Mit konzentriert zusammengekniffenen Augen, fixierte Feivel ein Fläschchen mit einer grünlichen Flüssigkeit darin. Vielleicht war das ja eine geeignete Zutat für das Gebräu, das er modifizieren sollte.
Unangenehm ruhten die Blicke der drei anderen Pferde auf ihm. Sie verfolgten seit geraumer Zeit jeden einzelnen Schritt, den er vollzog. Fast wäre es ihm lieber gewesen, sie hätten etwas an seiner Arbeit auszusetzen. Doch sie verweilten nur in nahezu drohendem Schweigen neben ihm und musterten jeden seiner Hufgriffe mit Argusaugen.
Zitternd griff Feivel nach dem Gefäß, worin der violettfarbene Prototyp des Rassenvernichtungsserums vor sich hin brodelte. Ungeschickt füllte er ein paar Schluck des Mittels in ein Reagenzglas um. Dieses stellte er daraufhin in einem dafür vorgesehenen Gestell ab. Ständig befürchtete Feivel, der seltsame Metallwagen, auf dem sich all die Utensilien befanden, würde jeden Moment anfangen los zu rollen und ihn mit all den gefährlichen Chemikalien übergießen. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen begann Feivel nun mit der fachmännischsten Miene, die er aufbringen konnte, den Bunsenbrenner anzuschließen. Unterhalb des Wagens gab es einen Gashahn, wo er den gummiartigen Schlauch des Brenners einstöpselte. Wage kamen Erinnerungen an den Chemieunterricht wieder hoch. Bunsenbrenner waren ihm schon immer ein wenig suspekt gewesen. Zu gut erinnerte er sich an die ellenlange Sicherheitserklärungen, die die Lehrer ihnen bei jeder Benutzung gepredigt hatten. Hinzu kam, dass das letzte Experiment des Hengstes schon gut ein Jahr zurücklag, da es bisher keine Praxisstunden an der W.A.S. gegeben hatte.
Angestrengt versuchte er, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Mit aller Vorsicht, drehte er ein wenig an dem Brenner herum und hielt dann ein bereitgelegtes Feuerzeug an das metallene Rohr. Zu seiner Überraschung fing das Röhrchen direkt an, eine kleine Flamme auszuspucken. Schweißperlen standen Feivel auf der Stirn. Er wusste nicht, wie lange er bereits vor diesem Tisch verbrachte und wahllos Mittel zusammenrührte. Sein anfänglich systematisches Vorgehen hatte sich inzwischen nahezu vollständig in Luft aufgelöst. An Stelle des Ergebnisses stand für Feivel der Zeitaufwand im Vordergrund. Je länger er sich hier verweilte, desto mehr Zeit hatten die anderen, nach Mallory zu suchen. Solange Kira, Charlson und Ray nur untätig neben ihm standen, stellten sie keine Gefahr dar. Trotzdem fraß sich kalte Furcht Feivels Rückgrat entlang, als er sich zum wiederholten Mal fragte, wie das Ende der sogenannten Zeremonie ablaufen würde. Wollte Kira ihn auf die Probe stellen und überprüfen, ob er tatsächlich dazu in der Lage war, ein Mittel für die Tötung unschuldiger Pferde zu brauen? Oder hielt sie ihn tatsächlich einfach für so intelligent, dass er dies einfach aus dem Stegreif erschaffen könne? Irgendetwas war hier faul, soviel war klar.
Verstohlen warf er einen Blick über die Schulter. Kira sah ihn vollkommener Ruhe an. Aus ihrem Ausdruck war nicht der geringste Hinweis zu lesen. Charlson dagegen war ein ein krampfhaftes Dauergrinsen verfallen. Ihr bekam die lange Zeit ohne zu reden wohl nicht sonderlich gut. Feivel war erstaunt, dass ein so lange andauerndes Schweigen der hysterischen Stute überhaupt möglich war. Verbissen sah nun auch Ray zu Feivel hinüber. Zuvor hatte der gescheckte Hengst nur stur den Boden angestarrt. Nun begann er damit, provokant eine Augenbraue hochzuziehen und ungeduldig mit den Hufen zu wippen. Sogleich beschleunigte sich Feivels Herzschlag. Erst jetzt realisierte er, was für ein ungeheurer Druck auf ihm lastete. Offenbar wurde tatsächlich von ihm erwartet, dass er hier und jetzt das perfekte Serum zusammenrührte.
Überfordert rauschten Feivels Augen über die zerstreuten Utensilien vor sich. Der Bunsenbrenner loderte noch immer auf Sparflamme vor sich hin. Beherzt ergriff er das Reagenzglas mit dem Prototyp, spannte es in eine Halterungsklammer ein und hielt es unter sanftem Schwenken über das Feuer. Mit seinem freien Huf drehte er geübt die Flamme höher. Sein Chemikerwissen aus der Highschool machte sich langsam aber sicher aus den Tiefen seiner Gehirnwindungen bemerkbar. Vorsichtig träufelte Feivel die zuvor ausgewählte grüne Flüssigkeit in das Serum und schüttelte es leicht. Nahezu sofort stiegen bedrohliche Blasen auf. Ein flammendes Leuchten durchhuschte das Gebräu. Feivel zuckte zusammen. Verunsichert sah er sich um. Eine derartige Reaktion hatte er noch nie zuvor gesehen.
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Das Geheimnis der Winters Academy
Genç KurguDas Blut in seinen Adern gefror. Mit aufgerissenen Augen starrte er die Gestalt an, die sich bedächtig aus den Schatten löste und in das spärliche Licht trat, das aus den Fenstern der Winters Academy nach draußen drang. „Ray- Raymon, was machst du...