Teil 45 Das Verbrechen V

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Kira grübelte und grübelte. Was war die Verbindung zwischen den Familien, zwischen den Kindern?

Mehr aus Verzweiflung als mit Plan öffnete sie die Facebook-Seite der Mutter des ersten Opfers: Ronja Fellner.
Sie war ein Computer-Crack, hatte sie in den Akten gelesen, die Winter ihr geschickt hatte. Was sollte sie, Kira, denn schon finden, was diese arme Frau nicht entdeckt hätte? fragte sie sich.

Sie scrollte durch die Einträge.
Fotos von ihr und ihrem Mann in jüngeren Jahren.
Fotos mit den beiden und den Kindern des Mannes.

Fotos von dem Ehepaar mit einem Baby.
Fotos vom Ehepaar mit den Kindern, einem Baby und einer schwangeren Mutter.
Noch mehr solcher Fotos mit einer immer rundlicher werdenden Mutter.
Kira stutzte. Ihr Gehirn meldete irgendeine Warnung, aber sie verstand sie noch nicht richtig.

Sie suchte nach den Profilen des zweiten Ehepaares, Lara und Benedikt Gutenberg, fand aber nichts. Sie forschte in den Akten nach Namen aus der Familie.
Robert Sandner, der Ex der Frau.

Er war sehr aktiv auf Facebook. Fotos von ihm und seiner damaligen Frau, von ihm und wechselnden Partnern und auch mal Partnerinnen.

Fotos von seiner Exfrau mit neuem Mann und einem Baby. „Heute bin ich Patenonkel geworden!" stand darunter. „Das ist unser Kilian!"

Bilder von der Taufe, einem größer werdenden Jungen.
Dann ein Foto von seiner Ex. „Lara ist schwanger! Wir freuen uns alle sehr!" lautete der Text.
In Kiras Gehirn kribbelte es. „Lara ist schwanger!"
Nicht: „Lara ist wieder schwanger."

Da wusste sie auch, was sie bei den Staatsanwälten gestört hatte. Keine Fotos von einer schwangeren Frau vor dem ersten Kind!

Der Schweiß brach ihr aus. Hektisch suchte sie nach Tim und Judith Lehmann. Er war nicht zu finden, sie war mittelmäßig aktiv.

Hier gab es Fotos einer schwangeren Judith und einem strahlenden Tim, dann die Geburtsnachricht von Elias. Danach Familienfotos, schließlich die Meldung, dass Sarah geboren worden war. Keine zweite Schwangerschaft war auf irgendeinem Bild zu erkennen.

Kira wusste, dass sie etwas entdeckt hatte, und dieses Wissen ließ sie panisch werden.
„Pack irgendetwas zusammen, wir müssen weg!" schrie sie Robin zu.

Ratlos stand er neben ihr, als sie hektisch die Nummer von Ralf Winter wählte.
Er meldete sich mit gebrochener Stimme. „Wir haben einen vierten Fall!" Kira schossen die Tränen in die Augen! Verdammt! Sie war zu langsam gewesen! Sie hatte nicht schnell genug gedacht! Sie hatte versagt!
„Frag die Eltern, ob die überlebenden Kinder auf normalem Weg zur Welt gekommen sind! Ob sie adoptiert oder mit Leihmüttern geboren worden sind!" rief sie.

Ralf diskutierte nicht, sondern handelte. Er verstand zwar nicht warum, aber wahrscheinlich hatte Kira etwas entdeckt.
Hektisch telefonierten die Beamten, versuchten auch von den noch völlig verstörten Eltern des letzten Opfers eine Auskunft zu bekommen.

Als die Antworten auf Winters Computer landeten, wusste er, dass das der Durchbruch war.

Kira war mittlerweile per Bild zugeschaltet. Ralf fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Alle vier noch lebenden Kinder wurden von einer Leihmutter ausgetragen und geboren!" gab er weiter. „Zwei in der Ukraine, zwei in England! Die getöteten Kinder sind alle von den eigenen Müttern zur Welt gebracht worden."
Robin verstand Kiras Panik. Er raste los, warf wahllos Kleidungstücke von allen vieren in zwei Koffer, rief seine Kinder.

„Frag, ob ein Dr. Schneider den Kontakt hergestellt hatte!" wies Kira ihn an.
Wieder wurde telefoniert oder wurden die an der Videokonferenz Teilnehmenden gefragt.
„Ja!" kam Winters Antwort.
„Sucht ihn! Er ist der Schlüssel! Wir müssen weg! Wir waren auch da! Ich melde mich!" Mit diesen letzten Worten saß sie schon neben Robin im Auto, der wie ein Verrückter lospreschte.

Da hatte Kira noch eine Idee. Ihr war schlagartig eingefallen, woher sie das Gesicht des schmächtigen Mannes kannte, das in der weiblichen Version auf ihrem Handy war. Die Leihmutter in London! Eindeutig!
Noch einmal rief sie Ralf Winter an. „Zeig ihnen das Foto noch mal! Es ist eindeutig unsere Leihmutter!"

Dann machten sie beide ihre Handys aus. Man konnte ja nie wissen!

Robin fuhr zum Flughafen. Der nächste Flug, der ging, brachte sie auf Lanzarote.
Ununterbrochen sahen sich die Eltern um. Doch niemand, der an die Frau erinnerte, tauchte auf. Sie zeigten den Kindern das Bild auf dem Handy. „Seht euch das ganz genau an!" erklärte Robin. „Wenn ihr diese Frau seht, müsst ihr ganz laut brüllen und zu uns laufen. Ihr dürft sie niemals an euch heran lassen, ist das klar?" Nicola und Lukas zogen den Kopf ein. So ernst hatte der Papa noch nie mit ihnen gesprochen.

„Was ist eine Leihmutter?" fragte die Tochter. Irgendwie hatte dieses Wort etwas mit dem Fortfahren zu tun! Das wusste sie.

„Das erkläre ich dir bald einmal, aber heute nicht!" versprach ihr Papa. Damit konnte sie sich zufrieden geben.
Im Flugzeug ging Robin ein paar Mal im Gang auf und ab. Er wollte alle Gesichter kontrollieren. Die Stewardessen waren etwas nervös, weil er immer wieder im Weg stand. Doch er schenkte ihnen das berühmte Robin-Westen-Lächeln. „Ich habe ziemlich Flugangst! Aber verraten Sie es niemandem!"

Die Kinder verhielten sich still. Irgendwie fühlten sie, dass etwas Schreckliches geschehen war. Sie hatten in den letzten Wochen immer wieder ein paar Worte aufgeschnappt, von toten Kindern und so.

Die Mama hatte auch immer ganz viel am Computer gemacht, nicht geschrieben, aber irgendwas gesucht. Der Papa war mit ihnen weggegangen, hatte aber immer so sehr auf sie aufgepasst, irgendwie komisch.
Jetzt flogen sie plötzlich in Urlaub, und keiner hatte vorher etwas gesagt davon. Dann das Bild von dieser Frau!


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