Nervös warf Feivel seinen Kopf zurück und gab ein unruhiges Schnauben von sich. Auf leisen Hufen trabte er Clementine hinterher, die siegessicher durch die Korridore der Winters Academy schritt. Er war wirklich froh über ihre Begleitung. Alleine hätte er sich sicher niemals zu diesem Schritt gewagt.
„Glaubst du echt, dass das so eine gute Idee ist?" Mit besorgt gekräuselten Nüstern holte er zu der Stute auf.
Doch diese grinst ihn nur schulterzuckend an. „Wenn Ray zu Hause ist, können wir ja wieder gehen."
Seufzend nickte Feivel. Einen Versuch war es wert, direkt zu seinem Feind nach Hause zu marschieren und dort nach dem USB zu suchen. Vielleicht hatten sie ja tatsächlich Glück und er lag dort irgendwo herum. Und selbst wenn nicht konnte er sich wenigstens sagen, dass er versucht hatte, das nahende Übel abzuwenden.
Schwungvoll stieß Clementine die Tür zum Hinterhof der Uni auf. Dort befand sich eine große Wiesenfläche und der ein oder andere Baum, ebenso wie das Haus der Winters Familie. An ein paar lachenden und schäkernden Grüppchen vorbei, liefen die beiden auf das große, urige Sandsteingebäude zu. Ein unter den frischen Grashalmen kaum auszumachender Trampelpfad führte sie direkt auf die dunkel gestrichene Haustür zu.
Feivel konnte nichts gegen das Gefühl des Beobachtet-Werdens tun, das sich angesichts der übrigen Pferde unwillkürlich in ihm ausbreitete. Obwohl er wusste, dass all die Studenten in ihre eigenen Gespräche vertieft waren und ihn wahrscheinlich nicht einmal wahrnahmen, war ihm deren Anwesenheit dennoch unangenehm.
Je näher sie der massiven Tür kamen, desto mehr beschleunigte sich sein Herzschlag. Mit knirschenden Hufen kamen sie auf den spärlich entlang der Hauswand aufgeschütteten Kieselsteinen zum Stehen.
Überfordert sah Feivel nach oben, wo sich das Gebäude majestätisch über ihnen erhob und seinen erdrückenden Schatten auf sie niederwarf.
Fragend wandte er den Blick seiner Begleitung zu: „Und jetzt?"
Statt ihm zu antworten, zuckte Clementine nur die Schultern, ehe sie einen Schritt nach vorne tat und den Klingelknopf drückte. Ein Surren ertönte.
Entsetzt riss Feivel die Augen auf. „Was machst du denn da?", zischte er erbost. „Was, wenn er da ist?"
Wieder nur ein Schulterzucken. „Wir schaffen das schon." Ihr wie üblich eine Spur zu positives Lächeln umspielte Clementines Lippen.
Seufzend starrte er die dunkle Tür an. Ehrlich gesagt war er ganz und gar nicht damit einverstanden, dass die Schimmelstute einfach so geklingelt hatte. Ihm war eher der Sinn nach einer Nacht und Nebel Aktion gestanden, bei der sie über irgendein Kellerfenster einstiegen und auf diese Weise unbemerkt blieben. Doch dafür war es jetzt definitiv zu spät.
Da drangen schlurfende Schritte gedämpft aus dem Inneren des Hauses hervor. Augenblicklich krampfte sich jede Faser Feivels Körpers zusammen. Alles in ihm schrie nach Flucht. Der Gedanke daran, gleich Raymon Winters persönlich gegenüber zu stehen jagte ihm eiskalte Schauer über den Rücken.
Da wurde die Klinke herunter gedrückt. Feivel hielt den Atem an und beobachtete, wie das Türblatt wie in Zeitlupe beiseite schwang.
„Ja?", fragte eine krächzende Stimme.
Überrascht riss Feivel den Kopf hoch. Seine Angst wandelte sich in pure Verwirrung. Dort stand keines der Pferde, die er erwartet hatte. Weder Ray noch Kira. Stattdessen lehnte ein zottiger Apfelschimmel lässig im Türrahmen.
Clementine warf Feivel einen triumphierenden Blick zu, als habe sie geahnt, dass um diese Zeit nur Rays verlotterter Kumpel zu Hause sein würde.
Mit zusammengekniffenen Augen wandte sie sich ihm zu. „Hey Rick, bist du alleine?" Ihr Ton war fordernd aber gleichzeitig auch vertraulich und geheimnisvoll. Sie machte einen Schritt auf Rick zu, der noch immer im Türrahmen verweilte, und baute sich vor ihm auf.
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Das Geheimnis der Winters Academy
Teen FictionDas Blut in seinen Adern gefror. Mit aufgerissenen Augen starrte er die Gestalt an, die sich bedächtig aus den Schatten löste und in das spärliche Licht trat, das aus den Fenstern der Winters Academy nach draußen drang. „Ray- Raymon, was machst du...