteibasis wählen.

Verärgert lief Christian den restlichen Weg nach Hause. Mittlerweile wurde es auch schon dunkel. Es war ja Herbst. Zuhause angekommen hätte Christian am liebsten einfach irgendwas kaputt gemacht. War er der Partei so egal, dass man ihn einfach nicht informierte? Egal was es war, es machte ihn wütend. Auch wenn er bei den potentiellen Nachfolgern die Partei grundsätzlich in guten Händen sah. Naja, er hatte natürlich auch einen Favoriten, dem er am liebsten die Partei übergeben würde. Aber das war jetzt erstmal egal. Er verstand einfach nicht, wie dies alles zustande gekommen war.

Plötzlich hörte Christian wie sich ein Schlüssel in der Haustür drehte. Zunächst rutschte ihm mal wieder das Herz in die Hose, er hatte jedes Mal wieder Angst, dass dort einer seiner Peiniger stand. So unrealistisch es doch war. Aber als er dann Roberts vertraute Stimme hörte, war er wieder mal sehr erleichtert.

„Hey, was machst du schon hier?", fragte er überrascht, als der Grüne im Wohnzimmer erschien.

„Mein letzter Termin heute ist ausgefallen und ich bin wirklich lieber hier, als im Bundestag. Wie war's bei dir heute?", fragte Robert mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. War er doch auch ein wenig froh, dass Christian heute endlich aus Eigeninitiative aus der Wohnung gekommen ist. Etwas gemacht hatte.

„Ich habe heute unbeabsichtigt mitbekommen, dass es scheinbar bald einen Nachfolger als Parteivorsitzenden für mich geben soll. Und wer die potentiellen Nachfolger sind. Natürlich war mir klar, dass es so kommen wird. Aber es hat mich doch ziemlich auf dem falschen Fuß erwischt, dass man mich so vollkommen übergangen hat und ich nichts davon wusste. Ich verstehe es nicht. Wusstest du davon?", fragte Christian, während er unglücklich zu seinem Freund schaute.

„Ich habe es auch Heute erst erfahren. Die letzten Tage musste ich mich zu sehr wieder in meine Aufgaben einarbeiten, sodass ich parteipolitische Themen nicht wirklich mitbekommen habe. Oder einfach nicht beachtet habe. Sonst hätte ich mit dir gesprochen. Aber was möchtest du jetzt tun? An der Situation ändern kannst du ja nicht wirklich etwas."

„Ja, das stimmt. Ich weiß es nicht. Es ärgert mich nur wirklich. Ich denke ich würde gerne mit den vier potentiellen Nachfolgern sprechen, das ist das mindeste, was ich noch tun kann. Auch wenn ich gesagt habe, dass ich mich aus der Öffentlichkeit zurückziehe. Aber diese Partei war und ist so ein großer Teil meines Lebens, ich möchte zumindest hier noch einmal, wenn auch nur im Hintergrund, präsent sein."

„Das ist nachvollziehbar. Mir war es damals auch wichtig, die Parteiführung offiziell abzugeben. Wahrscheinlich kannst du so auch besser damit abschließen. Aber grundsätzlich bist du zufrieden mit den vier Kandidaten?", harkte Robert noch nach.

„Ja. Also natürlich habe ich einen Favoriten. Und ich denke, es könnte die Partei schlechter treffen. Vielleicht wäre es auch kein Fehler, wenn es eine Neuausrichtung der Partei gäbe. Mit Kuhle und Teuteberg hätte man das natürlich. Auch wenn beide nicht meine erste Wahl wären."

„Du wirst das schon schaffen Christian, ein Neuanfang wird auch in dieser Hinsicht sicherlich nicht einfach, aber wichtig."

Christian nickte nur, als Robert aufstand und sich etwas zu trinken holen wollte.

„Ach und bitte sorg dafür, dass es nicht Kubicki wird. Dann sprengt der die Ampel und ich bin meinen Job los.", lachte Robert halb im Spaß, halb Ernst gemeint. Besser nicht Kubicki.

Was sagt ihr, wer von den Vieren ist am ehesten geeignet? Ich danke euch fürs Lesen!

Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt