Mein Finger zitterte, als ich ihn am nächsten Morgen auf den Klingelknopf legte und darauf drückte. Ich hörte, wie es im Inneren des Hauses dumpf klingelte.
Wir drei Mädels hatten die Nacht noch bei Clara verbracht, da es schon zu spät gewesen war, um noch einmal loszugehen und jetzt standen wir zusammen vor Rick's Tür.
Elani wollte mich eigentlich mit dem Schlüssel reinlassen, aber für mich fühlte es sich nicht richtig an, nach diesem Vorfall einfach so in das Haus zu spazieren.Mein Herz fing an schneller zu schlagen, als sich die Tür vor mir öffnete und Rick dahinter auftauchte. Sein Blick war dunkel, leer und emotionslos. So hatte ich ihn noch nie gesehen.
"Hallo Rick", flüsterte ich und schluckte einmal schwer.
Elani hatte sich an Rick vorbei in das Haus gedrückt und Clara mit sich gezogen, damit ich und Rick alleine waren. Ich wusste allerdings nicht, ob ich ihr dankbar dafür sein sollte, denn eigentlich wollte ich in diesem Moment alles andere als mit Rick alleine zu sein.
"Hallo Emily", begrüßte er mich mit erstickter Stimme, seinen Blick hielt er gesenkt. Er konnte mir anscheinend nicht in die Augen sehen."Können wir reden?", fragte ich ihn, denn ich wollte diese unangenehme Situation so schnell wie möglich beenden.
Rick nickte stumm und zog hinter sich die Tür zu.
"Lass uns eine Runde gehen", murmelte er und lief vor mir los. Seine Hände waren dabei in die Tasche seines grauen Hoodies gesteckt.
Mit schnellen Schritten folgte ich ihm, aber blieb ein kleines Stück hinter Rick.Stumm strichen wir eine Weile durch die Gegend, bis ich irgendwann meine Stimme erhob.
"Ich muss dich das jetzt einfach fragen Rick."
Rick, der mit dem Rücken zu mir, vor mir stand, drehte sich langsam zu mir um. Die Zeit, die er dafür brauchte, kam mir ewig vor und ich unterdrückte ein ungeduldiges Seufzen.
"Dann frag." Seine Stimme war erschreckend kalt und ich zuckte bei ihr kurz zusammen.
"Wieso Rick? Wieso hast du das getan? Ich dachte zwischen uns....dass da etwas ist, dass wir füreinander bestimmt sind?" Ich zitterte und steckte meine Hände in meine Jackentaschen, damit Rick es nicht bemerkte.
Er kam mit einem Schritt auf mich zu und ich schluckte schwer.
"Gut du möchtest es also wissen? Ich soll es dir wirklich sagen? Du bist dir ganz sicher?", er klang resigniert und müde, aber trotzdem schaffte er es um das Wichtige herumzureden.
"Hör auf mit diesem Spielchen und komm auf den Punkt Rick!"
Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und starrte ihn auffordern an.
"Okey ich rede."
Rick trat wieder zurück. Seine Miene war undurchdringlich.
"Ich wollte das alles hinter mir lassen. Ich dachte es spielt keine Rolle, nachdem wir uns so nahe gekommen sind."
Mein Atem wurde merklich schneller, als er anfing zu reden und ich musste mich bemühen weiter tief ein und auszuamtmen.
"Du dachtest? Denken ist wohl nicht deine Stärke. Das alles soll keine Rolle spielen? Was verdammt nochmal dachtest du dir dabei? Weißt du was Rick...es spielt keine Rolle, dass du versucht hast Musik aufzunehmen, es spielt vielmehr eine Rolle, dass du nicht die Wahrheit gesagt hast, sondern mich die ganze Zeit mitten in mein Gesicht angelogen hast."
Ich sah, wie Rick die Zähne zusammenbiss.
"Ich weiß und es tut mir leid."
"Warum hast du mir es nicht gesagt Rick? Warum? Ich dachte wir könnten uns alles sagen und ich hab dir alles anvertraut, hatte Panikattacken vor dir und du? Du hättest so viele Momente gehabt, in denen du mir die Wahrheit hättest sagen können."
Ich war mir bewusst, dass Rick diese Worte wehtaten, sein Blick sagte alls, aber ich dachte nicht nach, sondern redete einfach.
"Ich hatte Angst Emily."
Seine Ehrlichkeit, die plötzlich auftauchte, traf mich unerwartet.
"Ich wollte nicht, dass es so endet. Ich wollte nur ein paar schöne Ausflüge mit dir verbringen und dich dann fragen, ob du ein Album im Studio aufnehmen willst. Es war nicht geplant, dass ich mich in dich verliebe. Aber du hast mir keine Wahl gelassen, hast dich heimlich in mein Herz geschlichen und es für dich beansprucht und als ich es bemerkt habe, habe ich das alles mit dem Album sofort abgebrochen. Aber gleichzeitig wurde mir bewusst, was ich getan hatte und ich sah keine andere Möglichkeit, als dich anzulügen oder dich zu verlieren, wenn ich dir die Wahrheit sagen würde."
"Und mir alles zu verheimlichen kam dir als eine sinnvolle Lösung vor?"
Ich konnte Rick nicht in die Augen sehen und hielt meinen Blick gesenkt.
"Nein. Und das mein ich ehrlich Emily."
"Aber trotzdem hast du es gemacht?" Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dass ich nicht lauter werde, aber ich scheiterte schon jetzt.
"Du hast den einfachen Weg gewählt, indem du die Wahrheit leugnest."
"Einfach? Du denkst es ist einfach, Emily?"
"Ich weiß es nicht Rick, aber ich hab seit gestern das Gefühl, dass ich gar nichts mehr weiß. Nichts über uns, nichts über dich."
"Du weißt, dass das nicht stimmt Emily!" Rick kam mir wieder näher und stand jetzt nur noch ein paar Zentimeter vor mir entfernt.
"Ich weiß es wirklich nicht Rick, aber was ich weiß ist, dass wenn ich diese Nachricht nicht bekommen hätte, hätte ich wahrscheinlich niemals die Wahrheit erfahren."
Rick stockte und antwortete mir nicht mehr, sondern er drehte sich von mir weg.
"Wer hat dir diese Nachricht geschickt?", murmelte er leise.
"Versuchst du jetzt wirklich von der Situation abzulenken Rick?" Ich schnaufte genervt.
"Nein Emily! Sag mir einfach wer dir diese Nachricht geschickt hat!"
"Weiß ich nicht.", antwortete ich ihm pampig, aber zog mein Handy hervor.
Rick nahm es mir aus meiner Hand und warf einen Blick darauf. Mir wurde kalt, als ich sah, wie seine Augen sich noch weiter verdunkelten.
"Was ist?", fragte ich ihn leise.
"Abigail....", murmelte er, während er mir das Handy zurückgab.
"Deine Ex?"
Ich zog meine Augenbrauen hoch und steckte das Handy zurück. Rick nickte stumm.
"Warum?" Meine Stimme war ungewöhnlich hoch, aber ich versuchte sie zu kontrollieren.
"Es gibt nur einen Grund Emily."
Ich sah ihn stumm an und er redete weiter.
"Seit unserer Trennung wollte sie mich zurück haben. Sie hat alles versucht, um mich um ihren kleinen Finger zu wickeln, was allerdings nicht funktioniert hat. Abigail ist eine falsche Schlange, was mir leider erst viel zu spät aufgefallen ist.
Dass sie jetzt mit Logan ausgeht, kam mir schon komisch vor und jetzt weiß ich auch wieso. Sie hatte wieder eine Intrige geplant, um mich zu sich zurückzuholen."
"Vermutlich sollte ich mich bei ihr bedanken. Sonst hätte ich nie erfahren wer du wirklich bist", sagte ich kalt.
"Emily bitte! Glaub mir, ich wollte nicht, dass es so ausartet." Rick ergriff meine Hand und zum ersten Mal seit gestern sahen wir uns gegenseitig in die Augen. In seinen eisblauen Augen schimmerte der Schmerz.
"Es ist nicht auf meinem Mist gewachsen Rick. Das alles ist passiert, weil du nicht zu der Wahrheit stehen konntest. Weil du es nicht fertig bringst, dazu zu stehen, was du getan hast."
"Ich weiß das Emily. Und ich bereue es. Ich berue es, dass ich einfach meine Augen geschlossen und alles, was damit zu tun hatte ignoriert habe. Aber ich hoffe, dass du mir irgendwann vielleicht verzeihen kannst."
Rick ließ meine Hand los und drehte sich von mir weg.
"Rick", sagte ich leise.
"Stop."
Er drehte seinen Blick zu mir und hob fragend eine seiner Augenbrauen.
"Ich verzeihe dir. Du hast eingesehen, dass du einen Fehler gemacht hast. Du stehst jetzt zu der Wahrheit und das ist alles was in diesem Moment zählt. Dafür danke ich dir."
"Und ich danke dir, dass du mir verzeihst Emily."
Er warf einen letzten Blick zu mir bevor er sich abwendete und zurück zum Haus lief, während ich ihn bis dort hin mit meinen Augen verfolgte.Plötzlich löste ich mich aus meiner Erstarrung und rannte ihm hinterher. Warum ich es tat wusste ich nicht und dennoch tat ich es gerade.
"Rick warte!", schrie ich ihn hinterher und jener drehte sich ruckartig zu mir um.
"Emily?", flüsterte er leise, aber weiter kam er nicht, denn ich hatte schon meine Lippen auf seine gepresst und küsste ihn. Ein Kuss indem so viele verschiedene Emotionen lagen. Von Wut über Traurigkeit bis hin zu Liebe. Die Liebe, die uns beide verbindet.
Rick's Lippen waren so weich, wie beim ersten Mal und sein Kuss so sanft, wie noch nie. Er hatte eine Hand an meine Wange gelegt und streichelte sie sanft, während er mich mit der anderen liebevoll an meiner Hüfte zu sich zog. Immer näher bis unsere beiden Hüften sich berührten.
Ich schlang instinktiv meine Arme um seinen Nacken und ich spürte, wie Rick's Atmung der Nase in meinem Gesicht kitzelte.
Als wir uns voneinander lösten konnte ich sehen, wie Rick's Blick sich verändert hatte. Die Dunkelheit war daraus verschwunden und hatte Platz für, das mir altbekannte, Licht gemacht. Sie strahlten wortwörtlich."Ich liebe dich Emily", flüsterte er leise und legte seine Stirn an meine.
"Und ich will dich um nichts auf dieser Welt verlieren. Niemals."
"Ich liebe dich auch Rick."
Unsere Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und Rick zog mich in eine sanfte Umarmung.
Ich schloss meine Augen und legte meinen Kopf an seiner Brust ab.
"Du bist alles für mich Emily und ich brauch dich", hörte ich Rick's Stimme über mir. Ich nickte nur als Antwort und hoffte, dass Rick es an seiner Brust hatte spüren können, denn ich wollte im Moment nicht sprechen. Es war einfach alles perfekt und ich wollte es nicht zerstören.Dennoch tat ich es, oder eher gesagt mein Telefon, denn prompt in diesem Moment klingelte es laut.
Murrend löste ich mich aus Rick's Griff und sah mit einem Blick auf das Display, dass eine Unbekannte Nummer anrief.
Schnell hob ich ab und meldete mich mit einem: "Hallo?"
"Emily", sagte eine eine leise, klägliche Stimme am anderen Ende und ich zuckte zusammen.
Mein Herz schlug automatisch schneller und meine Atem wandelte sich zu einer Schnappatmung um. Ich musste jetzt sehr gut aufpassen, bevor ich wieder in eine Panikattacke rutschte.
"Was willst du?", antwortete ich so kalt, wie nur möglich.
"Emily bitte." Die Stimme am anderen Ende war flehend, aber ich wollte mich nicht darauf einlassen.
"Noch einmal. Was willst du?"
"Du musst ins Krankenhaus kommen."
"Ich muss gar nichts." Ich schnaufte und ich versuchte mich mit aller Kraft unter Kontrolle zu halten.
"Emily. Er ist schwer krank. Du musst ihn noch einmal sehen bevor er stirbt." Die Person, die mit mir redete, fing an zu weinen.
"Nach allem, was er mir angetan hat? Ganz sicher nicht. Soll er doch sterben dieser Arsch!"
"Emily..."
"Nein!", schrie ich und umklammerte mit meiner Hand das Handy immer fester.
"Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Nie mehr!"
"Bitte Emily...."
"Ich hab NEIN gesagt! Was verstehst du nicht daran?" Meine Nägel bohrten sich vor Wut in meine Hülle.
"Er möchte aber...." Die Person brach in Tränen aus und ich hörte nur noch vereinzelte Schluchzer am Telefon.
"Nein und dabei bleibt es. Lebe wohl Mum und sag Dad, er kann zur Hölle fahren."
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Tränen der Trauer
Fiksi RemajaNach dem Tod ihres Bruders bei einem schrecklichen Unfall änderte sich Emily's Leben komplett. Nichts war mehr wie davor. Emily lebte fortan in sich gekehrt und baute sich in den vielen Jahren eine dicke Mauer auf, welche Niemand jemals einreißen so...