Unruhig wälzte Feivel sich in seinem Bett hin und her. Es waren jetzt schon ein paar Tage vergangen, seit Jackson gestorben war und seither war nichts mehr wie zuvor. Mit jeder verstreichenden Sekunde fühlte es sich mehr so an, als würde ihm der Brustkorb abgeschnürt. Die eiserne Dunkelheit der Nacht drohte ihn zu verschlingen. Er schlief kaum, und wenn er einmal einnickte, dann nur, um Minuten später schweißgebadet und nahezu unfähig zu Atmen wieder aufzuschrecken.
In seinem Zustand hatte Jackson kaum eine Chance gehabt, den Kreislaufstillstand zu überleben. Und doch konnte Feivel nicht damit aufhören, sich den Kopf darüber zu zermartern, was gewesen wäre, wenn auch nur eine Kleinigkeit anders verlaufen wäre. Hätte er ihn länger reanimieren müssen? War seine Technik falsch gewesen? Oder lag all das doch einzig und allein an Kiras Serum?
Entschlossen schnaubend schob er seine zerknitterte Decke beiseite und setzte sich auf. So konnte das nicht weiter gehen. Er brauchte Antworten. Nachdenklich starrte er an die dunkle Decke. Kira einfach nach mehr Details fragen, konnte er nicht, das wäre zu offensiv. Andererseits ...
Knurrend warf sich Feivel wieder auf die Matratze, die knarzend unter seinem Gewicht nachgab. Reflexartig griff er nach seinem Handy, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Eine Weile beobachtete er den umher tanzenden Cursor, der im Nachrichtenfeld WhatsApps aufblinkte. Mallory Barber. Ihren Kontakt hatte er ganz automatisch geöffnet. Bevor er hier her kam und seit sie sich angefreundet hatte, hatte er in Situationen wie diesen immer zuerst mit ihr gesprochen. Danach war es Simon gewesen und jetzt ... Schnell schloss er das Fenster wieder und gab einen Namen in die Suchleiste ein. Jetzt war Clementine die einzige, der er wirklich alles erzählen konnte. Sie teilten ein Schicksal. Nur sie wusste ebenfalls über das Geheimnis der Winters Academy bescheid. Oder zumindest das, was Kira preisgab.
Kopfschüttelnd tippte Feivel eine Nachricht ein und sendete sie ab.
„Wir müssen irgendwas tun. Ich muss die Wahrheit wissen."
Niemals hätte er geglaubt, dass er dieser Stute, die er als nerviges Quietsche-Entchen auf Rays Party kennengelernt hatte, je so sehr vertrauen würde. Seine anfänglich so innige Freundschaft mit Simon war in den Hintergrund gerückt und durch die eines Pferdes ersetzt worden, das er nur besser kennen gelernt hatte, weil ihnen von Kira derselbe Patienten zugeteilt worden war - den es jetzt nicht mehr gab.
Traurig richtete Feivel den Blick auf den leise schnarchenden Schecken ihm gegenüber. Wenn die Zeit gekommen war, würde er der Erste sein, der alles erfuhr. Doch vorerst stand in den Sternen, wann diese Zeit anbrechen würde.
„Bist du dir sicher, dass wir in Dr. Bakers Büro fündig werden?" Noch immer etwas skeptisch über Clementines Plan, folgte Feivel ihr durch die dunklen Gänge des Bürotraktes. Es war gerade mal fünf Uhr früh, doch die beiden hatten sich in den Kopf gesetzt, mehr über den Fall Jackson Malone herauszufinden.
„Vertrau mir." Die Schimmelstute schenkte ihm ein keckes Zwinkern. „Die Patientenakten werden schon immer bei ihm gelagert. Außerdem wird hier um diese Zeit garantiert niemand außer uns herumgeistern."
Noch immer ein wenig skeptisch zog Feivel eine Augenbraue hoch. An ihm nagte der Zweifel, ob es wirklich so eine gute Idee war, schon wieder irgendwo einzubrechen, um sich Akten anzusehen, die ihnen womöglich die Zusammensetzung des violetten Serums verrieten.
Auf leisen Hufen schlichen die zwei Verbündeten über den steinernen Boden. Die Lichtkegel ihrer Handytaschenlampe huschten über die Wände und wurden von einigen gläsernen Bilderrahmen reflektiert. Im Gegensatz zu der Aktion mit Simon, bei der dieser seine Noten manipuliert hatte, fühlte sich dieses Unterfangen auf skurrile Weise richtig an.
„Da vorne ist es", zischte Clementine ihm zu und deutete mit einer raschen Kopfbewegung auf eine der vielen Türen, die vom Gang abzweigten. Im schummrigen Licht der Lampen war eine kleine, goldene Plakette zu erkennen, auf der in ordentlichen Druckbuchstaben „Dr. Connor Baker" stand. Vorsichtig näherten sie sich der Tür und Clementine tippte vorsichtig dagegen. Federleicht und stumm schwang die Tür beiseite. Mit einem triumphierenden Blick trat die Stute ein. Feivel folgte.
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Das Geheimnis der Winters Academy
Novela JuvenilDas Blut in seinen Adern gefror. Mit aufgerissenen Augen starrte er die Gestalt an, die sich bedächtig aus den Schatten löste und in das spärliche Licht trat, das aus den Fenstern der Winters Academy nach draußen drang. „Ray- Raymon, was machst du...