Kapitel 21

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„Was ist passiert?!" So schnell er konnte galoppierte Feivel durch die vom Licht weißer Neonröhren gefluteten Gänge. Sein Laborkittel saß schief und er selbst sah wohl auch nicht besser aus. Immerhin war er gerade erst aus dem Bett gefallen. Doch in diesem Moment interessierte ihn das nicht im Geringsten.

„Ein Notfall bei Jackson!" Clementine, die ihn gerade herbestellt hatte, kam aus einer Seitentür der unterirdischen Krankenhausgänge geschossen.

Augenblicklich begann Feivels Puls noch schneller zu rasen, als er es ohnehin bereits tat. Hellwach schnellten seine Ohren nach vorne. Er hatte es von Anfang an gewusst, diese Krebspräventionsbehandlung war keine gute Idee gewesen.

Gleichzeitig quetschten sie sich in Behandlungszimmer 29. Feivels schlimmste Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Zitternd und mit schäumendem Maul lag Jackson da. Sein Gesicht war kreidebleich angelaufen und er atmete kaum noch.

„Jackson!" Voller Sorge stürzten die beiden zu ihm. Den hektischen und offenbar vollkommen überforderten Pfleger, der bis gerade eben noch wie wild mit Defibrillator und Adrenalinspritze herumgewuselt war, stießen sie einfach bei Seite.

„Was ist passiert?", herrschte Feivel ihn an.

Der kleine Fjordhengst riss die Augen auf und hielt sein Reanimationsbesteck schützend vor die Brust. „Keine Ahnung, er ist auf einmal hypoton und tachikard geworden."

„Das muss an dem violetten Zeug liegen!" Blind vor Angst und Zorn riss Feivel die Branüle des Infusionsbeutels aus Jacksons Schweißüberströmtem Hals.

Da regte der schlaksige, graubraune Hengst sich plötzlich. „Nein." Seine Stimme war zittrig und brüchig. „Lassen Sie das da." Mit halb geschlossenen Augen bog er seinen schwächlich dürren Hals zu den drei Pferden, die ihn umringten.

„Jackson, nein, das bringt dich noch um!" Fast schon hyperventilierend vor Aufregung tastete Clementine seine Stirn ab. „Er muss über 40 Grad Fieber haben!"

„Verdammt, was machen wir jetzt?" Suchend flogen Feivels Augen im Raum umher. Auf eine solche Situation war er absolut nicht vorbereitet. Er hatte erwartet, dass die Behandlung komplikationslos ablaufen würde, doch wie es aussah, kam alles anders.

Schnaubend schnellte Clementine vom Bett hoch. „Wir müssen ihn irgendwie abkühlen und das Tumorvakzin aus seinem Körper rausbekommen."

„Es... es sollte doch helfen...", röchelte ihr Patient.

Liebevoll und mit Tränen in den Augen beugte sich die Schimmelstute zu ihm hinunter. „Offensichtlich ist es kurz davor, dich umzubringen..." Die Furcht und Trauer, die sie wie eine undurchdringbare Wand umhülle, schwang überdeutlich in ihrer Stimme mit. Sie alle konnten und wollten nicht glauben, dass es bereits nach knapp einer Woche spärlicher Injektionen so schlecht um den lieben Jackson stand, dessen Ziel nichts anderes als ein sorgenfreies Leben war.

Mit bebenden Hufen war Feivel inzwischen dabei, eine neue Branüle an Jacksons Hals anzusetzen, um sein Blutvolumen mit Kochsalz zu vergrößern. Das war die einzige Chance, die er sah, die Wirkung des Mittels auf seinen Körper irgendwie abzuschwächen.

„Was stehen Sie da so dumm rum? Holen Sie schleunigst irgendeinen Fiebersenker und für ihn!", schrie Clementine den Pfleger an, während sie Jacksons Kopf stützte.

„Und am besten noch ein Antiarrhythmikum dazu. Sein Puls rast." Mit festem Griff umklammerte Feivel das schneeweise Bettlaken. Noch nie zuvor hatte er ein Pferd gesehen, dessen gesundheitlicher Zustand sich so schnell so radikal verschlechterte. Vor ein paar Stunden hatte er noch nach dem Hengst gesehen und da war alles in Ordnung gewesen. Doch jetzt ... jetzt war sein Herzschlag zu schnell, sein Atem zu flach, seine Temperatur viel zu hoch. Und Schuld daran waren einzig und allein die neuartigen Forschungen der Winters Academy. Feivel selbst trug die Mitschuld daran, dass ein eigentlich kerngesundes Pferd auf der Kippe zwischen Leben und Tod stand.

Das Geheimnis der Winters AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt