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Es waren einige Tage vergangen, seitdem Robert und Annalena miteinander gesprochen hatten. Und Robert fühlte sich immer noch schlecht. Aber in erster Linie waren seine Gedanken bei Christian. Wie eigentlich immer. Die Ermittlungen liefen weiter, aber es gab noch keine genaue Spur, wer genau zu dieser Gruppe gehörte, die vermutlich einen Anschlag auf Christian geplant hatte. Robert zerbrach sich jeden Tag den Kopf darüber, ob er nicht vielleicht doch etwas übersehen hatte. Aber ihm fiel nichts ein.

Und so sehr es ihn beschäftigte, ging das Tagesgeschäft doch weiter. Robert war mittlerweile in den USA, da er dort einige Konferenzen und Termine hatte. Es war immer etwas besonderes, bei solch wichtigen Partnern erscheinen zu dürfen. Aber seit Christians Verschwinden wollte er am liebsten so wenig entfernt wie möglich von Berlin sein. Es war naiv. Aber Robert fühlte sich so noch viel weiter weg von Christian. Obwohl er doch gar nicht wusste, ob er noch irgendwo da draußen war.

Es war früher Morgen, als das Vibrieren von Roberts Handy ihn aufschrecken ließ. Vor einiger Zeit hatte Christian ihn gerne so geweckt, wenn sie nicht nebeneinander schlafen konnten. Dann hatte der Liberale ihm direkt Morgens eine Nachricht geschickt. Wie sehr er das vermisste. Doch dieses Mal realisierte Robert, dass diese SMS nicht von Christian kam. Nachdem er endlich seine Brille gefunden hatte, die er immer mal wieder verlegte, öffnete er die Nachricht und wollte sein Handy am liebsten fassungslos wieder fallen lassen.

"Lange werden sie nicht mehr durch die Welt reisen können. Und dann wird es ihnen genauso ergehen, wie ihrem schmierigen, ekelhaften Freund. Sie werden schon noch sehen, was sie davon haben!"

Definitiv eine Drohung. Einfach per SMS. Robert musste schlucken. Und einen kurzen Moment tief durchatmen. Damit hatte er nicht gerechnet. Und es bestätigte jegliche Vermutung, dass es ein Anschlag auf Christian war. Mit zitternder Hand wählte Robert die Telefonnummer des BKA, die man ihm zugeteilt hatte. Und nach kürzester Zeit hörte er schon eine Stimme am anderen Ende der Leitung.

"Herr Habeck! Ich wollte sie auch gerade erreichen. Weshalb rufen sie an?", fragte Herr Müller, der scheinbar mal wieder Roberts Ansprechpartner war.

"Ich bin gerade in Washington auf Dienstreise und habe eine Nachricht bekommen. Um genauer zu sein, eine Drohung. Ich dachte, dass ich mich direkt an sie wende. Es hat mich nur gerade etwas aus der Bahn geworfen, wenn ich ehrlich bin."

"Leiten sie mir die SMS bitte weiter. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass diese noch hilfreich sein wird.", erklärte der Beamte. Was Robert doch etwas verunsicherte. Wieso sagte er das so? Es war doch definitiv ein wichtiger Hinweis!

"Weshalb nicht? Möglicherweise kann es helfen, die Gruppe zu identifizieren, die hinter der ganzen Sache steckt."

"Herr Habeck, deshalb wollte ich sowieso mit ihnen sprechen. Wir haben neue Informationen. Sie sollten schnellstmöglich wieder nach Berlin kommen, wenn es möglich ist. Es ist zumindest wichtig für unsere Ermittlungen."

Robert starrte schon wieder überwältigt auf sein Handy. Und fand keine Worte. Was hieß das denn alles? Es hörte sich nicht gut an, wenn er wieder nach Berlin kommen sollte. Oder war es doch ein Zeichen, was ihm Hoffnung geben sollte? Leise sprach er dann doch.

"Ich kann nicht einfach meine Reise abbrechen. Ich brauche den Grund dafür. Bitte sagen sie mir, was wissen sie?", flüsterte Robert beinahe.

"Normalerweise würde ich ihnen das sicherlich nicht am Telefon erzählen. Aber das ist dann eine einmalige Ausnahme. Wir konnten herausfinden, wer diese Gruppe ist, die diesen Anschlag auf Herrn Lindner ausgeübt haben. Und zwei Personen konnten wir schon festnehmen, wobei einer von ihnen auch gestanden hat, tatsächlich beteiligt gewesen zu sein. Das sind die neuen Entwicklungen."

Robert schlug sich die Hände vors Gesicht und kämpfte gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen an. Sie hatten die Menschen gefunden, die ihm Christian genommen hatten. Endlich gab es eine Erklärung. Endlich kamen sie voran in den Ermittlungen. Und vielleicht gab es ja sogar Hoffnung.

"Wir gehen nun davon aus, dass wir bald weitere Hinweise über den Verbleib weiterer Mitglieder der Gruppe bekommen und so auch die Frage geklärt werden kann, was mit Herrn Lindner passiert ist. Noch haben wir darauf keine Antwort. Aber wir sind einen riesigen Schritt voran gekommen. Und da es nun wirklich jederzeit zu neuen Erkenntnissen kommen könnte, wir Herrn Lindner möglicherweise sogar finden, sollten sie schnellstmöglich zurück nach Berlin kommen.", endete der Ermittler des BKA.

"Ja, natürlich. Ich versuche die nächste Möglichkeit zu nutzen, um zurück zu fliegen. Bitte halten sie mich auf dem Laufenden und vielen Dank für die Infos."

Robert hatte gerade aufgelegt, da war er schon zu seiner Sprecherin gerannt, die sich auch um die organisatorischen Dinge kümmerte. Er erklärte ihr die Dinge und stellte klar, dass er jetzt zurück müsse. Jetzt. Jede Sekunde, die gerade verging, war schon eine zu viel. Robert war unfassbar aufgebracht und nervös. Und aufgeregt. Aber irgendwie auch so zerrissen. Sie waren nicht mehr weit weg davon, Christian zu finden. Und dann hätte er endlich Gewissheit. Aber wollte Robert diese Gewissheit jetzt wirklich haben? Er musste dran denken, dass es auch schlecht ausgehen könnte. Dass Christian es nicht geschafft haben könnte. Diesen Gedanken musste er jetzt zulassen und er kehrte beinahe sekündlich wieder. Und stach in sein Herz. Er wollte nicht die Gewissheit haben, dass Christian für immer fort wäre. In den letzten Wochen und Monaten hat Robert mit Hoffnung gelebt. Aber jetzt könnte sich alles ändern und Robert könnte die Gewissheit bekommen, dass Christian nie wieder zu ihm zurückkehren wird. Nie wieder.

"Robert, wir können noch nicht zurück fliegen. Es scheint an der Regierungsmaschine technische Probleme zu geben, die erst behoben werden müssen. Und kein anderes Flugzeug fliegt jetzt nach Berlin. Also müssen wir noch warten.", erklärte Roberts Sprecherin, die zuvor in sein Hotelzimmer gekommen war. Und Robert hätte platzen können vor Wut. Das konnte doch nicht sein! Nicht jetzt! Es musste doch einmal etwas funktionieren! Er musste immerhin schnell zurück. Ungläubig schüttelte er den Kopf.

"Nicht wirklich, oder? Wie lange soll das dauern?", fragte er genervt nach. Auch wenn seine Sprecherin selbstverständlich auch nichts dafür konnte.

"Man hat mir gesagt, dass es einige Stunden, vielleicht aber auch mehr sein könnten. Aber wir sollten dann am besten schon soweit fertig sein, damit wir die erste Möglichkeit nutzen können. Ich habe schon alle Informationen weitergegeben und die Presse ist auch informiert. Also steht ansonsten der Abreise nichts im Weg."

Robert nickte nur dankend. Er war ja froh, dass man ihm diese organisatorische Arbeit abnahm. Und dass er sich da nicht mehr Gedanken drüber machen musste. Und zum Glück waren die Termine, die er eigentlich noch wahrnehmen wollte, nicht von der größten Relevanz. Es war zwar nicht optimal, aber es war nicht zwingend notwendig, dass er da war. Deshalb wartete er jetzt eigentlich nur auf das Signal, dass ihr Flugzeug starten könnte. Warum musste auch ausgerechnet jetzt so etwas passieren? Er wollte doch jetzt einfach nur zurück nach Berlin. Vielleicht waren sie Christian schon längst näher, als er vermutete. Und er hoffte es einfach.

Letztlich saß er ungeduldig auf seinem Hotelbett. Eigentlich sollte er trotzdem Arbeiten. Die Arbeit nicht liegen lassen. Aber er konnte sich nicht von dem Blick aus dem Fenster lösen. Er hatte einen perfekten Blick über die Stadt, die von Herbstlicht bestrahlt wurde. Und er konnte die kleinen Menschen sehen, die durch die Straßen liefen. Manche gehetzt, andere mit ihren Familien und wieder andere einfach alleine. Jeder hatte seine eigenen Gedanken und seine eigene Geschichte. Jeder hatte andere Sorgen und Nöte. Und es war immer wieder beeindruckend, wie klein ein Leben von weitem so scheinen könnte. Robert wusste, dass auch sein Leben und seine Sorgen nur ein kleiner Teil dieser riesigen Welt war. Aber dann konnten einzelne Gedanken doch alles vereinnahmen. Eigentlich verrückt. Wenn man bedachte, wie viele Dinge täglich passieren. Und trotzdem waren die Gedanken immer nur bei einer Sache. Bei Robert waren die Gedanken eigentlich durchgehend bei Christian. Und er wollte endlich zurück nach Berlin. Damit er erfahren konnte, wie seine, ihre gemeinsame Geschichte weitergehen würde.

Es geht weiter ;) Ich hoffe es gefällt euch!

Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt