Kapitel 3

98 3 0
                                    

Die strahlend helle Morgensonne tauchte das kleine Städtchen in ein güldenes Licht. Gemächlich rollte ein klappriger Linienbus über die glatte Fahrbahn und kam schließlich zischend vor Feivels Hufen zum Stehen.

Um sich die nervige Abschiedspredigen seiner mit ihm wartenden Eltern zu ersparen, packte er schnell seinen Koffer und begann ihn nach zwei raschen Umhalsungen in den Bus zu hieven. Doch ehe er vollends in dem Fahrzeug verschwinden konnte, vernahm er ein helles Wiehern, das ihn augenblicklich innehalten ließ.

„Feivel!"

Überrascht schnellten seine Ohren in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. „Mallory!" Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ er von seinem Gepäck ab und stürmte auf sie zu. „Was machst du denn hier?" Das breite Lächeln, das sich beim Anblick der kleinen Dunkelfuchsstute in seinem Gesicht ausbreitete, war unmöglich zu unterdrücken.

Mit wehender Mähne bremste Mallory vor ihm ab und sah ihn aus ihren lebhaft funkelnden Bernsteinaugen an. „Ich dachte, ich schau nochmal schnell vorbei, bevor du auf unbestimmte Zeit in den Laboren der W.A.S. verschwindest." Ein freches Schmunzeln huschte über ihre weichen Züge.

„Musst du heute nicht an deine eigene Uni?" Neckisch fragend zog Feivel eine Augenbraue hoch.

„Ach." Augenrollend winkte Mallory ab. „Die kann warten. Dich zu verabschieden erschien mir wichtiger."

Bei diesen Worten breitete sich ein wohlig warmes Gefühl in Feivels Brust aus. Es war erstaunlich, wie schnell die Freundschaft zwischen ihm und Mallory gewachsen war. Binnen weniger Monate waren sie nahezu unzertrennlich geworden. In ihrer Schulzeit hatten beide keine wirklichen Freunde gehabt. Es war ein Wunder, dass sie sich nicht bereits früher angenähert hatten. Doch das Schicksal schien es genau so gewollt zu haben.

Feivel beugte sich leicht nach unten und legte seine Stirn an Mallorys. Ein letztes Mal sog er ihren blumig leichten Duft ein, ehe er sie wieder von ihr löste und den bereits ungeduldig wartenden Bus betrat. Seine Blicke trafen sich mit Mallorys.

Kurz bevor sich die Türen zwischen ihnen schließen konnten, schnellte die Stute vor und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich werde dich vermissen, Kumpel."

„Ich dich auch", wollte er erwidern, doch da hatte sich die Durchsichtige Wand bereits zischend geschlossen. Zurück blieb eine pochende Hitzequelle an seiner Wange.

Mit gemischten Gefühlen winkte Feivel seinen Eltern und Mallory durch das verdreckte Busfenster hindurch zu.

Unruhig mit den Ohren wackelnd, blickte er nach unten, wo das Licht strahlende Muster auf seinen Pelz zeichnete. Zum einen umfing ihn die Freude darauf, mit seinem Aufbruch zu der Uni heute endlich einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können, doch zum anderen war die alte Furcht vor der Veränderung noch immer in seinem Geist verankert. Alles würde vollkommen anders sein, als es es zuvor gewohnt war. Statt bei seiner Familie würde er in einer Art Internat an der W.A.S. leben und keine bekannten Gesichter mehr um sich haben. Bereits jetzt wurden ihm die Knie weich, wenn er an all die neuen Personen dachte, mit denen er mit einem Schlag konfrontiert werden würde.

„Das tut dir sicher mal gut", hatte Mallory nur lachend gemeint, als er ihr von seiner Sorge berichtete. Ein Satz, der genauso gut von seiner Mutter hätte kommen können. Feivel musste schmunzeln. Die beiden Stuten waren sich in ihrem Verhalten doch ähnlicher, als der erste Eindruck vermuten ließ.

Ein letzter Blick wanderte nach hinten, wo die drei noch immer munter winkenden Pferde zu einem immer kleineren und unbedeutenderem Punkt in der Ferne verschwammen, dann bog der Bus um eine Kurve und strahlend grüne Baumkronen nahmen ihm die letzte Sicht.

Das Geheimnis der Winters AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt