Teil 50 Danach - Robin und Kira

41 9 7
                                    

Robin fuhr durch die Nacht.
Die Kinder schliefen auf dem Rücksitz.
Es waren brave Kinder, nicht so nervige Monster, wie man sie in der Werbung oder in Komödien oft sah.
Sie stritten fast nie.
Nicola hatte unendlich viel Geduld mit ihrem kleinen Bruder.
Das war das Erbe ihres Vaters, Kira war schon die Hibbeligere von den Eltern.

Robin dagegen war ausgeglichen und ruhig, was die Kinder anbelangte.
Von Anfang an war das so gewesen.
Ob er Nicola badete oder fütterte, er sprach leise mit ihr, sang ihr Lieder vor, streichelte liebevoll ihr kleines Gesichtchen.

Als Lukas zu ihnen kam, schloss er die Tochter in alles ein, was er mit dem Sohn machte. Dadurch entstand keinerlei Eifersucht.
Sie liebte Lukas von der ersten Sekunde an.

Kira quälte nicht die geringste Eifersucht.
Beide waren Papakinder, aber sie verstand die Kleinen auch.
Sie hätte auch Robin gewählt.
Den höchstattraktiven Mann, in den sie schon verknallt war, als sie ihn noch gar nicht kannte.

Alle Freunde hatten sie ein wenig belächelt wegen ihrer Schwärmerei.
„Hey, Kira! Das ist ein Rocker! Der schluckt alles, was auf dem Markt ist! Der holt sich täglich ein paar Miezen! Das ist ein eingebildeter Sonnyboy! Der taugt doch nicht für eine Beziehung!" So und schlimmer hatten die Kommentare gelautet.

Sie hatte gelächelt, hatte den anderen recht gegeben und hatte sich getäuscht wie sie.
Kein Mann war geeigneter für eine Beziehung als er, der hübsche Kerl, der von Jahr zu Jahr besser aussah.

Zu den Tattoos auf seinem Arm waren drei auf seinem Schulterblatt dazugekommen.
Eine Schwalbe mit einem Zweig im Schnabel für Kira, ein kleiner Ballon für Nicola und ein Baum für Lukas.

Kira hatte sich die Symbole auch stechen lassen.
Die Schwalbe stand für den Aufbruch in ein neues Leben, wie Noah es nach der Sintflut erlebte, der Ballon für die Welt der Lüfte, der freien Gedanken, der Baum für die Verwurzelung, die Erdung.

Solche Gedanken hatte Robin, der sensibelste Mensch, den sie kannte.

Kira hatte jedes Jahr einen Band über Kommissarin Barbara Pechstein geschrieben, hatte sich zusammen mit Robin zunehmend über die Verfilmungen geärgert.
Die Filme wurden immer hektischer, verbogener, hatten immer weniger mit den Büchern zu tun. Da erteilte sie keine Filmrechte mehr.

Mittlerweile hatten die Franzosen ihre Reihe entdeckt und sich in die Kommissarin verliebt.
Da das Nachbarland ausländische Filme nicht sehr schätzte, wurden alle Folgen neu verfilmt. Die Schauspielerin, die Barbara nun spielte, entsprach eher Kiras Vorlage.

Auch Robin war zufrieden. „Na, das Häschen ist schon was anderes als der deutsche Brummer." meinte er und ertrug lachend die Kopfnuss. „Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass du die beste Besetzung wärst!" schickte er nach.

„Aber ich kann kein Französisch!" erwiderte sie.
Er bekam einen Lachanfall. „Doch! Sehr gut sogar!" japste er und zog sie ins Bett.
„Robin!" keuchte sie entsetzt. „Du bist doppelter Familienvater!"

„In erster Linie bin ich ein fantastischer Liebhaber!" erklärte er nicht gerade bescheiden.
Die letzten Worte, die Kira für lange Zeit hervorbrachte, waren: „Wo er recht hat, hat er recht."

Die Filme wurden in Frankreich der Renner, ihre Bücher verkauften sich in deren Sog wahnsinnig gut, wurden auch noch in sieben andere Sprachen übersetzt.
Die Gelder flossen nur so auf ihr gemeinsames Konto.

Robin ging seltener auf Tournee.
Seine CDs liefen auch so wie verrückt.

Er hatte den englisch singenden Rocker hinter sich gelassen, sein Programm bestand zu 100 Prozent aus deutschen Titeln.
Er füllte mittlerweile Stadien, die Karten waren meistens innerhalb einer Woche ausverkauft.

Und immer noch konnte er nur auftreten, wenn Kira im Publikum war.
Und immer noch zerfloss Kira, wenn sie den heißen Typen da oben über die Bühne toben sah, wenn sie seinen ruhigen Balladen lauschte, von denen sie wusste, dass sie alle für sie geschrieben worden waren.

Er spielte auf den großen Festivals, auf Silvesterevents in Hamburg oder Berlin.
Immer öfter musste Kira am Ende der Konzerte auf die Bühne.
Die Menschen liebten sie, liebten ihre Liebesgeschichte.

Immer wieder forderten Sprechchöre: „Kira! Kira! Kira!"
Lachend stand dann Robin auf der Bühne.
Lachend rief er: „Ihr habt recht! Sie ist ja wirklich der hübschere Teil von uns beiden!"
Wenn er sie dann leidenschaftlich küsste, johlte das Publikum.
Er hielt sie bei den Zugaben im Arm, und Kira war jedes Mal im siebten Himmel, mindestens!

Mein Gott!
Wie verrückt ihr Leben doch geworden war!
Wie verrückt schön!
Wie unglaublich, seit sie das Backstage-Dinner mir diesem heißen Typen ersteigert hatte.

Nie waren 20.000 Euro besser angelegt gewesen.
Als ihr einmal diese Gedanken durch den Kopf gingen, musste sie schmunzeln.
„Warum grinst du so, heiße Biene?" fragte er sie.
Sie erzählte ihm ihre Gedanken.

Da wurde er plötzlich sehr ernst. „Weißt du, dass ich mich oft frage, ob wir uns je getroffen hätten, wenn du damals dieses Gebot nicht abgegeben hättest?"
Sie wusste um seine Grübeleien, schließlich hatte er eines seiner erfolgreichsten Lieder darüber geschrieben: „Was wäre wenn?", bei dessen Text er genau diese Frage stellte.

„Aber es musste so kommen, wie es kam. So verknallt wie ich in dich war, gab es ja keinen anderen Weg. Sonst hätte ich mich mit einem Poster vor die Bühne stellen müssen, auf dem stand: Robin, ich will ein Kind von dir!" erklärte sie lächelnd.

„Wenn du das getan hättest, wärst du in der ersten Nacht schwanger geworden!" versicherte er trocken, und seltsamer Weise glaubte sie sogar daran:
Dann kam ihm zu Bewusstsein, was sie vorher gesagt hatte. „Und du warst wirklich verknallt in mich?"

„Jaha! Wie ich dir schon so ungefähr hundertmal erzählt habe!" Sie verdrehte theatralisch die Augen.

„Echt? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass du das jemals erwähnt hast!" Sein Welpenblick sollte seine Aussage untermauern, schaffte es aber auch, sie schmelzen zu lassen.

So erzählte sie ihm wieder einmal, wie sie alle Fotos von ihm in der Presse angeschmachtet hatte, wie sie auf einem Videokanal immer wieder seine Auftritte aufgerufen hatte, wie seine CDs auf ihrer Anlage heiß gelaufen waren.

Tausend Küsse unterbrachen immer wieder ihre Berichte. Im Gegenzug erzählte er zum hundertsten Mal, wie seine Augen beim ersten Blick auf sie backstage gestolpert waren, wie er mit ihr vor den Journalisten geflüchtet war, wie heiß sie an diesem Abend ausgesehen hatte, wie verrückt er nach ihr war, als sie im Club getanzt hatten.

Wie ernst er es gemeint hatte, als er zu ihr sagte: „Ich will dich, Kira! Aber ich will dich nicht nur für eine Nacht!" Als aus seiner Verknalltheit und ihrer Schwärmerei Liebe geworden war.

„Ein paar Nächte haben wir seitdem schon absolviert!" stellte sie nüchtern fest.
„Absolviert!" meinte er lachend. „Ja, so könnte man das nennen. Und ich liebe es, zu absolvieren. Besonders bei Nächten!"
Den Beweis trat er sofort an.

Als sie nun in dieser Nacht an ihrer Wohnung in Hamburg ankamen, trug er die schlafende Nicola und sie den schlafenden Lukas nach oben.

Sie legten die Kinder ins Bett, trafen sich im Wohnzimmer, fielen sich in die Arme, taumelten ins Schlafzimmer.

Der Tag war emotional hart gewesen, aber er war wichtig gewesen. Für ihr Leben und für das der vier anderen Paare.
Sie würden es schaffen, alle würden es schaffen!

Weil ihre Liebe auch stark genug war.
Sie liebten sich lange in dieser Nacht nach diesem wichtigen Tag.
Sie liebten sich wild, sie liebten sich zärtlich, sie liebten sich, um zu vergessen, wie nahe sie am Abgrund gestanden waren, sie liebten sich, um nach vorne zu sehen.


FÜNFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt