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Es waren einige Tage vergangen, seitdem Christian in die Charité gebracht wurde. Seitdem war viel geschehen. Robert hatte die meiste Zeit bei ihm verbracht, denn er brachte es nicht übers Herz, Christian noch einmal alleine zu lassen. Und Christian war nach wie vor ziemlich distanziert und konnte in den Ermittlungen noch keine wichtigen Aussagen machen. Dafür war er noch nicht bereit. Nichtmal Robert wollte er anvertrauen, was mit ihm geschehen war. Doch es gab auch eine gute Nachricht, seine gesundheitliche Lage war stabil. Natürlich noch nicht sonderlich gut, aber sie verschlechterte sich immerhin nicht.

Und am heutigen Tag würde Christian erstmals Besuch bekommen, der nicht zu seiner engsten Familie gehörte. Marco wollte ihn besuchen kommen und scheinbar schien sich Christian darüber zu freuen. So nahm es zumindest Robert war. Er zeigte mehr Freude, als Christian ihm manchmal gegenüber seiner Anwesenheit gezeigt hatte. Das traf Robert natürlich. Aber mittlerweile hatten sie beide psychologische Unterstützung und Robert erhoffte sich, dass die Situation so etwas leichter wurde. Und dass die Zeit ihr übriges tat. Und wenn Marco gleich bei ihnen eintreffen würde, dann würde Robert endlich mal wieder Zeit haben eine Runde zu joggen. Das brauchte er wirklich mal wieder, um seine Gedanken ordnen zu können. Und er wollte endlich mal wieder in seinem Ministerium vorbeischauen, denn es lag sowieso direkt gegenüber der Charité. Deshalb wartete nun auch Robert etwas ungeduldig auf Marco. Aber er hatte auch ein schlechtes Gewissen, denn er würde Christian erstmals wieder bewusst alleine lassen.

„Und es ist für dich wirklich in Ordnung, wenn ich gleich nicht da bin?", fragte er also noch einmal sicherheitshalber nach. Christian schaute von seinem Bett nur auf und nickte.

„Natürlich. Wir hatten doch schon drüber gesprochen. Ich kann dich nicht von allem abhalten."

Am liebsten hätte Robert gesagt, dass Christian ihn von nichts relevanten abhalten würde, denn er war das relevanteste. Aber in den letzten Tagen hatte Robert gemerkt, dass Christian damit nicht sonderlich gut umgehen konnte. Deshalb ließ er es einfach so stehen. Und ging vor die Tür, als es an dieser klopfte. Marco stand davor, doch Robert hatte die Tür noch einmal kurz geschlossen.

„Marco, schön dich zu sehen. Können wir noch einen kurzen Moment sprechen?", fragte er also.

„Ja natürlich. Was gibt es?", fragte der Liberale gut gelaunt. Er schien wirklich froh, dass er nun auch Christian wiedersehen würde.

„Ich hatte es dir ja schon ein wenig am Telefon gesagt. Bitte pass auf, was du Christian sagst. Er blockt ziemlich schnell ab. Und sei bitte nicht enttäuscht, wenn es nicht so gut läuft, wie du es dir vorstellst. Es ist ziemlich...schwer. Für ihn und für uns. Ich komme noch nicht wirklich an ihn heran und das wird man merken. Aber er freut sich glaube ich, dich zu sehen. Also macht das beste draus. Und wenn etwas sein sollte, sag mir bitte Bescheid."

„Ja natürlich. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Und jetzt nimm du dir auch die Zeit, die du brauchst."

Mit diesen Worten hatte Marco das Zimmer betreten und Robert stand alleine auf dem Flur. Naja, alleine war gut. Seinen Personenschutz hatte er natürlich auch dort. Und dieser folgte ihm auch direkt, als Robert Richtung Aufzug lief. Er würde nun kurz zu seiner Wohnung fahren und dort nach dem rechten schauen. Und er brauchte Sportkleidung, die hatte er im Krankenhaus natürlich nicht dabei. So verging dann schon einige Zeit, in der Robert im Auto durch Berlin gefahren wurde. Das letzte Mal war dies der Fall, als Christian in die Charité gebracht wurde. Vor einigen Tagen also. Und seitdem war so viel geschehen. Christian war wieder da, er lebte, ihm ging es den Umständen entsprechend körperlich gut, aber sonst war alles unfassbar schwierig. Robert kam nicht wirklich an ihn heran. Und er wünschte sich mal wieder, dass sie in ihr normales Leben zurückkehren konnten. In ihre gemeinsame Wohnung, die Robert jetzt betrat. Die ziemlich unordentlich war. Er müsste eigentlich dringend aufräumen, aber dafür wollte er sich die Zeit jetzt nicht nehmen. Viel lieber schnappte er sich seine Sportklamotten und begab sich wieder nach draußen.

Die kalte Herbstluft strömte ihm entgegen, als er aus dem Haus trat. Selbst beim Joggen brauchte er zwingend seinen Personenschutz. Manchmal tat es ihm wirklich Leid, was die Männer, die ihn schützen sollten, alles mitmachen mussten. So lief er dann aber los und wählte seine Lieblingsstrecke, die am Landwehrkanal entlang führte. Die Sonne kam auch immer wieder hervor und sonderlich viel los war auf dem Weg nicht. Natürlich, ab und zu wurde er blöd angeguckt und wahrscheinlich wurden auch einige Bemerkungen gemacht, aber da er sowieso Kopfhörer in den Ohren hatte, ignorierte er das Ganze einfach. Irgendwann war er an einer Bank angekommen, an der er gerne Pause machte. Es war eigentlich ein abgelegener Ort. Deshalb ließ er sich dort nieder und schloss einen Moment die Augen. Solch einen Moment von Ruhe hatte er nun schon länger nicht mehr erlebt. Und Robert stellte fest, dass er darauf achten musste, sich auch Zeit für sich selber zu nehmen. Jetzt, wo er mal wieder einen Augenblick Zeit für sich hatte.

Es funktionierte einfach nicht, wenn Robert sich von Morgens bis Abends nur Sorgen machte und es nie einen Moment der Ruhe, des Abschaltens gab. So half er Christian auch nicht. Und es schien ihm so, dass Christian dies vielleicht auch gar nicht wollte. Es sehr schnell als einengend empfand. Das belastete Robert, er wollte doch nur für Christian da sein. Wo er es schon knapp 5 Monate nicht konnte. Aber das war nicht zielführend. Es war eine niederschmetternde Erkenntnis, aber er musste es wohl verstehen. Gleichzeitig fragte sich Robert, was er besser machen sollte. Wie er die Situation verbessern konnte. Es für Christian angenehmer machen konnte. Wie er ihn wirklich helfen konnte. Und wie er sich nicht selbst verlor.

Dieser Gedanke war so absurd. Robert hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass Christian endlich wieder zurückkam. Aber jetzt war er trotzdem nicht glücklich. Und eigentlich hätte ihm das klar sein müssen. Aber so richtig verstehen konnte Robert es noch nicht. Er musste es gemeinsam mit Christian schaffen, die letzten Monate zu bewältigen. Aber dafür musste Christian es schaffen, darüber zu sprechen. Und für Robert war es wichtig zu wissen, ob Christian sich ihm gegenüber so abweisend verhielt aufgrund der Dinge, die ihm in den letzten Monaten angetan worden sind. Oder hatte es den Grund, dass er Robert nicht mehr wirklich vertraute. Robert nahm sich vor, dass dringend ansprechen zu wollen. Das war für ihn einfach unfassbar wichtig zu wissen und zu verstehen.

Als er gerade aufstehen und weiterlaufen wollte sah er einen Mann, der ziemlich zielstrebig auf ihn zukam. Und irgendwo her kannte er diesen Mann, konnte es aber nicht zuordnen. Sein Personenschützer war natürlich sofort alarmiert und stellte sich schützend vor Robert. Und dann fiel Robert ein, dass dieser Mann von den Medien stammte. Daher kannte er ihn. Was wollte der denn nun? Konnte man nicht einmal seine Ruhe haben?

„Herr Habeck, wann äußern sie sich zu Herrn Lindner und der Zukunft in ihrem Amt?", fiel der Mann direkt mit der Tür ins Haus. Sein Personenschützer versuchte diesen Mann direkt abzuwimmeln, aber der Typ war hartnäckig. Und ließ sich nicht so leicht loswerden. Robert seufzte auf und versuchte die Situation etwas zu entschärfen.

„Das werde ich ihnen ganz sicher nicht jetzt und hier sagen. Warten sie, bis ich etwas offizielles herausgebe. Auf anderen Wegen werden sie nichts erfahren.", versuchte Robert es, aber so wirklich wollte der Journalist nicht nachgeben.

„Wie ist der Zustand von Herrn Lindner?", fragte er einfach weiter und ignorierte Roberts Worte. Was diesen ziemlich nervte. Konnte man nicht mal die Privatsphäre einer Person respektieren? Offenbar nicht. Robert schüttelte nur genervt den Kopf und stand auf.

„Das geht sie nichts an. Und jetzt gehen entweder sie oder ich."

Da der Mann keine Anstalten machte sich zu bewegen, drehte sich Robert um und lief wieder los, gemeinsam mit seinem Personenschützer. Wie konnte man nur so dreist sein. Er verstand es nicht. Und eigentlich war er ja immer ganz freundlich den Menschen gegenüber, so war es zumindest sein Eindruck. Aber es blieb tatsächlich hängen, dass die Medien natürlich erfahren wollten, wie die aktuelle Situation ist. Und in gewisser Weise hatte die Öffentlichkeit und die Gesellschaft auch das Recht, dies zu erfahren. Es ging immerhin um den ehemaligen Finanzminister des Landes und um die Zukunft des Wirtschaftsministers. Es war schon relevant. Also musste er sich wohl bald auch da etwas überlegen. Am besten zusammen mit Christian. Noch eine Last, die nun auf seinen Schultern lastete.

So langsam neigt sich die Story dem Ende zu, einige Kapitel werden aber noch kommen. Habt ihr für diese noch irgendwelche Wünsche?

Ansonsten bis zum nächsten Mal!

Zerbrechen - Die Zeit ohne ihn Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt