Teil 32 Die nächsten Jahre - Julian und Ronja I

41 7 9
                                    

Auch in Köln wird es Nachwuchs geben, wie du sicher schon vermutest.

----------------------------------------------------------------------------------------

Von dieser Nacht an wohnte Ronja bei Julian, seinen Eltern, seinen Kindern. Sie fühlte sich einfach nur wohl. Plötzlich hatte sie eine Familie, hatte so etwas wie Eltern, so etwas wie Geschwister. 

Sie blieben im Gästezimmer, da mussten sie in der Nacht nicht ganz so leise sein, wie im Zimmer zwischen denen der Kinder.

Auch Julian schien nichts an dem Status Quo ändern zu wollen.
Seine Kinder waren gut versorgt und glücklich, wenn sie in die Kanzlei fuhren. Greta musste nicht die Schule wechseln, der Opa fuhr sie.

Patrick konnte schon alleine mit dem Bus ins Gymnasium. An seinem ersten Schultag begleiteten ihn Julian und Ronja. Er spielte zwar den Coolen, hatte aber doch je einen von ihnen an die Hand genommen.

Die Klassenlehrerin sah Ronja verwundert an. Was wohl dieses junge Ding da wollte? Bei der Einschreibung war der attraktive Vater noch mit einer Frau hier gewesen, die altermäßig besser zu ihm gepasst hatte.

Mittlerweile hatte er die wohl gegen Frischfleisch ausgetauscht! Typisch Männer! dachte sie. Und die Mieze dachte wohl, sie hätte sich einen tollen Hecht geangelt, der sie aushielt. Nichts im Hirn, ein schönes Lärvchen, das wollten die Männer.

Als die Schüler sich dann einander vorstellten, hörte sie überrascht Patricks Bericht.

„Also! Ich heiße Patrick Fellner, mein Papa ist Anwalt, ich habe noch eine Schwester, Greta, die ist acht. Wir wohnen bei Oma und Opa, weil die Mama den Papa nicht mehr lieb hat und uns auch nicht. Dann ist da noch Ronja, die arbeitet zur Zeit beim Papa. Die ist toll und superschlau! Sie studiert Jura und Informatik, kann vier Sprachen richtig gut sprechen, macht gleich zweimal den Doktor. Und sie ist so nett, dass der Papa ganz oft glückliche Tränen weint, und nicht mehr traurige wie bei der Mama. Und Greta und ich auch."

Die Lehrerin brachte den Mund kaum zu. Da hatte sie sich wohl etwas verschätzt bei ihrer Meinung.

Mittags gingen alle vier zur Feier des ersten Schultages essen. Sie hatten immer viele Tage, an denen sie feiern mussten. Ein Donnerstag, an dem die Sonne schien, ein Freitag, an dem sie am Morgen eine Schnecke sahen, ein Dienstag, an dem die erste Rose am Stock blühte. Dazu kamen noch die Tage, an denen sie einfach nur das Leben feierten.

Ende September fuhren Julian und Ronja eine Woche nach München, um die Verteidigung eines prominenten Klienten vorzubereiten.

Er wurde des Kindesmissbrauchs beschuldigt, wenn sie den Fall gewannen, brächte das eine große Publicity für die Kanzlei. Ronja hatte schon im Vorfeld diesen schalen Geschmack im Mund, wusste nicht, ob sie das packen würde.

Natürlich sah das Rechtssystem vor, dass alle das Recht auf die bestmögliche Verteidigung hatten, natürlich galt immer die Unschuldsvermutung bis zu einem Urteil, natürlich musste sie sich an den Ehrenkodex halten, wenn sie Juristin werden wollte.

Aber ob sie es schaffen würde, einen Mann rauszuhauen, der einem fünfjährigen Mädchen Gewalt angetan hatte, um sexuelle Befriedigung zu erreichen? Sie glaubte eher nicht daran.

Sie trafen den überheblichen Kerl im Besprechungszimmer.
Ohne die beiden zu begrüßen, brüllte er Julian an: „Holen Sie mich bloß hier raus, Anwalt! Heute noch, wenn's geht!"

Julian blieb höflich, stellte sich und Ronja vor. Der Typ sah sie zweideutig an. „Hübsch! Aber nicht meine Altersklasse!" Er lachte laut über den schlimmsten Witz, den sie je gehört hatte.

FÜNFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt