Teil 8 Etwas beginnt - Tim und Judith III

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Da drang der Duft von Gegrilltem zu ihnen, und wie auf Kommando begann ihr Magen zu knurren. Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Sie schnupperte gierig. „Woher kommt denn dieser brutal quälende Duft?" fragte sie.
Er lachte. „Hunger?"

„Wie eine Wölfin!" erklärte sie. „Und du?"
Er sah ihr tief in die Augen. „Appetit, ja!"
„Worauf?" fragte sie leise, und ihr Herz raste schon wieder los unter diesem Blick.
„Auf einen Kuss, dann ein paar Bratwürste, und dann noch einen Kuss!" antwortete er und wunderte sich über seinen Mut.

„Dieser Speisenfolge würde ich mich doch glatt anschließen!" antwortete sie und war froh, dass sie das Flirten während ihrer Ehe nicht verlernt hatte. Früher war sie ganz gut darin gewesen.
Langsam kam sein Mund ihrem näher, wieder strichen seine Lippen sanft über die ihren, doch dieses Mal waren sie ungestört.

Er griff in ihre wunderschönen Locken, hielt ihren Kopf fest, erhöhte den Druck. Seine Zunge spielte mit ihren Mundwinkeln, seine Zähne knabberten leicht an ihrer Unterlippe. 

Als sie ihre Lippen ein wenig öffnete, fand seine Zunge den Weg zu ihrer, spielte mit ihr, neckte sie, verließ sie, strich über ihre Lippen, sucht wieder den Kontakt mit ihrer. Das alles geschah sehr langsam, sehr gefühlvoll, sehr zärtlich.

In diesem Kuss lag nichts Forderndes, kein Verlangen nach mehr.
Dieser Kuss war kein Vorspiel, er war ein Kuss um des Küssens willen.
Dieser Kuss dauerte ewig und war doch zu schnell vorbei.

Aufstöhnend trennte er sich von ihr, streichelte ihr schönes Gesicht. Seine Augen hielten ihren Blick fest.
„Du hast wunderschöne Augen!" flüsterte sie. „Wie Bernstein!"
Er lächelte sie glücklich an, zog sie an seine Brust. Das Mädchen war der Hammer!
„Ich hole mal Bratwürste!" sagte er in ihr Haar. „Magst du ein Bier dazu?"

„Teilen wir uns eines? Ich muss ja noch fahren, und ich vertrage nicht viel."
Fahren!
Warum zog sich sein Magen so schmerzhaft zusammen?

Er musste sich nachher ihre Nummer geben lassen! Nicht, dass sie so schnell aus seinem Leben verschwand, wie sie darin gelandet war!
Oder lieber gleich. Er zog sein Handy aus der Jeanstasche. „Gibst du mir deine Nummer?" fragte er spontan.

Sie lachte ihn an. „Hast du Angst, dass ich in der Zwischenzeit verschwinde? Dafür habe ich viel zu viel Hunger!"
„Sicher ist sicher! Vielleicht kommt ja einer mit einer Pizza vorbei, und weg bist du!" scherzte er, aber der Kern seiner Aussage war sehr ernst.
„Der müsste aber dann so schöne Augen haben wie du und so süß lächeln! Das halte ich eher für unwahrscheinlich!" Sie hatte doch tatsächlich ihre Schlagfertigkeit zurückbekommen!

Tim sank wieder neben sie. „Und wenn wir den zweiten Kuss vorziehen, wäre das möglich?" fragte er lächelnd.
„Wir machen einfach einen Kuss 1 a daraus!" schlug sie vor.
„Was für ein kluges Mädchen!" Da gibt es vielleicht sogar 1b, 1c und so fort! dachte er. Sie war schon ein raffiniertes, schlaues Kerlchen!

Nach Kuss Nummer 1k musste er aufgeben, seine Beherrschung war am Limit. Noch einer mehr - und er hätte sie zu einer heißen Petting-Runde in die Büsche gezogen.
Judith brannte lichterloh, ihr Gehirn war vollkommen leer.

„Deine Nummer!" krächzte er heiser. Die Angst sie zu verlieren war jetzt noch größer als zuvor.
Sie tippte die Zahlenfolge in sein Handy, schrieb ihren Namen und ihre Adresse dazu. Er machte ein Foto.

Sie hielt ihm ihr Gerät hin, er tippte und machte ein Selfie. Erst dann taumelte er mehr, als er ging zum Wurststand. Er bezahlte 20 Euro, das war mehr, als er sich eigentlich leisten konnte. Aber dann würde er eben mit Freuden auf zwei Mittagessen verzichten und sich mit einer trockenen Semmel begnügen.

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