Heute war ein vergleichsweise guter Tag. Es war Wochenende und Robert hatte etwas Zeit für sich, ohne Arbeiten zu müssen. Klar, er war immer erreichbar. Aber es brauchte auch mal Tage, an denen das eigene Wohlbefinden im Vordergrund stand. Und das war bei Robert seit Monaten denkbar nicht gut. Da ein schöner Herbsttag war, hatte er sich entschieden, in seine Heimat zu fahren und dort etwas Zeit zu verbringen. Er wollte mal wieder ans Meer und die Natur genießen. Und etwas laufen. Das würde vielleicht seine Gedanken etwas befreien.
So lief der Wirtschaftsminister alleine an einer abgelegenen Stelle durch den Sand, der unter ihm nachgab. Und er merkte kaum, dass schon Herbst war. Es war so warm, dass es noch locker Sommer hätte sein können. Diese Herbsttage hatten etwas schönes an sich. Etwas nostalgisches. Und irgendwie brachte dieser Moment, als Robert sich in den Sand setzte, auf die Wellen starrte und vollkommen alleine war, ein kleines Lächeln in sein Gesicht. Das war schon lange nicht mehr vorgekommen. Ansatzweise glücklich hatte er sich zuletzt nur noch mit Christian gefühlt. Wie er so darüber nachdachte, stellte er fest, dass es für ihn eigentlich nur noch die Zeitrechnung mit Christian und ohne Christian gab. Auch irgendwie seltsam. Aber in diesem Moment verspürte er einen kleinen Anflug von Glück. Dass er an diesem Ort sein konnte, mal nur für sich sein konnte. Auch wenn das sicherlich ein Risiko war, ohne seine Sicherheitsleute. Aber er war hier so abseits von der Zivilisation, dass er sich gegen Begleitung gewehrt hatte. Und wenn schon etwas passieren würde...
Auf jeden Fall war es ein besonderer Moment. Robert merkte, als er die Weite des Meeres sah, dass er seine Gedanken nicht immer nur begrenzen sollte. Sie führten immer nur von einem Aspekt zum nächsten. Immer von Christian zu seinem Verlust. Und mit einem Mal fragte sich Robert, ob er vielleicht doch noch etwas mehr Hoffnung haben sollte. Dass vielleicht noch nicht alles vorbei war. So absurd der Gedanke auch war. Aber in dem Moment spürte Robert ganz genau, dass es nicht richtig war, die Hoffnung aufzugeben. Ob das jetzt gut oder schlecht war, das könnten andere beurteilen. Aber es überkam ihn eine Gewissheit, dass Christian noch nicht weg sein konnte. Nicht für immer. Irgendwo war er noch. Aber eigentlich war es absurd. Es war auch einfach zu unrealistisch. Und Robert konnte sich selbst nicht verstehen. Er sollte nicht so denken. Sich nicht wieder mehr Hoffnung machen, als geboten war. Und jeder sagte ihm, dass es kaum noch Hoffnung gab. Oder gar keine. Aber war es nicht zu früh, um keine Hoffnung mehr zu haben? Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Christian ihm oft klar gemacht, dass er Hoffnung haben sollte und an sie glauben sollte. Vielleicht sollte er einfach auf Christian hören.
Throwback
Robert saß auf dem Sofa in Christians großer Wohnung. Sie waren nun einige Tage zusammen und eigentlich ziemlich glücklich. Aber Robert fiel es nicht so ganz leicht. Er hatte Angst, dass es zwischen ihnen nicht funktionieren könnte. Nicht, weil sie nicht ineinander verliebt waren oder es nicht wollten. Nein, er hatte Angst davor, dass es aufgrund ihrer Ämter und politischen Positionen nicht funktionieren würde. Und das wollte er nicht. Sie waren doch wirklich glücklich miteinander. Und es war alles so neu. Und Robert wollte sich auch darauf einlassen. Aber er hatte trotzdem Angst.
"Was denkst du, Robert? Warum bist du so schweigsam?", fragte Christian ihn. Und wirkte deutlich weniger unsicher, als er es selber war.
"Ich weiß es nicht. Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass ich wirklich glücklich mit dir bin. Unfassbar glücklich. Aber ich habe Angst. Angst, dass es mit uns nicht funktionieren kann. Spricht nicht eigentlich alles dagegen, dass eine Beziehung funktionieren könnte?", legte Robert seine Gedanken dar. Und schaute zweifelnd zu dem Liberalen.
"Vielleicht. Aber dann wäre das ziemlich objektiv betrachtet. Subjektiv betrachtet bin ich sehr überzeugt, dass wir das schaffen können und werden, wenn wir wollen. Allein unsere Gefühle sprechen dafür und ich hab das Gefühl, dass uns so schnell nichts auseinander bringen wird. Ich habe die Hoffnung. Und ich glaube, wenn wir ein bisschen Hoffnung und wahrscheinlich auch Glück haben, dann werden auch die äußeren Umstände uns nicht an unserer Beziehung hindern."
Christian nahm Roberts Hand und schaute ihn überzeugt an. Und Robert konnte bei dem Anblick nicht anders, als seine Lippen auf die des anderen Mannes zu legen. Christian hatte doch Recht.
Ja, Christian hatte damals schon Recht gehabt. Und der Gedanke daran schmerzte nun doch umso mehr. Robert vermisste ihn. Seine beruhigende Art, wenn Robert mal wieder zu viel grübelte. Seinen Humor, den er zweifelsohne hatte. Seine Risikofreude, die Robert manchmal verflucht und manchmal bewundert hatte. Er hatte Christian wirklich anders kennengelernt, als er ihn zuvor als politische Persönlichkeit kannte. Und er wünschte sich so sehr, dass er wieder bei ihm war. Es war einfach schrecklich ohne ihn. Und er wusste nicht, wann er jemals solch einen Schmerz verspürt hatte, als in dieser Zeit. Nach Christians Verschwinden. Nichtmal nach der Trennung von seiner Frau hatte er sich so elendig gefühlt. Aber gut, das war auch wieder wirklich etwas anderes gewesen. Und jetzt war der irgendwie schöne Moment, den Robert vorhin noch gespürt hatte, schon wieder vollkommen ins negative gerutscht.
Es war nicht schön, dort alleine am Strand zu sitzen. Es war überhaupt nicht schön, alleine zu sein. Es war nicht schön, immer wieder hoffen zu müssen. Wäre es nicht so viel einfacher, wenn Robert endlich wüsste, ob Christian je wieder kommen würde? Könnte er nicht einfacher abschließen, wenn er endlich Gewissheit hätte? Warum sollte er überhaupt noch hoffen?
Diese Gedanken trieben Robert mal wieder Tränen in die Augen. Er wollte so doch gar nicht denken. Aber er wusste doch auch nicht mehr weiter. Er war am Ende. Zumindest mental. Und er fragte sich, wann dieser Schmerz nachlassen würde. Würde das jemals passieren? Die letzten 4 Monate hatten da zumindest keinen Anlass zur Hoffnung gegeben. Der Schmerz ließ nicht nach. Aber eigentlich wollte er auch nicht mehr in Selbstmitleid versinken. Das mochte er eigentlich wirklich nicht. Er hatte gelernt, dass das nie gut ankam. Und es gab Menschen, die größere Probleme als er hatten. Aber trotzdem. Er wollte einfach nur, dass dieser Schmerz vorüber ging.
Langsam stand der Grüne wieder auf und ließ ein letztes Mal seinen Blick über das Meer schweifen. Nichtmal das schaffte es noch, ihn etwas länger als einige Minuten glücklich zu machen. Und das war eine enttäuschende Einsicht. Und wenn es nichtmal das schaffte, dann gab es nur noch eine Alternative. Er musste unbedingt seine Söhne wieder sehen. Und da er eh noch hier oben in seiner Heimat war, sollte das kein Problem sein. Er würde sowieso die Nacht in ihrem Haus verbringen, aus dem er vor einigen Jahren endgültig ausgezogen war. Aber Robert und Andrea hatten noch so ein gutes Verhältnis, dass er dort nach wie vor ein und ausgehen konnte. Und sie war immer noch wie eine Beste Freundin für ihn. Und das war in dieser Zeit äußerst wertvoll. Also machte sich Robert wieder auf den Weg und versuchte seine Gedanken zu seiner Familie zu lenken. Apropos, er sollte auch dringend mal wieder bei Christians Eltern vorbei schauen. Für sie war es genauso schlimm, besonders für seine Mutter. Die Robert wirklich nach kürzester Zeit in sein Herz geschlossen hatte. Und in den letzten Monaten hatte sich ihr Verhältnis nur noch mehr gestärkt. Aber jetzt ging es erstmal zu seiner eigenen Familie. Und als er ihr Haus von weitem sah, konnte er sich doch wieder etwas beruhigen.
Soo, noch ein Kapitel heute Abend, ich hoffe, euch gefällts. Und ja versprochen, bald gibt's mehr Action, gerade sind nur erstmal die Grundlagen wichtig ;)
Aber eine Frage hätte ich noch, gefallen euch Throwbacks oder findet ihr das eher langweilig? Lasst es mich gerne wissen!
Bis zum nächsten Mal :)
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Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn
Fanfiction! TW Verlust, Trauer! 4 Monate waren vergangen. Seitdem ist Christian aus Roberts Leben verschwunden. Spurlos. Roberts Leben ist nicht mehr dasselbe, wie zuvor. Er spürte Schmerzen, die er sich nie hätte ausmalen können. Und über allem schwebt die...