Teil 29 Die nächsten Jahre - Tim und Judith I

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Dann schauen wir doch mal bei den Berlinern vorbei. Wie es ihnen wohl ergangen ist?

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Einen Monat lang pendelten Tim und Judith glücklich zwischen der WG und ihrer Wohnung. Judith hatte große Ferien und Tim Semesterferien. Doch für ihn war das keine freie Zeit. 

Er musste an seiner Doktorarbeit arbeiten, Seminare vorbereiten für die Frischlinge, mit Kommilitonen für die Nachprüfungen lernen. Das gehörte zu seinen Pflichten als Stipendiat. Anfangs hatte er das von Sabine eingeimpfte schlechte Gewissen, wenn er Judith in ihrer freien Zeit alleine ließ.

Doch er bemerkte schnell und glücklich, dass von ihrer Seite keinerlei Vorwürfe kamen.
„Ich habe dich doch nicht als Spielzeug gebraucht, damit mir nicht langweilig ist!" gab sie ihm zu bedenken. „Du bist ein eigenständiger Mensch mit Aufgaben und Pflichten. Und ich bin es auch."

Da fiel eine riesengroße Last von seiner Seele. Er konnte befreit arbeiten, ohne sich ständig rechtfertigen zu müssen.

Judith beschäftigte sich mit einem Computerprogramm, das im nächsten Schuljahr eingeführt werden sollte, las verschiedene Schulbücher, die neu auf den Markt gekommen waren, strickte, besuchte ihre Eltern und Geschwister oder machte einfach einmal gar nichts.

Sie las viel, sah die Filme, die sie während es Schuljahres aufgenommen hatte.
Sie saßen auch nicht jede freie Minute aufeinander. Manchmal telefonierten sie nur, weil Tim zu müde war, weil es sich auch nicht mehr rechnete, mit der U-Bahn quer durch die Stadt zu fahren.

 Aber diese Tage waren eher selten, meisten bat er sie, zu ihm zu kommen, damit er sie wenigstens noch sehen konnte.

Sie brachte dann oft Essen mit und auch mal eine Flasche Wein, sie wollte nicht auf Kosten der Studenten leben. Es wurden immer lustige Abende mit den zwei Informatikstudenten, die aus reiner Gewohnheit kräftig mit Judith flirteten.

Manchmal schlief sie bei Tim, manchmal, wenn er früh raus musste, fuhr sie nach Hause. Er machte sich zwar immer Sorgen, wenn sie in der Nacht alleine unterwegs war, aber sie war ein großes Mädchen, und es stand ihm nicht an, sie zu bevormunden. Doch schlafen konnte er immer erst, wenn sie angerufen hatte.

Wenn er mal ein paar Tage Zeit hatte, gingen sie zum Tanzen, aber nicht in die feudalen Clubs, in denen Sabine verkehrte. Oder sie gingen ins Kino, ein paar Mal auch ins Theater, sie waren große Schauspielfreunde. Sie lasen Bücher gemeinsam, lagen dabei Arm in Arm auf dem Sofa.

Da wurden es aber meisten nur ein paar Seiten, die gegenseitige Nähe wurde schnell sehr erregend.
Sie genossen den Sex wie nie zuvor, liebten es, sich gegenseitig zu verwöhnen, konnten manche Nächte nicht genug voneinander bekommen!

Gleich am ersten Ferientag hatte sie einen Anwalt aufgesucht, um die Scheidung einzureichen. Sie hatte seinen Namen aus dem Internet herausgesucht, er hatte durchwegs gute Bewertungen erhalten. 

Doch schnell merkte sie, dass sie wahrscheinlich auf gekaufte Beurteilungen hereingefallen war. Das Büro war heruntergekommen, der Typ schleimig und ungepflegt.
Sie hatte sich schon gewundert, dass sie so schnell einen Termin bekommen hatte.

„Ah! Die Frau Stark. Die will sich scheiden lassen. Hat genug von ihrem Ehemann. Will was Neues im Bett. Wie wär's denn mit mir?"
Judith bekam einen Lachanfall, drehte auf dem Absatz um und verließ das Büro.

Sie beschloss, das nächste Mal mit der Auswahl ihres Anwaltes vorsichtiger zu sein.
Als sie Tim am Abend von dem Flop erzählte, lachte er herzhaft. Sie wartete auf belehrende Bemerkungen, Hinweise darauf, wie sie das Fiasko verhindern hätte können. Sie wartete auf Sätze, die begannen mit: „Du hättest...!" oder „Warum hast du nicht?" oder „Das nächste Mal musst du....!"

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