Teil 41 Das Verbrechen I

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Julian und Ronja

Eine kurze Notiz im Netz, ein etwas ausführlicherer Artikel in der Kölner Tagespresse erschütterte die Stadt.

Fünfjähriger in Köln nach Familienfeier tot aufgefunden! Polizei geht von Gewaltverbrechen aus. Nähere Umstände sind noch nicht bekannt." berichtete das Internet.

Junge in seinem Zimmer ermordet!
Der fünfjährige Sohn eines bekannten Kölner Juristenehepaares wurde vorgestern Abend leblos in seinem Bett aufgefunden. Der sofort gerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Wiederbelebungsversuche vor Ort blieben erfolglos. Im Haus der Familie am Stadtrand wurde der Geburtstag des Vaters gefeiert. Zahlreiche Gäste waren anwesend, während das Kind im ersten Stock ums Leben kam. Die Polizei geht nach ersten Untersuchungen von einem Gewaltverbrechen aus. Nähere Information wurden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt gegeben.
" schrieb die Tagezeitung.

Ein paar trockene Worte fassten das Unglück zusammen, das die Familie Fellner an Julians 46. Geburtstag traf. 

Ein Unglück, das eigentlich unbeschreiblich, unfassbar war.
Das Haus war voll von Gästen.

Freunde, Familienmitglieder, Arbeitskollegen.
Kinder, Jugendliche, Erwachsene.
Es wurde gelacht, gegessen, getrunken.
Es wurde geküsst, getanzt, geknutscht.

Julian war wieder einmal glücklicher als je zuvor. Ronja sah bezaubernd aus, war mit Sicherheit die schönste Frau von allen. Und sie war auch die klügste! Und mit Sicherheit war sie die, die am meisten redete.

Noch immer purzelten die Worte nur so aus der kleinen Räubertochter heraus, aber noch immer hörten ihr alle gebannt zu, wenn sie sprach.

Seine großen Kinder Greta und Patrick waren mittlerweile 20 und 22, studierten beide Jura. Seine beiden Kleinen, die siebenjährige Leonie und der fünfjährige Marlon waren die Augensterne von allen, waren kluge, liebenswerte Kinder, die sein Herz jeden Tag tanzen ließen wie seine süße Ronja.

Gegen sechs Uhr zerbrach diese vollkommene Welt, und niemand wusste, ob die Scherben je wieder geklebt werden konnten.

Leonie kam angetanzt, hängte sich an seinen Arm, sah etwas sauertöpfisch drein. „Manno! Der Marlon pennt und wacht einfach nicht auf! Dabei hat er mir versprochen, dass er sich als Mädchen verkleidet, damit die anderen was zu lachen haben!" Sie redete fast so viel wie ihre Mutter.
Ob so etwas wirklich vererblich ist? fragte er sich oft.

Julian lachte. „Marlon schläft? Was ist denn da passiert?" Der Junge war ein Wirbelwind, ständig in Bewegung, ständig mit dummen Ideen im Kopf. Die größte Herausforderung von ihm und Ronja war täglich, ihn am Abend ins Bett und zum Schlafen zu bringen.

Er stieg mit Leonie an der Hand nach oben. Das wollte er schon sehen! Er öffnete die Zimmertüre seines Jüngsten. Tatsächlich! Der Kleine lag im Bett.
Doch er schlief nicht! Nein, er schlief nicht! Kalte Angst riss ihm beinahe sein Herz heraus. Die Augen seines Sohnes standen halb offen, der Brustkorb hob und senkte sich nicht!

„Geh nach unten!" sagte er tonlos zu seiner Tochter. „Lauf bitte zu Mama und sag, sie soll ganz schnell das Handy bringen!"
Leonie hörte die Eindringlichkeit in seiner Stimme und sauste los.

Julian stürzte zu seinem Sohn. Er fühlte sich kühl an, aber nicht kalt! Julian fühlte den Puls, nichts! Aber das hatte er schon geahnt.
Er hatte geahnt, dass sein Sohn tot war!

Und er wusste, dass auch Wiederbelebungsversuche hoffnungslos sein würden.
Trotzdem versuchte er es.
Ronja kam angesprungen, blieb in der Zimmertüre panisch stehen.
„Ruf den Notarzt!" keuchte Julian außer Atem, und aus irgendeinem Grund funktionierte sie.

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