Ich stand da, erstarrt, mein Blick auf das Schild gerichtet.
Das konnte verdammt nochmal nicht sein Ernst sein! Der will mich doch umbringen!Meine Atmung wandelte sich zu einer Schnappatmung um und ich rang verzweifelt nach Luft.
Paragliding Spot
Stand in verschnörkelter Schrift auf diesem Schild. Das konnte er nicht von mir verlangen, meine Höhenangst war viel zu groß.
Panisch taumelte ich nach hinten, als Rick sich plötzlich umdrehte.
"Hey alles okay?"
"Nein nichts ist okey! Das mache ich nicht! Auf keinen Fall!", keifte ich ihn an während mein Herz raste. Ich hatte das Gefühl, dass wenn es so weiter pumpt, es gleich aus meiner Brust springen würde.Scheiße! Panikattacke!, schoss es mir durch den Kopf. Seit Lyam's Tod hatte ich immer wieder mit diesen Attacken zu kämpfen, selbst in den banalsten Situationen. Einige Monate war ich sogar in Therapie wegen diesen Attacken aber hatte es geholfen? Nein rein gar nichts hat geholfen!
"Hey ich pass auf dich auf versprochen.", Rick stand langsam auf, seine Hände auf den Knien abgestützt und das ganze Equipment um ihn verstreut.
"Ich hab Nein gesagt! Hast du das nicht verstanden Rick!", schrie ich ihn an und spürte plötzlich eine harte Steinwand hinter mir. Ich bekam Platzangst und immer weniger Luft. Meine Hände krallten sich panisch in das Gestein.
Mein einziger Gedanke war, dass ich hier weg musste, sonst würde ich gleich vor Panik tot umfallen. Ruckartig drehte ich mich um und rannte darauf los, als sich ein fester Griff um mein Handgelenk wickelte. Im nächsten Moment schlang ein muskulöser Arm sich um meinen Bauch und zog mich zu dem großen Körper. Erst jetzt merkte ich wie groß und muskulös Rick gebaut war, sicher ging er regelmäßig trainieren. Der Duft von Vanille, der gleiche wie heute Morgen, umhüllte mich und ich schloss reflexartig die Augen. Eine Hand drückte mich an die harte Brust und ich vergrub meinen Kopf darin."Shh beruhig dich Prinzessin.", Rick's weiche Stimme ließ mich kurz erschaudern.
Seine Hand strich langsam über meinen Rücken, als er meinen Kopf kurz von sich weg drückte und mir direkt in die Augen sah. Es brauchte nur eine Sekunde, in der mich seine Augen in einen Bann zogen. Ihre eisblaue Farbe war einzigartig, fast so hell, wie die von einem Husky, und sie durchdrangen mich regelrecht.
Dann zog er mich wieder zu sich an seine Brust. Mein Atem hatte sich von alleine beruhigt ohne, dass ich es bemerkt hatte. Erst jetzt, wie ich wieder mit dem Kopf an seiner Brust lag und seine Hand über meinen Rücken strich, merkte ich, wie mein Bauch sich in einem regelmäßigen Tempo hob und senkte.
"Geht's dir wieder besser?", Rick's Atem kitzelte an meinem Ohrläppchen und ich hob meinen Kopf in Richtung seines Gesichts.
Stumm nickte ich und schob mich aus dem Griff. Sofort fühlte ich mich leer. Ich verschränkte meine Arme, um mich nicht allzu leer zu fühlen und hob dann meinen Blick. Mein Fuß tippte immer wieder unruhig auf den Boden.Rick stieß einen Luftstoß aus und erhob dann seine Stimme.
"Ich weiß, Paragliding ist nicht gerade eine leichte Kost aber wag doch Mal was."
"Pffff.", antwortete ich ihm und starrte Rick an.
Er strich sich mit der rechten Hand eine Locke aus dem Gesicht.
Mit einem Schritt trat er auf mich zu und ergriff ein weiteres Mal meine Hände."Du musst mir einfach vertrauen. Wenn du deine Ängste jetzt nicht überwindest wann dann? Sie werden dich dein Leben lang begleiten und du wirst dich fragen, ob du in gerade diesem Moment vielleicht nicht doch das hier mit mir hättest machen sollen. Nutze es. Schenk mir dein Vertrauen und flieg mit mir Emily.", seine Augen leuchteten während er mich ansah und diese Worte aus ihm heraus sprudelten.
Ich merkte, wie mein Atem wieder schneller wurde und ich schluckte schwer.
"Denkst du wirklich ich bin so leichtsinnig und lass mich auf dieses halsbrecherische Abenteuer, so wie du es so schön nennst, ein?"
Automatisch drückten Rick's Hände fester zu.
"Bitte Emely. Es ist genau das was du brauchst, das weiß ich. Das Fliegen hat mich vor einigen Jahren durch eine schwere Zeit gebracht und genau dabei möchte ich dir jetzt hiermit helfen.", aus seinen Augen schimmerte ein Funken Sanftheit.
"Und solltest du meinen, ich hätte keine Erfahrung damit, irrst du dich. Ich hab sogar die Lizenz, dass ich unterrichten darf." Leise lachte er.
Ich entzog ihm meine Hände und legte meinen Kopf schnaufend in den Nacken.Ich hatte eigentlich nichts zu verlieren. Wenn ich es überlebe, hatte ich eine schöne Zeit und wenn nicht, würde mich niemand vermissen und all meine Probleme wären vergessen.
Nickend sah ich ihn an.
"Okey, na gut. Du wirst mich eh nicht gehen lassen bevor ich nicht mit dir geflogen bin."
Schelmisch grinste Rick. "Nein.", und zog mich hinter sich her zu den ganzen Gurten und anderen Zeug.
"Also das hier schnallst du dir um deine Hüfte." Rick hielt ein komisch aussehendes, schwarzes Knäuel in die Höhe und ich zog die Augenbrauen verwirrt hoch.
Lachend trat er einen Schritt näher.
"So.", erklärte er mir und schnallte mir den Gurt um. Bei der Berührung seiner Finger an meiner Hüfte kribbelte es leicht, aber ich ignorierte es.
"Danke", flüsterte ich und sah, wie Rick sich ebenfalls den Gurt umschnallte und hinter mich trat.
"Jetzt fehlt nur noch der Schirm", sagte er und schloss an jeweils einer Seite den Schirm an."Und jetzt musst du rennen. So schnell es geht.", seine Stimme war ruhig und zusammen, auf sein Zeichen, rannten wir los.
Rick zog leicht an den Henkeln, die an beiden Seiten herunterhingen und im nächsten Moment schwebten wir in der Luft.
Panisch schrie ich auf, als ich den Boden nicht mehr unter meinen Füßen spürte und krallte mich an dem Gurt fest, die Augen waren fest zugekniffen.
Plötzlich spürte ich einen warmen Atem in meinem Gesicht und die weiche Stimme von Rick flüsterte in mein Ohr."Es ist alles gut. Lehn dich zurück und genieß den Moment. Es lohnt sich."
Seine sanfte Stimme beruhigte mich ein wenig und mein Griff lockerte sich, während ich den Atem von Rick die ganze Zeit in meinem Nacken spürte.
Nach einiger Zeit traute ich ebenfalls meine Augen zu öffnen und ich glaubte nicht, was sich vor mir erstreckte.
Ganz New York konnte ich von hier oben überblicken und die Skyline schien nie zu enden.
Ich hatte das Gefühl, die Häuser mit meinen Händen berühren zu können."Na, das war es wert oder?"
Rick's Worte rissen mich aus meiner Erstarrung.
"Ja", antwortete ich ihm baff. "Es ist einfach.... unbeschreiblich."
Ich spürte Rick's Lächeln in meinem Rücken während mein Blick sich nach rechts wandte.
Die Freiheitsstatue reckte sich dort in die Höhe. Sie war wunderschön und maiestätisch.Ich wusste nicht wie lange wir umher flogen. Es mussten Stunden gewesen sein, ich hatte mein komplettes Zeitgefühl verloren. Immer wieder tauchte die Statue dabei auf und die ganze Zeit über war ich in einer Welt, in der nur dieser Moment und all diese wunderschönen Dinge zählten. Für diesen einen Moment konnte ich vergessen, welche Probleme zu Hause auf mich warten würden und ich war dankbar dafür, dass Rick mich doch dazu überredet hatte mit ihm zu fliegen.
"Gut wir sinken langsam. Wenn ich "jetzt" sage, musst du deine Füße bewegen, als wenn du rennen würdest.", riss Rick mich aus meinen Bann.
Stumm nickte ich und genoss die letzten Momente bevor Rick mir das Zeichen gab.
"Jetzt!", rief er von hinten und ich begann in der Luft zu rennen. Hinter mir spürte ich Rick's muskulöse Waden, die sich im Takt mit meinen bewegten.
Wir glitten langsam und ruhig in Richtung Boden, ungefähr dort, wo wir auch gestartet waren. Als meine Schuhspitzen die Erde berührten, versuchte ich weiterzurennen, aber meine Beine kippten wie Wackelpudding um.
Hinter mir stolperte Rick über mich drüber und wir landeten als ein Knäuel am Boden.
Laut lachte ich los und Rick stimmte sofort mit ein.Als wir uns wieder eingekriegt haben, stemmte Rick sich hoch und streckte mir einen Arm hin.
Dankbar nahm ich sie und er zog mich hoch.
"Danke."
"Wofür?" Rick musterte mich fragend.
"Einfach alles.", antwortete ich lächelnd
"Nichts zu danken Prinzessin.", er lächelte zurück
"Ich pack jetzt alles zusammen und dann fahren wir wieder zurück.", rief er mir über die Schulter zu und machte sich daran sein Equipment einzupacken.Ich beobachtete ihn und lächelte zufrieden dabei. Allerdings wusste ich in diesem Moment noch nicht, was die Zukunft für mich vorgesehen hatte. Rick's falsches Spiel hatte begonnen und mein zerbrechliches Herz hat nichts davon bemerkt.
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Tränen der Trauer
Novela JuvenilNach dem Tod ihres Bruders bei einem schrecklichen Unfall änderte sich Emily's Leben komplett. Nichts war mehr wie davor. Emily lebte fortan in sich gekehrt und baute sich in den vielen Jahren eine dicke Mauer auf, welche Niemand jemals einreißen so...