Yoongi
"Bist du sauer auf mich?" Jimin hatte sich neben mich gesetzt, doch ich hatte ihn keines Blickes gewürdigt. Eigentlich hatte ich vorgehabt nicht beleidigt zu sein, aber dann kam er schmunzelnd auf mich zu und ich hatte meine Meinung geändert.
"Nein.", antwortete ich harsch, doch Jimin stupste mich von der Seite an. "Okay, vielleicht. Aber nur ein bisschen."
"Ach, Yoongi." Jimin lehnte sich gegen mich. "Es wird leider von mir erwartet mit den Töchtern anderer Häuser zu tanzen." Vorsichtig legte ich meinen Kopf aus seinen ab. Wie weit wollte Jimin eigentlich, dass man uns zusammen sah? "Ich würde auch viel lieber mit dir tanzen." Abrupt riss ich meinen Kopf wieder hoch.
"Warum eigentlich nicht? Lass uns tanzen." Zweifelnd schaute Jimin mich an.
"Hier? Yoongi, ich weiß nicht. Du bist... nun ja... kein Mädchen und wir sind hier unter Gesellschaft.", wand Jimin ein. Da schien im plötzlich eine Idee zu kommen, denn seine Mimik hellte sich auf. "Ich weiß aber was wir machen können. Komm mit." Jimin streckte mir seine Hand entgegen, die ich nur zu gerne annahm.
Er führte mich zu einem der Balkone. Die frische Abendluft traf in mein Gesicht, wie ein kalter Schwall Wasser. Der Ausblick war zwar sehr schön, aber wollte Jimin mir nur den zeigen?
"Ich kann nicht durch die Tür hinaus, da die Wachen, auf Anweisung meines Vaters, mich daran hindern würden. Aber nicht umsonst bin ich hier aufgewachsen." Jimin zog einen der Blumenkübel nach vorne, so dass man sich gerade dahinter quetschen konnte.
"Auf dieser Seite stehen ein paar Steine in der Mauer weiter hervor, wie bei einer Leiter. Die Mauer kann man also problemlos herunter klettern. Mein Bruder und ich haben das entdeckt als wir klein waren und vor einem der Festlichkeiten fliehen wollten.", erklärte Jimin während er schon hinter den Kübel schlüpfte.
In einer athletischen Geschwindigkeit kletterte der Prinz die Mauer hinab und sprang sogar die letzten zwei Meter runter. Das sah überhaupt nicht leicht aus. Ich drehte mich kurz um. Niemand schaute in meine Richtung. Also los.
Ich versuchte ebenso elegant über das Geländer zu klettern, doch ich wette ich sah das Gegenteil von Elegant aus. Tatsächlich konnte man seine Füße auf die Steine recht gut platziere, nur das festhalten war schwieriger.
Unten angekommen stellte ich mich mit Jimin unter den Balkon, damit falls jemand nach unten schaute uns auch nicht sah.
"Noch mal von vorne.", meinte Jimin. "Hallo, Yoongi."
"Hi.", sagte ich zurück und dann passierte etwas was ich nicht erwartet hatte. Jimin nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich zur Begrüßung. Das Gefühl war wieder unbeschreiblich. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen. Oder würde mich nie daran gewöhnen. Oder beides.
Leider war dieser Kuss viel zu kurz. Jimin löste sich von mir mit rosa Wangen. Jetzt ergriff ich die Initiative und hielt Jimin meine Hand hin.
"Darf ich um diesen Tanz bitten, mein Prinz?" Ich durfte Jimins kichern hören, der einen Knicks machte.
"Aber mit vergnügen." Ich nahm die führende Position im Walzer ein und lauschte auf die Musik. Sie war zwar zu hören, aber da wir nicht mehr im Ballsaal selber waren vermischte sich alles noch schlimmer mit dem Stimmengewirr.
Als wir den richtigen Takt gefunden hatten, tanzten wir unter dem Balkon unsere Kreise. Ich will nicht lügen. Ich hatte zwar die führende Position eingenommen, aber Jimin führte mehr als alles andere und gab mir sogar hin und wieder kleine Hilfestellungen.
Zwischen uns blieb es, abgesehen von Jimin Anweisungen, komplett still. Und das war schön so. Die Nacht war angenehm und ab und an hörte man die Tiere im Garten. Die Luft roch nach frischen Blumen und einem lauen Abend. Sie roch wesentlich besser als in der Stadt.
Wir hörten erst auf zu tanzen, als eine Stimme aus dem Gewirr von oben deutlich herausstach. Wie es schien war oben auf dem Balkon ein junges Pärchen, denn das Mädchen kicherte während der Junge sie lachend ermahnte still zu bleiben.
"Ich weiß, wie wir ungestört hier weg kommen. Sieh nur, da an der Mauer. Ich klettere vor und fange dich dann auf." Angst kroch in mir auf. Jemand würde direkt in unsere Arme laufen und entdecken, dass der Kronprinz nicht auf dem Fest war. Unser gemeinsamer Moment würde damit zu Ende sein. Vielleich für immer. Doch als ich Jimin anschaute grinste dieser nur verschmitzt.
Erst sah man nur die Schuhe des Jungen, dann sein Outfit und schließlich seine dunklen Haare. Wie Jimin sprang der junge Mann den letzten Meter runter und richtete sein Blick sofort nach oben. Er hatte uns noch nicht bemerkt.
"Okay, ich fange dich auf.", rief er leise nach oben.
"Aber nicht unter meinen Rock gucken.", ermahnte das Mädchen. Der junge lachte.
"Aber natürlich nicht, my Lady." Erst sah man den Saum eines rote Kleides, bis ein hübsches Mädchen zum Vorschein kam. Ich weiß wirklich nicht wie sie es schaffte in diesem Monster aus Stoff zu klettern und dabei auch noch anmutig auszusehen. Den letzten Meter sprang sie und wie versprochen fing der Junge sie auf.
Beide kicherten und küssten sich. Plötzlich räusperte Jimin sich neben mir und trat einen Schritt nach vorne aus dem Schatten heraus. Sofort fuhr das Paar erschrocken auseinander, doch das Gesicht des Jungen lächelte sofort wieder.
Er kam mir seltsam bekannt vor. Dann fiel es mir ein. Ich hatte ihn auf dem Familienportrait in Jimins Zimmer gesehen. Und jetzt, wo ich ihn so vor mir hatte, sah er Jimin erschreckend ähnlich. Man konnte auf der Stelle erkennen, dass sie Brüder waren.
"So so so, Jihyun." Jimin hatte einen gespielt strengen Ton aufgesetzt. "Schleichst du dich etwa fort? Auch noch in weiblicher Begleitung." Das Mädchen machte einen höflichen Knicks, wofür es längst zu spät war.
"Dasselbe könnte ich dich fragen.", konterte Jihyun. "Es ist dein Ball. Du solltest oben den Gastgeber spielen, tanzen und nicht hier mit Freunden töttern." Mit einem nicken zeigte er auf mich. Töttern?
"Na, macht das ihr weg kommt.", scheuchte Jimin das Paar weg. "Viel Spaß." Die beiden drehten sich noch ohne ein Wort um und gingen kichernd davon. Jimin kehrte zu mir zurück, immer noch mit dem grinsen auf den Lippen.
"Du musst wissen, mein Bruder und diese junge Dame hegen schon lange Gefühle füreinander. Ich schätze irgendwann wird er sie fragen, ob sie ihn heiraten möchte. Ich hoffe sehr diese Liebe verliert sich nie. Mein Bruder hat es verdient glücklich zu sein." Sehnsüchtig schaute er auf die Stelle, an der wir die beiden als letztes erkennen konnten, bis sie in der Dunkelheit verschwanden.
"Willst du auch eine Frau heiraten?", fragte ich vorsichtig. "Ich möchte dir da nicht im weg stehen. Du kannst wieder auf das Fest, um mit denen zu tanzen, wenn du willst." Jimin seufzte. Das auszusprechen hatte mich wirklich Überwindung gekostet. Ich wollte nicht, dass Jimin heiraten würde. Ich wollte nicht das er sich verliebt. Ich wollte nicht aus dieser wahrscheinlich letzten Zeitreise zurück in meine Zeit.
Jimin nahm meine Hand und schaute mir in die Augen. In ihnen lag Trauer, Verwirrung und ein wenig Hoffnung, bis sie schließlich Entschlossenheit ausstrahlten.
"Komm mit." Mit diesen Worten zog er mich an der Hand in einen anderen Teil des Gartens.
![](https://img.wattpad.com/cover/263185898-288-k478609.jpg)
DU LIEST GERADE
Timetraveller | Yoonmin
FanficYoongi ist eine freiwillige Versuchsperson von einem genial, verrückten Wissenschaftler. Es wurde eine Zeitmaschine erfunden und Yoongi reist zurück ins königliche Zeitalter. Doch leider taucht er in der Vergangenheit nicht wie geplant in einer Abst...