Kapitel 8

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„Meinst du wirklich, dass das eine so gute Idee ist?" Unruhig verlagerte Feivel sein Gewicht von einem Huf auf den anderen, während er sich angespannt umsah.

„Ich krieg das schon hin." Simon saß im Computerraum über einen der zahlreichen Laptops gebeugt. Konzentriert starrte er auf den Bildschirm, auf dem für seinen Freund unverständliche Zeichen herum flimmerten. Die weiße Schrift auf schwarzem Grund rückte von Tastenschlag zu Tastenschlag, den der kleine Schecke in atemraubender Geschwindigkeit vollführte, weiter an den unteren Bildschirmrand.

„Und was, wenn die Charlson was merkt?" Feivel war noch immer skeptisch.

„Sie kennt ihre Studenten sowieso nicht", winkte Simon ab. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sich in das System der Winters Academy einzuhacken, um sich in Physik eine bessere Note einzutragen. Offenbar war ihm nicht bewusst, wie heikel das Unterfangen war. Wenn sie jemand erwischte, galt das als haushoher Betrug. Auf der anderen Seite... Dr. Charlson hatte bestimmt wirklich schon wieder vergessen, wem sie welche Note gegeben hatte, geschweige denn, wer überhaupt welchen Namen trug. Bei Baker wäre das etwas anderes gewesen. Der Rappe hatte ein enorm ausgeprägtes Namensgedächtnis. Bereits binnen der ersten paar Minuten hatte er jeden einzelnen Studenten zuordnen können. Doch Charlson... Bei ihr war es ein Wundern, wenn sie überhaupt noch wusste, welches Fach sie unterrichtete.

„Hier haben wir doch was...", murmelte Simon und einige schnell hintereinander ausgeführte Mausklicks waren zu vernehmen.

Zunehmend wurde Feivel unruhiger. Hoffentlich kam niemand in den Raum und bemerkte etwas von ihren fragwürdigen Machenschaften. Doch eigentlich war das ziemlich unwahrscheinlich. Immerhin war es bereits dunkel draußen. Die beiden Freunde hatten sich extra einen Zeitpunkt am Abend ausgesucht, um in den Computerraum zu schleichen, damit sie möglichst nicht gestört wurden. Anfangs war Feivel zwar nicht sehr angetan von der Idee gewesen, sich ins System zu hacken, aber Simon alleine losziehen lassen wollte er natürlich auch nicht. Daher hatte es so geendet, dass er Wache stand, während der Isländer sich um die Computersachen kümmerte, von der er ohnehin keine Ahnung hatte.

„So, den brauchen wir nichtmehr." Simon zog seinen USB aus dem Gerät, das leise brummend vor ihm stand.

Aus dem Augenwinkel nahm Feivel wahr, dass er den Stick einfach losließ. Etwas verwirrt und mit schief gelegtem Kopf verfolgte er den lautlosen Fall des kleinen, silbernen Gegenstands. Statt am Boden aufzukommen, blieb er einfach zwischen der dichten, schwarzen Mähne Simons hängen und baumelte leicht hin und her. Langsam dämmerte es Feivel. Es war die Kette, die sein Kumpel immer trug. Sie diente ihm wohl als tragbare Datenbank für seine Hackerprogramme.

„Clever." Anerkennend nickend musterte der gepunktete Hengst Simon.

Der gab nur ein schiefes Grinsen von sich. Offenbar wusste er, dass der USB gemeint war.

Mittlerweile schien sich Simon im Betriebssystem eines der Privatcomputer der Dozenten zu befinden und der Bildschirm zeigte für Feivel verständlichere Elemente. Statt wirrer Zahlen leuchtete ein ganz gewöhnlicher Schreibtischhintergrund aus dem rechteckigen Display. Mit aufmerksam gerunzelter Stirn fuhr der Schecke mit der Maus über einige blaue Ordner.

„Ist das Prof. Winters Desktop?", fragte Feivel leicht besorgt. Er hatte Angst, dass der schwarzen Stute etwas auffallen könnte, wenn Simon dort herumpfuschte.

„Jep. Aber keine Sorge, ich hinterlasse keine Spuren." Simon war gänzlich überzeugt von seinen Fähigkeiten.

Tatsächlich beruhigte Feivel sich ein wenig. Er kannte sich zwar nicht sonderlich mit Computern aus, doch er vertraute ihm.

„So, ich glaube ich hab' da was..." Simon tippte nun auf einen Ordner mit der Aufschrift „Gruppe Baker". Darin erschienen weitere Unterordner. Er wählte „Physik" aus, was ihn nahezu sofort zu einer Notenliste der letzten Klausur führte. „Bingo!", rief der Schecke aus. Erneut zog er seinen USB-Stick hervor und legte ihn neben sich auf dem Tisch ab.

Das Geheimnis der Winters AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt