Kapitel 11

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Hinter mir fiel die Haustür mit einem Kracher ins Schloss und ich zuckte bei dem Laut kurz zusammen. Ich hasste diese schwere Holztür meines Wohnblockes und ich stieß einen kurzen genervten Laut aus bevor ich loslief. Meine Gitarrentasche hing, wie gewohnt, über meiner linken Schulter und wurde von meiner linken Hand gehalten.

Ich war wieder einmal auf dem Weg in den Central Park, heute allerdings, nach einer längeren Zeit, Mal wieder zum Singen. Außerdem hoffte ich, dass ich ein wenig Geld sammeln konnte, um meine Kasse ein wenig aufzustocken bis ich einen Job gefunden hat. Allerdings arbeitete die Zeit gegen mich.

Mit einem tiefen Atemzug zog ich die frische, winterliche Luft ein, die Vögel zwitscherten über meinem Kopf in den kahlen Baumkronen. Obwohl es mittlerweile erst Februar war, war die Natur schon zum Leben erwacht, da es ungewöhnlich warm war. In den letzten zwei Wochen waren die Temperaturen um einige Grade gestiegen und der Schnee fing langsam an zu tauen. Dennoch fröstelte ich ein wenig und zog den Reißverschluss meiner Jacke zu.

Ich trat durch das große, pompös wirkende, metallene Tor des Parkes und suchte mir eine schöne Stelle zum Spielen. Dabei schlenderte ich durch die dünnen Wege und beobachtete die kleinen Familien, die hier eine kurze Pause vom Alltag einlagen, der Central Park war mir eindeutig lieber als der stressige Bahnhof.
Nach einiger Zeit zog es mich zu einer leeren Bank, die etwas abseits stand. Erst bei genauerem Hinsehen, merkte ich, dass es die Bank war, auf welcher ich mit Rick gesessen wat und musste bei dem Gedanken an diesen Moment leicht grinsen. Ich breitete meine Sachen auf der Bank aus und wie immer erstrahlte das glatte Holz in all seinen satten Farben. Leicht lächelte ich während ich mir das Instrument um die Schultern hängte und leise die ersten Töne anspielte.
Bevor ich richtig loslegen konnte, sah ich eine bekannte Gestalt auf mich zurennen und erkannte Clara, welche in Tanzkleidung gekleidet war und nur ihre Winterjacke übergezogen hatte.
Dabei flog ihre schwarze Sporttasche, welche über ihre letzten linke Schulter hing, wie wild durch die Gegend und ihre kastanienbraunen Haare waren zu einem großen Knoten auf ihrem Kopf befestigt, wobei einzelne Strähnen wohl ein Eigenleben entwickelt haben.
Vor mir kam sie schlussendlich zum Stehen und umarmte mich fest während sie schnell schnaufte. Nach der Umarmung stützte sie sich schnell sich auf ihren Knien ab und blickte dann lachend zu mir auf.

"Jetzt weiß ich, dass ich nie wieder so einen Sprint nach dem Training hinlegen werde!", keuchte sie und nuckelte an ihrer Wasserflasche, welche sie kurzerhand aus der Seite ihrer Tasche gezogen hatte, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ich lachte laut und tätschelte ihr den Kopf.
"Dann kannst du es beim nächsten Mal besser machen."

So wie ich Clara mittlerweile kenne, kam sie gerade vom Training an ihrer Uni. Mit ihren 19 Jahren, war sie schon ziemlich weit gekommen. Schon mit 17 hatte sie die High School beendet und bekam ein Stipendium für die NYU, wo sie Ballet und Modern Dance nun seit zwei Jahren studierte. Clara wusste schon seit sie anfing zu tanzen, dass sie irgendwann einmal ihr Hobby zum Beruf machen wollte und insgeheim bewunderte ich sie dafür, schon so früh zu wissen, was sie aus ihrem Leben machen wollte.

"Und was machst du hier?", riss Clara mich aus meinen Gedanken aber nickte dann wissend als ihr Blick auf meine Gitarre fiel.
Ich nickte als Antwort auf ihren Blick während Clara sich hinter mir auf die Bank fallen ließ und mich erwartungsvoll ansah.
"Worauf wartest du dann noch Emily!"
"Ist ja gut Clara!", rief ich ihr über die Schulter zu und wendete mich dann meinem Instrument zu.
Sachte ließ ich meine Finger über die Saiten gleiten und schloss meine Augen als der warme, volle Ton erklang.

Even when I say I'm fine, you realize that's not true.

You are my rock on which I can always save myself.

With you, I don't need a hundred words.

With you I can be quiet.

Dieser Song war der erste seit Jahren, der nicht um Trauer, Wut oder Einsamkeit ging, nein, er ging vielmehr um eine Person. Um Clara. Sie ist in diesen Wochen zu einer der wichtigsten Personen in meinem Leben geworden, von Lyam abgesehen. Ich konnte ihr alles anvertrauen, auch den Tod meines Bruders und auch wenn ich sie nicht hinter meine Festung meines Herzens ließ, hab ich ihr in den letzten Wochen mehr anvertraut, als sonst jemanden in den vergangenen drei Jahren.
Genau deren brennenden Blick spürte ich jetzt in meinem Rücken und ich wusste, ohne sie anzusehen, dass sie schon realisiert hatte, wer mit diesem Song gemeint ist.
Als ich den letzten Ton verklingen ließ, hatten sich schon einige Menschen um mich gekreist.
Plötzlich spürte ich ein schweres Gewicht auf meinen Schultern und blickte nach hinten.
Clara umarmte mich von und hatte Tränen in den Augen.
"Wunderschön", hauchte sie.
Ich lächelte einfach nur als Antwort und spielte den nächsten Song an. Clara löste sich die ganze Zeit nicht von mir, klebte weiterhin an meinen Schultern und wippte einfach im Takt mit, während ich einen Song nach dem anderen sang.

Als ich nach einer Zeit eine kleine Pause einlegte, schüttelte ich meine Freundin sanft von mir ab und legte meine Gitarre auf die Bank.

"Du bist genial, Emily", hörte ich eine bekannte Stimme dicht an meinem Ohr. Ruckartig drehte ich mich um und sah Rick vor mir stehen.

Wann war er hier her gekommen? Ich hatte ihn gar nicht bemerkt.

"Danke Rick." Ich räusperte mich leise und trat eine Schritt zurück, da mir bei dieser Nähe ein wenig unwohl wurde. Clara legte mir eine Hand auf meinen Rücken und ich entspannte mich langsam. "Wer ist das?", flüsterte sie mir so leise ins Ohr, dass ich sie nur unschwer verstehen konnte. Mit der Hand gab ich ihr ein Zeichen, dass ich später mit ihr reden würde und lenkte meinen Blick wieder zurück zu Rick, neben welchem nun eine junge Frau mit einem blonden Lockenkopf auftauchte.

"Hey Elani", begrüßte Rick sie und wuschelte ihr durch die Haare. "Man Rick! Du weißt doch, dass ich das hasse!" "Jaja, ich weiß." Er schaute sie entschuldigend an aber ich entdeckte einen Funken Ironie in seinem Blick. Bei dieser Situation musste ich kurz an Lyam denken. Ich hatte ihm genauso, wie Rick gerade, immer durch seinen pechschwarzen Lockenkopf gewuschelt und jedes Mal, wenn ich dies tat, hatte ich nur schnippige Antwort bekommen, wobei ich immer wusste, dass auch er dabei lachen musste und es nie so gemeint hatte.

Meine Gedanken glitten zurück in die Gegenwart. Ich wusste nicht wer diese Frau war, also schaute ich Rick einfach nur fragend an und blieb still. "Das ist Elani. Meine kleine Schwester", antwortete er mir auf meinen verwirrten Blick und legte dabei eine Hand auf die Schulter von Elani. Rick's Schwester sah zu mir und strecke kurzerhand ihre Hand aus. "Schön dich kennenzulernen. Du musst Emily sein, Rick hat mir schon einiges über dich erzählt." Überrascht glitt mein Blick zu Rick aber dieser winkte ab. Ich zog die Augenbrauen hoch während ich mich wieder Elani zuwendete und schüttelte freundlich ihre Hand. "Genau die bin ich. Und das hinter mir ist Clara." Ich schob meine Freundin mit meiner rechten Hand ein wenig näher, damit ich noch Rick und Clara richtig einander vorstellen konnte.

"Clara, das ist Rick." Clara nickte wissend und ich wusste, dass ich ihr nicht mehr erklären musste, da ich schon zuvor genug über ihn erzählt hatte. "Rick, das ist Clara meine Freundin." Gegenseitig schüttelten sie sich die Hände während Rick's Blick zu mir glitt.
"Habt ihr beide heute schon etwas vor?"
Ich und Clara sahen uns automatisch gegenseitig an und schüttelten dann unsere Köpfe.
"Nein nicht, dass wir wüssten", übernahm Clara das Wort und ich fing dabei an meine Gitarre einzupacken.
"Wieso?", fragte ich über die Schulter hinweg und zog gerade den Reißverschluss der Tasche zu.

"Werdet ihr schon sehen." Rick grinste mit seinem schelmischen Blick und jeweils er und Elani zogen mich und Clara einfach hinter sich her aus dem Park.

Wohin? Wusste ich nicht.

Tränen der TrauerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt