Kapitel 5

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Hey du,
Das muss alles sicher sehr schwer für dich sein und dann auch noch alles auf einmal. Ich würde dir sehr gerne irgendwie, egal wie helfen. Melde dich, wenn du irgendwas brauchen solltest. Ich bin da.
Achso und vielleicht hast du ja Lust auf ein Treffen. Das wäre doch eine gute Idee, um auf andere Gedanken zu kommen. Das ist in genau diesen Situationen sehr wichtig, damit du nicht zusammenbrichst.
Melde dich, wenn du dich entschieden hast.

Ein rotes Herz zierte den Schluss der Nachricht. Ich spürte, wie sich alles in mir zusammenkrampfte, als ich die Nachricht las und ich pfefferte mein Handy wieder in Richtung meines Bettes. Allerdings prallte es an der Wand ab, sprang kurz auf meinem Bett hoch und runter und landete dann unsanft auf meinem Teppich am Boden.
Ich schnaufte genervt und hob es dann vom Boden auf.

Was fällt diesem Idioten ein! Ich habe ihm geschrieben, um all mein Leid irgendwie aus mich hinauszubekommen. Er müsste doch wissen, dass ich gerade alles andere als ein verdammtes Treffen im Kopf habe.

Ich ließ mich langsam auf mein Bett sinken, die Gitarre immer noch am Boden liegend. Mein Handy legte ich neben mich und ich starrte in die Luft.

Was wollte dieser Typ....erst motzte er mich an obwohl er in MEINEM Songbook rumschnüffelte und jetzt will er unbedingt ein Treffen mit mir?

Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals als ich an den Tag vor ungefähr einer Woche dachte. Ich wusste, dass ich zu schnell ausgezuckt war, aber mein Songbook ist, neben meiner Gitarre, das Heiligste was ich besaß und zudem noch das Geheimste. Ich verpackte all meine Gefühle und Emotionen in meinen Songs. Das Buch war für mich etwas, wie für andere ein Tagebuch. Es war ein leicht zerbrechlicher Schatz, den ich unbedingt schützen musste. Koste es was es wolle.

Seufzend ließ ich mich nach hinten fallen und starrte an meine weiße, kahle Decke. Meine Bluse, welche ich immer noch anhatte, steckte in meinem Mund und ich kaute nervös darauf rum.
Einerseits war ich neugierig, warum Rick sich so plötzlich mit mir treffen wollte, auf der anderen wusste ich, dass ich gerade viele andere Dinge im Kopf hatte, die wichtiger waren. Ich musste irgendwie, wie auch immer einen neuen Job finden, damit ich die verpassten Mieten abzahlen konnte, bevor ich aus meiner Wohnung geschmissen werden würde.

Ich merkte nicht, wie ich den Stoff fast durchgekaut hatte und krampfte meine Hände automatisch zu Fäusten. Ich nahm meinen linken Arm und legte ihn unter meinen Kopf, dabei stieß ich einen lauten Luftstoß aus.
Der Stoff der Bluse flog dadurch aus meinem Mund und meine Lippe nahm ihren Platz ein.

Was soll ich nur tun?

Ich drehte mich auf den Bauch und schlug meinen Kopf in die Matratze.
Einmal
Zweimal
Dreimal
Viermal
Schlussendlich blieb ich mit dem Kopf darin vergraben liegen.

Eigentlich habe ich eh nichts mehr zu verlieren. Alles was ich hatte habe ich heute verloren. Vielleicht war es doch gut, wenn ich mich irgendwie ablenken würde.

Entschlossen setzte ich mich auf und schnappte mir mein Handy das neben mir lag.
Als ich allerdings eine Nachricht eintippen wollte, erstarrten meine Finger.

Was soll ich ihm schreiben? Einfach nur ein ja gerne? Oder doch vielleicht mehr?

Ich atmete einmal tief ein und aus bevor ich einfach darauf los tippte.

Hey Rick,
Also erst einmal möchte ich Danke sagen. Ich schätze es sehr, dass du mich in Allem unterstützen möchtest. Außerdem schätze ich dein Angebot für das Treffen und ich würde es sehr gerne annehmen. Melde dich einfach mit den genauen Details.
Emily

Schnell legte ich es mit dem Display nach unten wieder auf die Matratze meines Bettes. Irgendwie fühlte ich mich gut, nachdem ich diese Nachricht abgeschickt hatte. Es war ein wohlig, warmes Gefühl und ich seufzte kurz zufrieden auf.
Ich stütze mich mit beiden Händen auf dem Bett ab und stieß mich dann hoch.
Mit einem Schritt war ich bei meiner Gitarre und verstaute diese schlussendlich wieder in der dazugehörigen Tasche. Fein säuberlich legte ich ebenfalls mein Songbook hinein und strich nocheinmal kurz darüber. Als ich gerade dabei war den Reißverschluss zuzuziehen piepte mein Handy wieder mit dem allseits bekannten Ton.

Plötzlich spürte ich, wie mein Herz anfing schneller zu schlagen und wie meine Hände zitterten. Ich war nervös.
Langsam und zögerlich nahm ich das Handy in die Hand und dieses Mal war die Nachricht, wie erwartet, von Rick.

Hey,
Na dann freue ich mich schon darauf. Wie schaut es denn mit morgen aus? Ich weiß es ist ziemlich kurzfristig aber oft sind die spontanen Treffen besser als die lang geplanten.

Wieder zierte ein Herz den Schluss. Kopfschüttelnd lachend, tippte ich meine Antwort ein.

Ja warum nicht. Ich hab ja eh nichts besseres zu tun.

Sofort antwortete er zurück.

Dann hol ich dich morgen um 8 ab. Schick mir einfach deine Adresse.

Ich stutze kurz. Dieser Mann packte das Problem gleich bei der Wurzel und machte es sofort offiziell.

Bevor ich dir meine Adresse schicke, möchte ich gerne wissen was du planst mein Lieber, antwortete ich ihn schnell.

Ich sag nur lass dich überraschen. Vertrau mir einfach. Es wird genial.

Bitteeee, flehte ich ihn über den Chat an. Wenn er jetzt vor mir stehen würde, würde ich meinen geliebten Welpenaugenblick auspacken. Diesen beherrschte ich nämlich immer noch so wie früher.

Kurz blitzte ein Bild vor meinen Augen auf, wie ich mit meinem Vater mit mir in der Bäckerei stand und unbedingt ein Schokocroissant wollte. Mein kleines Ich blickte ihn mit genau diesem Blick an. Ich wusste, dass er mir nie etwas abschlagen konnte, wenn ich damit ankam und das nutzte ich sehr gerne aus.

Ich sagte doch, lass dich überraschen. Es wird ein Abenteuer.

Kam mit einem Grinsesmiley zurück und ich grummelte leise vor mich her.
Warum konnte er mir nicht einfach sagen was er vorhatte?

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und nannte ihm schlussendlich meine Adresse.

Sehr gute Entscheidung Prinzessin. Ich bin morgen um acht bei dir.

Und schon wieder dieses Herz, das den Schluss der Nachricht zierte.
Ich biss mir abermals auf meine Lippe.

War es die richtige Entscheidung gewesen?

Ängste zerrten an mir und ohne nachzudenken öffnete ich den Chat mit Clara auf meinem Handy.

Hey du,
Ich hab Mal eine Frage., schrieb ich in die Textleiste und schickte es ab.

Kurz sprang mir schon eine Antwort von ihr entgegen.

Hey na klar. Was ist denn los Süße?

Ich atmete tief durch und schilderte ihr den Verlauf von heute. Von meiner Kündigung, über die Probleme mit der Miete bis hin zu Rick und seinem "Abenteuer", wie er es nannte.

Ich weiß einfach nicht, ob es die richtige Entscheidung war., endete ich die Nachricht.

Hey ganz sicher war es die richtige Entscheidung. Wag einfach Mal ein wenig. Es wird sicher toll. Lass dich darauf ein und du wirst die beste Zeit seit langem haben. Da bin ich mir sicher.

Ich schickte ihr ein schnelles Danke und ließ mir dann ihre Worte durch den Kopf gehen. Vielleicht hatten Clara und Rick Recht? Vielleicht sollte ich mich Mal auf neue Dinge einlassen?

Ich atmete einmal tief durch und nickte dann entschlossen.
Ja ich würde mich mit Rick treffen, egal was er plante oder was er vorhatte. Vielleicht wäre es genau das Richtige was ich brauchte.

Tränen der TrauerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt